Ein erfolgreicher Geschäftsmann in der dreizehnten Ameriana, der mit Youtube auf einem Kreuzfahrtschiff eine Weltreise antritt. Sonntag, 30. August 2015.


[Traumschiffs Kamintisch,
9.34 h]



Doch, es gab auch Grund zur Freude. „Die Österreicher ticken schon anders als wir, oder?“ triumphierte mit Wiener Zungenschlag die Löwin, nachdem sie >>>> Peter Pisas schönen Text im Kurier gelesen hatte. Aber nicht nur >>>> die Löschung bei Youtube, des 29. Tages, setzte mir seit gestern morgen zu und verdarb mir fast die Lust, die Serie überhaupt noch fortzusetzen; nein, auch DIE ZEIT, auf ziemlich infame, in jedem Fall miese Weise schnaubte ihren Schnodder in meinen Caffè. Unter meiner, aufgrund eines Abkommens mit >>>> Zehnseiten.de, auf der Online-Ausgabe der Wochenzeitung eingestellten >>>> Video-Lesung aus dem Traumschiff hat nämlich jemand als Ankündigungstext folgendes verfaßt:
Ein erfolgreicher Geschäftsmann geht auf Weltreise auf einem Kreuzfahrtschiff. Wie der seine Mitreisenden wahrnimmt, schildert Alban Nikolai Herbst in diesem Roman.Diese Information ist nicht nur falsch, sondern soll bewußt diffamieren. Weder war Gregor Lanmeister je|mals, der sterbende Erzähler des Buches, ein „erfolgreicher Geschäftsmann“ – in keiner Weise das, was darunter verstanden wird -; vielmehr war er ein Gauner. Noch erzählt das Buch, jedenfalls nicht in seinem Kern, wie er („der“!) seine Mitreisenden wahrnimmt. Das ist nicht der Erzählgund und -zweck. Nein, Lanmeister stirbt, und das Buch erzählt die Wahrnehmungen dieses Sterbenden, seine, meinetwegen, Visionen. Er beobachtet Mitreisende, aber aus einer schweigenden Entferntheit, die er nicht aufzulösen vermag und lange Zeit auch nicht auflösen will. Und doch erfährt er in seinen letzten Tagen Gemeinschaft. Undsoweiter. Erzählt wird eine bis ins Märchenhafte reichende Sensibilisierung dieses „geworfenen“ Menschen. Was DIE ZEIT dagegen insinuiert, ist, daß hier jemand ökonomisch Privilegiertes abfällig über andere Menschen urteilt. Der gesamte Atem des Buches hat davon nichts, überhaupt nichts. Aber man will, daß es sei, wie man meint, daß ich bin – oder wie man es unbedingt hinstellen will.
Der Haß auf oder die Wut über mich muß schon ins Irrationale reichen, wenn ein in seiner Struktur durchweg liebevolles und zärtliches, bisweilen auch liebevoll-komisches Buch derart weggehackt wird. Kurz gesagt, es ist mies. Merken die Leute wirklich nicht, auf wessen Seiten sie sich damit stellen? Nein, zerrend und zerrend rumpelstilzen sie sich lieber das Bein ab, der Wahrheit, als von ihren Vorurteilen zu lassen und vielleicht einfach mal zu sagen: Gut, wir mögen diesen Typen zwar nicht, aber hier hat er etwas geschrieben, das auch uns wert sein könnte. Um dann zu prüfen. Anstelle sofort loszutreten – was mit nur noch einem Bein, die Literaturgeschichte wird‘s zeigen, eigentlich sowieso nicht geht. Man fällt dann nämlich hin. Desungeachtet würde man aus mir auch einen Rassisten machen, selbst wenn man weiß, daß ich das Gegenteil bin. Denn wenn sich ein Vorurteil nicht halten läßt, stellt man die „Wahrheit“ eben selbst her, auch vermittels Lügen. Mauern genügend Leute dran mit, dürfen sie so durchschaubar sein, wie es nur geht; nur noch wenige haben dann ein Interesse an den wirkenden Hintergründen, sondern die meisten greifen zur Kelle noch mit oder rühren zumindest tüchtig im Mörtel.
Ja, es trübte mir den Tag ziemlich ein, auch wenn mich wegen Youtube mein Kampfgeist in der Bewegung hielt. Nebenher kochte ich, der Freund und ich hatten zum Abendessen geladen, und buk zudem ein Brot. Die Gäste schließlich zerstreuten meinen Unmut. Nur daß ich jetzt, von zu viel durcheinandrigem Wein, einige Kopfschmerzen habe. Außerdem will das gelöschte Video noch immer nicht in meine Dropbox hochgeladen sein, wiewohl der Laptop durch die gesamte Nacht rödelte. Ich will aber diese Lesung unbedingt wieder zugänglich machen.
Der Gedicht„mood“ jedenfalls war und ist weg. Ich werde nachher zwar versuchen, wieder etwas hineinzukommen (immer noch sitzt das lyrische Ich in der Loggia zwischen den Frauen, gegenüber dem spöttischen Mann), aber morgen abend reise ich bereits wieder ab: – mit neuen, nächsten Kämpfen erwartet mich, ich spür es in den Fasern, Berlin. Dabei hatte ich so gehofft, mit „Traumschiff“ wenigstens ein Plateau erreicht zu haben, auf dem man mich ein wenig ausruhen ließe; statt dessen hänge ich im Hang wie zuvor. Nein, nicht ganz: Es gab ja gute Stimmen. Ich bin wohl zu empfindlich bei den bösen; mag sein; doch die Kränkungen der vergangenen Jahre haben sich eingeätzt, und man muß nur den Schorf ein bißchen aufkratzen.

Man kann mich töten, nicht aber beugen: Dieses immerhin bleibt.

(11.47 h)
So. Das inkriminierte Youtube-Video des Tages 29 steht jetzt in der Dropbox bereit; einfach >>>> auf den Link klicken. Ich werde es aber gegen Abend noch in einem gesonderten Beitrag annoncieren.

5 thoughts on “Ein erfolgreicher Geschäftsmann in der dreizehnten Ameriana, der mit Youtube auf einem Kreuzfahrtschiff eine Weltreise antritt. Sonntag, 30. August 2015.

  1. Vorurteile bergen das Potential, noch einmal überdacht zu werden – schlimmer sind Leute, die auf ihren Verdikten bestehen. Schon gar wenn sie in der Position sind, anderen zu schaden. Von manchen Blacklists kommt man einfach nicht mehr runter.
    Diese gehässig-irreführende Textzeile unter dem Lesungsvideo auf ZEIT online: Das scheint mir genau so ein Blacklist-Satz, der jede Neugier killen will.

    Weil mich das ärgert, hier ein Hinweis an potentielle Leser:innen: Das Traumschiff ist wunderbare Lektüre. Ich mag die Figuren, die realen und die Erscheinungen, ich mag die zugrundeliegende Idee (sehr), den Humor (schräg zuweilen), die Tiere (könnten noch mehr sein), ich mochte auch die wehmütige Liebesgeschichte und dieses seltsame Flirren der Erzählung: Man weiß nie, ob man lachen, weinen oder einfach die grandiose Reise mitmachen soll, die sich im Kopf des alten Herrn Lanmeister abspielt. Eigentlich wollte ich “ordentlich” von meinen Leseeindrücken schreiben, bin aber am Packen. (Adieu Paris!)

  2. Zeit und Youtube Ich glaube nicht, dass die beiden Vorkommnisse gegen Sie persönlich gerichtet sind. Der kleine Zeit -Text ist oberflächlich und dumm. Wirft ein ganz schlechtes Licht auf die ZEIT. Wer das schrieb, hat sich überhaupt nicht mit dem Buch beschäftigt, hat auf nachlässige Weise etwas hinter sich bringen wollen.
    Und bei Youtube arbeitet eine Maschinerie, die automatisch auf bestimmte Wörter reagiert. Dass dadurch wertvolle Literatur verloren geht, wurde nicht bedacht. Sie sollten mit den Verantwortlichen bei Youtube sprechen und hören, ob dies Problem gelöst werden kann. Dies ist ganz sicher kein Urteil über Ihren Text, der reich an Ausdrucksmöglichkeiten ist und furchterregend in eine mögliche Zukunft blickend.

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