Der „Machtmann“ schreibt. Nämlich das Arbeitsjournal des Sonnabends, dem 28. November 2015.


[Arbeitswohnung, 8.35 Uhr
Brahms, Drei Intermezzi op.117]

Nun aber an die Kritik zum >>>> Burgkraus, um die ich mich gestern noch gedrückt habe. Doch ich denke, nun ist so viel Abstand da, daß ich, weil sich mein Unwille gelegt hat, gerecht sein kann. Ich werde den Text aber erst einmal für >>>> Faust schreiben und ihn diesmal in Der Dschungel erst danach einstellen, wenn er dort schon veröffentlicht war. So scheint es mir in diesem Fall fairer zu sein. (Seltsame Kategorie, aber sie trifft, spüre ich, den Sachverhalt).
Zum >>>> Youtube-Projekt habe ich >>>> nach wie vor keine Lust mehr; die Reaktionen sind zu mau, die Zugriffe weiterhin lächerlich. Ich habe das Gefühl, mich andernfalls zum Affen zu machen. Es ist schon schwer genug, meine Bücher durchzusetzen.
Jemand Nahes schrieb mir, ich solle doch vielleicht mal unter Frauennamen schreiben, so daß der Verfasser nicht sofort klar ist, also ohne die üblichen Vorurteile gelesen wird. „Aber wahrscheinlich würde man dich am Stil erkennen.“ Was ich nicht glaube; denn um ihn zu erkennen, müßte man gelesen haben. Mein Problem bei so etwas ist viel mehr, daß ich mich als durch und durch männlich konnotiert erlebe; der Text würde schlichtweg falsch. Und außerdem, so antwortete ich, ist eine solche Aktion bei einem Dreißig-, auch noch bei einem Vierzigjährigen p f i f f i g; bei mir röche sie furchtbar nach Not. Mit der ich‘s, nach der abermaligen Absage des Literaturfonds, jetzt weiterhin zu tun habe; ein kleines bißchen, ich gebe es zu, hatte ich wider Erwarten d o c h gehofft. Das war dämlich, ich weiß. Es wäre auch möglicherweise anders ausgegangen, wäre das >>>> Traumschiff auf die Shortlist des Buchpreises gekommen. Deshalb, als das Buch nicht mal auf die Longlist gekommen war, mein voraussehender quasiZuammenbruch; es wurde dadurch einfach klar, daß sich zu meinen Lebzeiten nichts mehr ändern wird, völlig egal, wie gut oder schlecht ich noch schreiben werde.
Ich hätte eine Erzählung im Sinn, die, gäbe es das nicht schon, „Frauenbilder“ hieße, vielleicht auch, frecherweise, „Frauenzimmer“; diese Zimmer wären – Köpfe. Doch wenn ich, wie ich‘s eben meiner Madame LaPutz wegen tat, die hier jetzt (dankenswerterweise) herumwerkelt, die vielen Bücher wegstaple, die so eingehen, wird mir die Sinnlosigkeit besonders klar: Ich selbst ja komme nicht dazu, alles das zu lesen. Die Bücher, hier bei mir, teilen das Schicksal der meinen. Es ist nicht falsch, sich das vor die Augen zu führen. Nur ein paar wenige kommen durch, die die geballte Schützenhilfe des Betriebs haben, und auch für die kommt es weniger auf eine tatsächliche Qualität als mehr auf machtsoziale Kompatibilität an —
— da mußte ich aber eben auflachen, als mich ein Kommentator >>>> einen „Machtmann“ genannt hat. Ausgerechnet. Und typisch. Vor wirklichen Machtmenschen, weil sie Macht nämlich h a b e n, wird sich statt dessen geduckt und der Ärger drüber an denen ausgetragen, die hilflos, aber dennoch nicht bereit sind, sich zum Opfer zu machen. So etwas scheint als ungehörig zu gelten.
Aber bitte, wenn, die Opferrolle nicht als Opfer zu spielen, den Machtmann schon bedeutet, dann bin ich einer, in der Tat. Ich wiederhole es hier: Man kann mich brechen, aber nicht beugen.

Guten Morgen. Eine hellste Sonne scheint.

[Brahms, Klavierstücke op.118]

14 thoughts on “Der „Machtmann“ schreibt. Nämlich das Arbeitsjournal des Sonnabends, dem 28. November 2015.

  1. Nur ganz kurz: Macht meinte ich nicht gegenüber dem Betrieb, sondern gegenüber Frauen. Da erlebe ich sie so.
    „Die Bücher, hier bei mir, teilen das Schicksal der meinen.“ Das ist hart, aber fair.
    […]
    Was ich sagen will: Ihre kapitalistische Fixierung auf Verkaufszahlen ist abtörnend für engagierte Leser. Sie scheinen Uns nur als Zahlvieh zu sehen.

    1. @holio. Na ja, Sie haben mich noch nie in Gegenwart von Frauen erlebt, wahrscheinlich auch überhaupt nie persönlich erlebt. Und es ist ein Unterschied zwischen erotischer Dominanz und Macht, sogar ein gewaltiger, weil Dominanz niemals gegen den Willen von jemandem vorgeht, schon gar nicht Frauen gegenüber. Eben das zu tun, wäre n i c h t dominant.

      Und was die „kapitalistische Fixierung“ anbelangt, so teilt sie jede/r, der von dem, was sie und/oder er arbeitet, leben können möchte. Also ein Angestellter in einem Büro oder eine Verkaufskraft bei Aldi ist kapitalistisch fixiert, wenn sie oder er Gehalt haben möchte? Interessant. Das nenne ich für die Wirtschaft gesprochen, man wird Sie bei, sagen wir, Sony mit Kußhand empfangen.
      Darüber hinaus geht es noch um etwas ganz anderes, ebenfalls sehr Normales: Ein Künstler lebt von der Anerkennung, er braucht sie, nimmt dafür sogar das Risiko inkauf, ökonomisch an der Kante zu leben. Das mag Ihnen jetzt unangenehm sein, daß jemand dies so schreibt, aber es entspricht der Realität. Im übrigen gehört die Notwendigkeit von Anerkennung zu jedem Beruf; seltsam, daß man so etwas immer noch eigens sagen muß, da wir es aus sämtlichen Entwicklungsgeschichten kennen und Kinder und Jugendliche, die sie nicht bekommen, lebenslang geschädigt werden. Wirklich seltsam auch, daß Sie meine Bemerkung sofort auf sich selbst beziehen. Von Zahlvieh war bei mir nirgendwo die Rede. Nur tragen Sie als mein Leser-allein zu meiner Lebenshaltung nichts bei, das sich signifikant bemessen ließe, mir also etwas Ruhe gäbe. Ich muß also auf Zahlen gucken – wie jeder Bäcker.

    2. sorry also ein anerkennen könnte so etwas wie ein erkennen voraus setzen – nun frag ich sie, ob sie serielle musik wirklich erkennen – oder redeten sie letztens nur von serialität als serienproduktion, montagebandarbeit zu der musik von melos & britten ?
      ich deutete letztens schon zu „zuschanden“ ( reiten ? ) an, dass melodiegrundierte musik nicht das pferd war, auf das serielle musiker hätten sich auch nur setzen wollen, vielleicht hatten diese ja einfach nur allzu zu oft in ihrem musikerleben melodien üben / wiedergeben müssen und fanden irgendwann auch melos nur noch langweilig ?
      womöglich sollte die angesteuerte atonalität der seriellen musik auch nicht mehr viel mit tradiierter harmonik zu tun haben und damit verbundener ( bürgerlicher, kleinbürgerlicher ) ideologie ?
      usw.
      vielleicht sind solche fragen aber auch völlig egal, wenn mensch musik nicht zur identifkation über harmonik oder entspannung ( mit headphones & corbusier-liege z.b. ) auflegt, sondern mit noch geschnürten schuhen serielle und in bester gesellschaft und möglichst laut über fein(st)e boxen ?
      keine ahnung welcher serielle musiker nach anerkennung suchte und nicht aus einem weg raus aus langeweile.
      “ es gibt keinen weg, man muss gehen. “ luigi nono ( zitat ohne gewähr )

      apropos – ein durchsetzen wollen halte ich generell für keinen guten ansatz.

    3. sorry eigentlich meinte ich nur : je mehr man_frau sich abseits der masse stellen, desto weniger sollten sie nach anerkennung suchen … und eigentlich haben sie dann auch nicht mehr viel durchzusetzen.

    4. @ANH Oder einen Brotberuf ergreifen wie unsereins. Nicht will ich neidisch erscheinen auf freies Künstlertum, weil ich es nicht bin. Die Brotfabrik hat einiges für sich. Abgesehen von der Versorgung ist man gewöhnlichen Menschen ausgesetzt, jenseits der Kulturschickeria. Das nervt und erdet. Natürlich muss man bereit sein, kleinere Brötchen zu backen, darunter geht es nicht.

    5. letzt sorry vielleicht wollte boulez ja tatsächlich „nur“ so komplizierte notationen wie möglich anfertigen, ohne sich vorher über melos-getragene musik gelangweilt zu haben – sie zitierten ihn ja mal ( pop ? – wie banal ! ) – ich weiss ja nicht, wer das überhaupt weiss, was boulez eigentlich ganz genau wollte ( ausser er selbst )
      was ich zudem z.b. nicht weiss, ob stockhausen’s ‚trans‘, nono’s ‚prometeo‘ und lachenmann’s ‚das mädchen mit …‘ seriell komponiert sind.
      wenn ja, dann höre ich allerdings deutliche unterschiede dieser werke zueinander und zwar imgrunde geradezu tonale unterschiede und nicht ausschliesslich deutliche unterschiede anhand einer jeweiligen (grund)gefühlsofferte nebst weiterer vieler gefühlsofferten – welche allerdings nicht die gesamte gefühls“palette“ des universums sowie bekannt beschlagnahmen ( auf die schnelle ) – sie können ja nicht mal selbst sich wirklich was (weg)nehmen ( falls seriell ) – wollen : davon gehe ich allerdings aus

      sie sehen mich also ziemlich ratlos.

    6. da blöde für mich ist, dass ich so gut wie niemanden ( mehr ) kenne, der musik ohne melodie oder melos erträgt ( nicht mal leise und nebenbei und nicht mal cage’s ‚third construction‘ ) – ganz egal ob aus u- oder e-musik gezogen, das „melodiöse“ ( gut, ein paar hören grindcoriges und affines mit ) – und ich mir einbilde, das war vor 20/30 jahren mal anders, ein wenig „experiment“-freudiger.
      das weitere blöde ist ( für mich ) dass mir die melodiös-orientierten ziemlich zuverlässig und zügig verbal-interaktiv auf den sack gehen können, weil sie alle ( die ich kenne ) argumentativ schludrig und/oder einfach nur sprunghaft sind ( fast schon wie beethoven emotional – mir geradezu widerlich – viel zu viel herumspringt in seinen mir bekannten werken – abgesehen von seiner hervorragenden arrangierarbeit )
      wo als in serieller musik ( oder meinetwegen neuer musik ) nach 45 sind die percussions ( ist das schlagwerk ) endlich mal ein wenig „angewürdigt“ in ernster musik ? – und eben nicht als laffer,straffer taktgeber in pop&rock durch so gut wie alles, was ich kenne – sondern z.b. als klangmitkonstituierende entitäten ?

    1. @ANH Wenn Sie sich die Zahlen anschauen, dann haben Sie keine Lust mehr, schreiben Sie. Haben Sie damit nicht ihre Lust an Zahlen gekoppelt?

      Ich kann Ihnen ja mal was über meine Zahlen verraten, ich wüsste nur nicht wieso. Vom Schreiben wird mich das nicht abhalten. Den Grund dafür gebe allein ich mir. Der Dichtung.

    2. Interessant, die Aufnahme kannte ich nicht, aber sie scheint sehr gut zu sein. Wurde selbst mit Brahms (Apostrophtaste leider kaputt) Klavierstücken durch Radu Lupu sozialisiert.

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