Arbeitsjournal. Dienstag, der 12. Januar 2016.


[Arbeitswohnung, 9.31 Uhr
Pettersson, Zweites Violinkonzert]

Dann bin ich aber mit PetterssonEinmalKomplett durch. Gestern rutschte ich in ziemlich depressive Verstimmung; die dunkle Musik machte es nicht besser – erst recht aber nicht diese Arbeit!: Ich kämpfe mich mit Vers um Vers voran.
Die Bilder weisen ab, wie Abstraktes sehr oft, das Ratio voranstellt, dem Sentiment keine Erschütterungen gibt: Verdrängungskunst. Klar weiß ich, weshalb, was also die Gründe sind, waren. Genau dies ist nun meine Aufgabe, es in dem lyrischen Text zu sagen. Echt hart verdientes Geld.
Nichts springt mich an. Nichts zieht mich hinein – außer einem interpretativen Vermögen, das auf Ideen angewiesen ist, die diese Kunst personalisieren, Seele in sie hinein- (genau das ist mein Unterfangen, ein Paradoxon) –denken. Gedanken müssen Gefühle werden, ohne daß aber der ästhetische Ansatz meiner Gegenstände, mithin der Malerei, weggewischt würde.
Ich gehe nach Art von Bildbeschreibungen vor; je genauer ich gucke, desto mehr Lücken finde ich, die sich füllen lassen. Dazu der historische Kontext. Morgen werde ich ein Stückchen erster Entwurfsskizze hier einstellen, dann werden Sie sehen, ähm… lesen.

Aber erst einmal können Sie >>>> dort anrufen. Und mit meiner WDR-Redakteurin eine Einwochenlesereihe, fürs Traumschiff, angedacht. Die Hörreihe aber, die mir so viele Jahre lang einen Teil meines Lebens finanzierte, ist vom Sender gestrichen worden; für ein wieder „großes“ Features wie zuletzt >>>> das das wird erst wieder 2017 eine Möglichkeit sein. Immerhin ist das Stück weiterhin online. – In jedem Fall muß ich mich nach einem anderen, zweiten Sender umgucken. Doch bei jedem ist Rangelei auf den Rängen.

Lobster hat sich >>>> mal wieder zugekifft; da er sowas noch mit sehr viel Alkohol stützt, verliert er stets schnell die Kontrolle, meist fängt er seine Sottisen überhaupt erst nach Kontrollverlusten an. Deshalb darf man seine Kommentare eigentlich nicht löschen. Denn es läßt sich in ihnen der Verfallsprozeß des steuernden Willens Text für Text nachvollziehen: wie ihm schließlich selbst ein korrekter Tastenanschlag nicht mehr gelingt. Ein hochintelligenter, einstmals ganz gewiß gegenwärtiger und deshalb urteilskräftiger Geist, der sich selbst, vor unseren Augen, dekonstruiert. Mir fällt Batman ein, der wohl einzige „Superheld“, den seine Schöpfer nach und nach zerfallen ließen – im Comic ein kunstästhetisch spannendes Geschehen, in des Lobster Wirklichkeit eher traurig, wenn nicht tragisch. An inneren Widersprüchen, doch wohl auch an, vernahm ich, „emanzipierten“ Frauen, schuldhaft durch sie, zugrundegerieben. Vielleicht daher seine eigenartig moralische Wut auf meine Dominanz, die so umfassend gar nicht ist, lediglich im erotischen Spiel. Und auch darin nicht ungebrochen. Und Lobster scheint mir ein Weltsichtsbruder des freilich, anders als dieser, gefaßten >>>> chSchlesingers zu sein; der läßt sich n i c h t entgleiten. Deshalb gehen mir einige Sätze, >>>> auf seiner eigenen Netzpräsenz, ziemlich zu Herzen – etwa d e r: „Ja, so bin ich der Hölle mundfein, als ein um sich kreisendes Elend, von jeder Hausmaus mit Abscheu beäugt.“ Bitter.
Wozu mir der Dominantenroman einfällt, den zu schreiben ich vorhabe. Musikalische Assoziationen sind erwünscht, zum Beispiel das hübsche Wort von der Subdominanten:


Wie lassen sich in der Dichtung Akkordschichtungen, ja nur Akkorde-allein hinbekommen? Besonders für Lyrik eine enorme Frage, an der schon die meisten Menschen versagen, weil sie beim Lesen nicht h ö r e n können, was sie lesen. Sie sehen meist nur, verstehen vielleicht sogar, aber hören tun sie n i c h t, brauchen ja selbst bei Musik einen durchlaufenden Beat. Fällt mir grad bei Pettersson wieder auf (>>>> sein zweites Violinkonzert


gehört zu den schönsten, die jemals geschrieben wurden), daß der Zugang zur Musik davon bestimmt zu sein scheint, ob man sie als soziale Äußerung oder als eine der radikalen Kunst begreift. Für die Dichtung dürfte Ähnliches gelten.
Hatte ich nicht eigentlich auch die revidierte Version dieses Konzertes? – ah, da isse! (Leider nur als mp3). Er habe sich nach der Uraufführung, lese ich gerade, „widerstrebend“ dazu durch- (das ist leider redundant:) -gerungen, „eine leichter durchhörbare Revisionsfassung zu erstellen“.

Es ist wieder so warm, daß ich bei weit aufklaffendem Oberlicht sitze. Ich spüre Körper und Atem und schmecke Muscheln auf der Zunge. Zum Beispiel, wie faßt man die Eichel in Worte, wenn Lippen sie umschließen und sie an den Gaumen stößt? Weiter als davon k ö n n e n Ehrhardts Bilder gar nicht entfernt sein! Genau das ist das Problem, also für mich selbst, meiner gegenwärtigen poetischen Arbeit. In die ich mich nun „petterssonisch widerstrebend“ wieder versenke. Vielleicht wirklich, daß die Gemälde sich nässen lassen, zumindest befeuchten. Selbst das Meer, bei diesem Maler, ist starr. Andererseits stand ich vor ähnlichen Aufgaben schon mehrmals, tat mich ebenfalls schwer, aber drehte es schließlich. Seit gestern habe ich ja den Ansatz. Imgrunde eine Aufgabe der Seelenmathematik.

Bin ganz froh, daß meine erste Lesung dieses Jahres, die „geschlossene“ in der FU, erst übermorgen stattfinden wird.

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