Elontril 9 – 11. Das Arbeitsjournal des Sonntags, dem 20. März 2016, wieder in Berlin.


[Arbeitswohnung, 7.55 Uhr
Mahler IX]

Darüber will ich heute schreiben: Barenboims und der Wiener Philharmoniker beeindruckende Interpretation der Neunten Mahlers im Rahmen der diesjährigen Staatsopern-Festtage gestern abend in der Berliner Philharmonie. Nachhören. Mehrmals nachhören vorher. Um zehn aber gemeinsames Frühstück mit der QuasiFamilie und abends Christoph Haacker, >>>> Arco, WienInBerlin sozusagen doppelt.
Ich kam um vier Uhr nachmittags zurück, brach um Viertel vor sieben in die Philharmonie auf, mit dem Fahrrad. „Dazwischen“ für die Familie gleich einen Brotteigling geknetet. Sauerteig, Roggen, ein wenig LM. Um kurz vor sechs in den Ofen, so ist der Laib nun schon fertig gebacken:


Wunderschöne, bergspaltenähnliche Risse in der Kruste. In der Wohnung steht der Duft.

Es war gut, s e h r gut, zwischen >>>> Leipzig und wieder Berlin vier Tage Frankfurt eingeschoben zu haben, gut, sehr gut, so mehrmals intensiv mit der Löwin gesprochen zu haben (Wien III, aber in Frankfurt, also eigentlich Wien I) und mit Do, auch wenn der Arzttermin, Psychiater/Neurologe, nicht wirklich Neues ergab. Bei Elondril ist‘s geblieben, die von Freund B. empfohlene Medikation traf, nur in der Dosierung wollte der Arzt erstmal zurück; allerdings waren 300 mg auch schon den Freunden ein wenig hoch vorgekommen.
Unterschiede merke ich nicht, wohl aber, daß das Mittel wirkt: >>>> Bupropion. Gut, die nachmittägliche Zittrigkeit ist, habe ich den Eindruck, zurückgegangen. An einen „Outburn“ glaubte der Arzt nicht, sprach statt dessen von „Krise“: „In einzwei Monaten sind Sie drüber weg.“ Allerdings, wandte die Löwin ein, und Do bestätigte, hat er mich nicht vor dem Elontril erlebt. Im übrigen gab er mir Ratschläge wie jeder Mischa Kunze: ich solle doch gucken, ob ich nicht nebenher für Zeitungen arbeiten könne oder für den Rundfunk, wenn es finanziell mal wieder knapp werde. Irgendwann wurde es mir zu viel: „‘tschuldigung, aber ich lebe in diesem Betrieb seit vierzig Jahren..!“ Naivetät ist bei Akademikern einfach nicht zu ertragen. Außerdem war er kurz davor, von „in unserem Alter“ zu sprechen
Na egal. Ich war jedenfalls nicht beeindruckt, eher ein wenig enttäuscht. Auch sein Ratschlag, noch mal ein paar Stunden bei meinem alten Analytiker zu nehmen, medikationsbegleitend, rührte nicht sonderlich aus fachlicher Inspiration. Doch wichtig war zu erfahren, daß ich mit dem Antidepressivum nicht restlos danebenliege, vor allem nun, anders als bislang, Pillen schlucken kann, deren Verfallsdatum nicht schon Mitte 2014 erreicht war.
Depression als Erschöpfungsbild, nun gut. Endogen wäre schlimmer.
Die mit Ciane geplante und längst gebuchte, von ihr dann mitabgesagte kleine Reise nach Neapel werde ich in zwei Wochen alleine antreten, auch wenn ich das erst nicht wollte. Die Löwin riet dazu, ebenso Do. Doch allein, allein in dieses Doppelzimmer zu treten, wird bitter sein. Aber vielleicht kann ich so wirklich Abschied nehmen, nicht nur von ihr, Ciane, sondern von einer ganzen Sehnsucht, einer ganzen Bewegung in eine vermeintliche, sagen wir, Vollständigkeit, die unerachtet aller objektiven Umstände noch einmal neu Familie beginnen wollte. Objektivität insofern akzeptieren, als daß ich auf mich ‚zukommen‘ lasse, offen, aber ohne eine andere Erwartung als die, meine poetische Arbeit fortzusetzen und vielleicht zu einer Art Ende oder gar Vollendung zu bringen. Also ganz bewußt den Focus auf sie zu richten. (Richtet man einen Focus? Hm.) Vielleicht ist dies sogar die Voraussetzung dafür, die >>>> Triestbriefe wieder aufnehmen und endlich fertigschreiben zu können.
Was sich mir vor die Füße spült.
Auch den >>>> „Die Dächer Neapels“-Zyklus wieder aufnehmen, in Neapel. Spazierengehen, sinnen. Daß man eine Frau alleine ihrer schmalen Hände wegen lieben kann – wichtiges Motiv für die Béartgedichte Und/oder wegen der Augen, des Halses, einem Bogen aus der Taille ins Gesäß. Oder stimmhalber. Vernarrt in Wortgesten, Klangfälle. Wie einem eine Art zu lachen fehlt. Wie sie einen benahm.

Fiel mir gestern abend schon ein: daß man nach dem vierten Satz dieser Neunten sofort noch einmal den ersten Satz hören sollte.


Das werde ich gleich tun.

(Weitere „Elondril“-Überschriften wird es nicht mehr geben.)

ANH

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