Das Arbeitsjournal des Donnerstags, dem 21. Juli 2016.


[Arbeitswohnung, 9.20 Uhr.
Zweiter Latte macchiato, viel zu spät aufgestanden.
Mozart, KV 364.]

An Christopher Ecker, 9.18 Uhr:

(…) tatsächlich habe ich von Setz noch kein Buch gelesen; ich weiß nicht warum, aber er interessierte mich nie. Ohne >>>> seinen Jarrett-Artikel hätte ich über ihn wahrscheinlich nie geschrieben.
Was Du über den >>>> Plönroman schreibst, ist niederschmetternd, doch entspricht dem Bild, das ich unterdessen habe. Kastberger (Literaturhaus Graz) >>>> twitterte heute morgen: „Schluß mit der Harmlosigkeit der deutschsprachigen Literatur!“ Wohlfeil gesprochen, denn vorkommen tut im allgemeinen nur fast diese, also die Harmlosigkeit, sowie die politische (und erotische) „Korrektheit“, der Konsens, das Ruhigstellen – literarisches, nach Huxley, Soma. Der Markt bedient Zeit“geist“. Daß Du n  o  c  h weniger vorkommst als ich, ist Skandal. Früher hätte ich gesagt: die Literaturgeschichte wird es richten, aber da bin ich mir nicht mehr sehr sicher. Jetzt lief grad wieder ein Seminar zu u.a. meiner Poetologie aus, >>>> an der Uni Tübingen, einen Effekt auf die Öffentlichkeit und diejenigen, die für sie und ihr gegenüber Literaturen vermitteln (sollten), gibt es so wenig wie ihn all die Diplomarbeiten,  Dissertationen, ja Habilitationen über mein Werk haben.
Also geh auf die Insel. Kaum jemand wird es bemerken – was ja auch ein Schutzraum ist, in dem’s sich, wenn die grundsätzliche Ökonomie gesichert ist, schreiben läßt.
Ich habe für mich immer wieder die Fantasie, mich auf ein Stück Land zurückzuziehen, als quasi französischer Bauer >>>> à la Jean Gabin, so starrsinnig wie autark dort vor mich hinzuleben, nicht mehr zu kommunizieren oder allenfalls freitag abends mal in der Dorfschänke, im übrigen vor mich hinzuschreiben. Aber selbst für sowas fehlt mir das Geld.
(…)
Aber Dein Verlag steht weiterhin hinter Dir, oder? Solange das so ist und Du finanziell nicht am Buchmarkt hängst, ist es imgrunde gut, besser fast als bei mir, der sich (…) abermals (…) umsehen und Klinken putzen muß, mit 61. Sag Dir das jeden Tag einzweimal vor. – >>>> Elfenbein kann derzeit nichts Neues von mir machen, weil der Verleger alles Geld in die Neuauflagen der Andersweltromane stecken will; sie sollen lieferbar gehalten werden. Von Band II etwa gibt es g a r keine Exemplare mehr, von Thetis vielleicht noch zwanzig, und sogar Argo muß bereits in die Zweite Auflage. Da verstehe ich Drznik also; es sind ja keine dünnen Bücher. Dennoch hätte ich gerne die Gedichte untergebracht noch vor meinem Ableben, zumal ich ja bereits am nächsten Zyklus, den Béartgedichten, sitze und unbedingt die Triestbriefe, meinen nächsten Roman, wiederaufnehmen will.
Übrigens will >>>> Dielmann zum Herbst den >>>> Wolpertinger neu auflegen, wenn auch nur als Paperback.
(…)

Manchmal denke ich in der Tat, wir sollten eine neue Autorengruppe aufmachen, die sich gegen den „Realismus“ und den Konsens öffentlich starkmacht. (…)


Schön, diese vinyle Sinfonia concertante (sinfonische Konzerttante). Keine Ahnung, wieso ich gleich heute früh auf Mozart kam. Vielleicht liegt‘s an dem neuen Sommerwetter, das mir auch die Vorarbeiten zur Steuererklärung leichtmacht, für deren Erstellung ich die gesamte nächste Woche reserviert habe. Im übrigen juckte es mich, wegen der Béartgedichte, wieder in den Fingerspitzen. Aber ich unterdrückte den Impuls, spüre indes, wie es in mir drinnen weiterarbeitet, fast ließe sich sagen: unbewußt ‚vor sich hin‘. Auch an die Triestbriefe denke ich nun immer wieder.
Dazu gehen mir vier Gedichtzeilen nicht aus dem Kopf, tauchen neu und neu auf, tauchen wieder unter.
Außerdem bin ich gespannt, ob sich nachher die Ägäis wiedermeldet. Ich schickte gestern Textauszüge und hoffe, daß sie nicht verstört haben. Außerdem könnte es sein, daß mir mein wie poetisch auch immer verstellter Umgang mit dem tatsächlich und/oder scheinbar Privaten zum Fallstrick wird; das wäre dann wieder mal ein Blutgeld, das ich für die und als eine Konsequenz für ein künstlerisches Konzept zu zahlen hätte. Jede Formulierung lange abwägen, hin- und herdrehen, nicht aber im Kopf die Scherenschneiden schärfen.

Mittags zum Training, abends Essen mit Amélie (fast hätte ich „Amélie essen“ in den Terminkalender getippt; grad noch rechtzeitig merkte ich den witzigen Falschsinn).

Vom WDR kam die Anfrage wegen eines großen Musikfeatures im nächsten Jahr. „Immerhinque“ haben wir in der Oberstufe geulkt.

*

5 thoughts on “Das Arbeitsjournal des Donnerstags, dem 21. Juli 2016.

  1. Mozart KV 364 Mit genau diesem Werk beschäftige ich mich seit Wochen. Es wird in 2017 mit zwei russischen Geigern und einem Kammerorchester in unserer Konzertreihe aufgeführt werden. Wir diskutieren gerade, mit welchen anderen Werken. Stamitz, Mozart, Johann Christian Bach, Haydns Sinfonie La passione oder Stamitz, Mozart, Barbers Adagio und Haydns Feuersinfonie. Was meinen Sie?

    1. @Cellofreund zu den Musiken. Ich votiere entschieden für Barber. Schön wäre allerdings auch ein Dallapiccola: Piccola musica notturna:

      Oder, weil mit Violine wie der Mozart und für Ihre Zwecke nicht nur deshalb noch besser, die erste seiner Tartinianen:

    2. Dallapiccola Danke für die überaus reizvollen Vorschläge. Ich werde sie dem Dirigenten unterbreiten. Könnte höchstens sein, dass dafür Instrumente gebraucht werden, die bisher nicht vorgesehen waren.

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