Und schon fast der Herbst, wenn auch ohne Kater. Das Arbeitsjournal des Mittwochs, dem 17. August 2016. Im ICE geschrieben.


[ICE 944, 8.25 Uhr
Berlin-Düsseldorf]

ICE (1) 170816


Seit vorgestern nacht zurück; an Tegel bereits eine Kühle, die nach Herbst roch; einerseits etwas erschreckend für grade mal Mitte August, andererseits war es eben – Berlin. „Du liebst diese Stadt“, sagte die Löwin. Dabei war mir, als der Abflug nahte von Paris, das Herz sehr schwer geworden. Kurz stieg mir ein Wasser ins Aug‘, da hatte ich noch drei letzte Packungen Fleuron de Canard aufgetrieben, was an einem 15. August nicht leicht ist in Paris. Feiertag wie Ferragosto in Italien; und so warm war es auch, nicht wirklich heiß, knapp an dreißig Grad aber doch.
Als ich nun aber gestern morgen vor die Tür trat, war die Lederjacke angesagt, sowie ein Schal. Mittags warf sich der Sommer noch mal auf, spätnachmittags eilten weitere Herbstboten über den Penzlauer Berg, diesmal als Schauer mit Böen. Es ist eine Art Dankbarkeit, wie ich dran denke, bereits am Sonntag abermals fortfliegen zu dürfen, nunmehr nach Rom.
Auch >>>> Phyllis Kiehl ist in der Stadt. Sie hängt für >>>> ihre Ausstellung die Bilder. Freilich ist, daß die Galerie über ihre Arbeiten von „obsessiv aufgeladenen Zeichnungen aus pornographischem Material“ spricht, einigermaßen absurd oder zeigt eine extreme Verklemmtheit des Texters (weshalb bin ich mir so sicher, daß es sich um einen Mann handelt? das bin ich nämlich, also beides: sowohl sicher wie ein Mann) –
Jedenfalls trafen wir uns nachmittags, sie, >>>> Thomas Erdelmeier und ich. Beide sind bei der seit gestern früh verreisten लक्ष्मी untergebracht; an sich sollte mein Sohn sie in die Wohnung einweisen, versetzte uns aber, badeherzenshalber. Also brachte i c h sie hinüber, nachdem mein Wein geleert. Begonnen mit einem hatte ich bereits mit Amélie, die zu erzählen hatte, was ich hier nicht hinschreiben will. Auf die ihr vom Pariser Markt mitgebrachte luftgetrocknete Salami allerdings stürzte sie sich mit fast einem Lustschrei. Alle Passanten blieben stehen. Wir saßen vor einem Café an der Marienburger. Danach gingen wir Anzüge holen.
Und nun | sitz ich schon im ICE zur Contessa. War nicht leicht heute morgen, aus dem Bett zu kommen, um halb fünf. Denn Broßmann und seine schöne Gefährtin kamen abends noch zur Bekämpfung der Weichkäseinvasion, der ich in Paris Tür und Pforten geöffnet und erst in Berlin, hinter mir, wieder geschlossen hatte; da hatten die Käse aber schon Position in der Küche bezogen, quasi auf sämtlichen Regalen. Und taten dies mit Düften kund. – Die und den Geschmack, der ihnen eigen, wollt ich da mit Freunden teilen. Dazu kamen ein schwerer roter Wein und ziemlich, ziemlich echt viel Calvados. Um kurz vor Mitternacht warf ich die beiden hinaus, auch wenn das Gespräch ausgesprochen spannend geworden war.
Wachte mit der Entscheidung auf, keinerlei Kater zu haben, und hielt sie auch durch. Der Latte macchiato gilt nicht als Einwand; er ist eh obligatorisch. Aber: Nehme ich einen Mantel mit oder nicht? Und einen Hut?
Ich entschied mich gegen beides, packte aber einen Zusatzschal ein, der sich bereits an Jungfernheide rentiert hat. Ein Nebel über den Geleisen, der am Wasser Richtung Spandau geradezu apokalyptisch wurde. Tiefster Herbst, nicht zu fassen.
Jetzt allerdings, auf der Strecke, hat das Wetter sich aufgeklart; dennoch, das Licht sieht nicht mehr nach Glut, sieht nach Verschleierung aus: die leise Traurigkeit eines von der Blüte schon gefallenen Jahrs.
Mit der Contessa treff ich mich gegen halb eins in der Lounge des InterContis; es sei nicht weit vom Bahnhof weg, doch soll ich mir ein Taxi nehmen. Ich werde dennoch zu Fuß gehen, einfach weil ich Spaziergänge mag und nicht viel zu tragen habe. Und ich erinnere mich an diese Stadt sehr gut und gerne – wegen meiner Augen-OP.
Am Abend dann UF. Wir haben uns lange nicht mehr gesehen; überdies hat er ein Anliegen, das ich ihm wirklich lösen muß. Dazu aber schreibe ich, wenn überhaupt, erst morgen.

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