Mit Żuławskis Possession. Das Arbeitsjournal des Sonnabends, dem 3. Dezember 2016: Οὐροβόρος.

[Arbeitswohnung
Schaerer, >>>> The Big Wig]

Eine Musik, die an Michael Mantlers Jazz des Endneunziger, live mit Jack Bruce, erinnert („When I Run“ auf Harold Pinter). Die CD wird erst im Januar auf dem Markt sein, den Märkten.
Sehr frühmorgens bereits, nach meiner Rückkehr aus diesmal Frankfurtmain, der Contessa geschrieben. Es geht auch um eine wiedernächste Reise, eine, die ziemlich teuer würde. Weil ich bei einem anderen Projekt als unserem Roman auf ein Angebot gezaudert habe, habe ich eine Verzögerung mitbewirkt, die jetzt die Kosten in die Höhe treibt. Irgendwie das Gefühl, dafür büßen zu müssen, wobei „büßen“ als Wort zu überhochgemetzt ist; sagen wir, ich möchte das Mißverständnis wieder auswetzen. Nichts anderes, aufgrund einer Formulierung, war es.
Dazu lauter Rechnungen, als ich gestern nacht heimkam. Was anstand, anstehen mußte, keine Frage, aber dann massiert sich‘s d o c h, das Zeug. Selbstverständlich immer vor Weihnachten. Na gut. Kennen, Freundin, Sie a u c h. – Beruhigend indessen war, daß die Löwin die ersten halbhundert Buchseiten des Romans gelesen hat und – begeistert war. Es gab mir die letzte Sicherheit, die ich brauchte – auch weiterbrauche, wenn ich momentan in den historischen Recherchen knietief drinbin und enorm viel lerne, das ich auch anderweitig werde verwenden können. Romane zu schreiben, bedeutet nicht nur einen künstlerischen Prozeß, sondern man bildet sich über den Anlaß weit hinaus, versteht plötzlich Zusammenhänge, die mir, sollte ich mein Friedrichprojekt eines Tages denn doch beginnen, extrem nützlich sein werden.
Fragen der Führerschaft. Vorgestern abend auf der Versammlung im >>>> Literaturforum verwendete ich diesen Begriff und spürte, wie um mich herum zusammengezuckt wurde. Nachvollziehbar. Dennoch, ich beharrte. Daß ich das konnte (und für richtig hielt), hängt ebenfalls mit dem Ghostroman zusammen. Und ergänzt sich über meine derzeitige Recherchelektüre: Wie man ein Reich aufbaut. Wie man ein Unternehmen aufbaut. Wie man ein literarisches Werk in die Welt setzt. Oder eine ganze Sinfonik.

[Mahler, Sinfonie XI
von >>>> Kazunoi Seo für zwölf Instrumente arrangiert:
ungewöhnlich]


*

Die Wohnung ist kalt. Ich mochte, liebe Freundin, gestern nacht das Aschegitter nicht mehr rütteln und auch noch nicht heute früh um vor sechs. Der armen Nachbarn halber.
Nu‘ aber is‘ eingeheizt.
Abgesehen vom nächsten Wochenende (und einem Tag davor) werde ich bis und über Weihnachten in Berlin bleiben.
In Frankfurt war ein etwas locker gewordener Pfosten wieder ins Mainreich zu schlagen: Grenzmarke. Und vom Literaturforum ließ ich mir die Fahrtkosten nicht erstatten: Der da jetzt saß, war Ein Anderer, als er noch vor einem halben Jahr gewesen. Daß eine, nun jà, „Kollegin“, die neben mir saß, von „unserem Alban“ zu sprechen sich herausnahm, quittierte ich mit Kälte. Wir standen uns nie nah, eher im Gegenteil, sie, die Unbegabte, spottete immer, weil sie meinte, Macht zu haben. Eine ihrer Machtübernahmeaktionen zeichnete sich dadurch aus, daß sie in Schubladen wühlte.
Schreckliche Person. Halb Hessen kennt ihre Stimme.
Mit wem sie alles freundsei! Von Enzensberger an jegliche, und sei sie auch schwankend, Treppe hinauf (hinunter ist schwer möglich; man würde sonst bei Heckmann landen). – „Unser Alban“. Aber sie hat ein so bittres Gesicht. „Gnade“ fällt mir ein, wann immer ich es sehe.
Übrigens ist Gnade das Gegenteil von Begnadung, sagen wir: Begnadetsein. Darum ist sie nötig.
Womit wir in katholischen Zusammenhängen wären, die meine Recherchen derzeit ebenfalls beschäftigen, aber auch zu einem langen Gespräch mit >>>> Phyllis Kiehl führten, mit der ich mir in Frankfurt Żuławskis >>>> Possession ansah, einen Spielfilm, der sich ihr in den Magen grub, indessen ich ihn quasi-macchiavellsch beobachtet hatte, Ikonographie und Semantik sofort bei der Hand – selbstverständlich Abwehr. Es war naheliegend, auf den überschätzten Tarantino zu sprechen zu kommen und ihn gegen Żuławski zu halten (und in anderem Humus Pasolini; wiederum Tarkowski liegt näher).
Blut als Häme oder Blut als Mysterium, wie besonders >>>> bei Nitsch. (Daß mir die Elfe erzählt hatte, sie wäre bei einem seiner neapolitanischen Aktionen gern auf der Bahre mitgelegen!) Katholisch. Opfer. Devotheit, von devotus, ‚hingegeben‘, dieses wiederum von deus und/oder dea. Die sexuelle „Spiel“art eine Säkularisierung, in der das Opfer weiter mitschwingt, wie das Auserwähltsein, a l s Opfer, auch. Unkatholisch ist das gar nicht denkbar, jedenfalls nicht unheidnisch.
Wissen Sie, Freundin, was Mariae unbefleckte Empfängnis bedeutet? Schon interessant, daß kaum jemand es (mehr) weiß. Anna und Jojakim. Hanna (חַנָּה ) ist ein Palindrom.
Es weiß aber auch kaum jemand mehr, weswegen „wir“ den Sonntag heiligen. An einem Freitag wurde im Paradies Adam (آدم) erschaffen. Der Yaum al-Dschumʿa (يوم الجمعة) heiligt nun dieses. An einem Freitag starb Jesus am Kreuz.
Wie die Fährten ineinandergreifen: Fußspurnähte. Man kann auch von Adern und Venen sprechen, im Sinne kommunizierender Röhren.
Wer wissen will, braucht keine Links, folgt den Fährten selbst.
Das erlösende Moment von Ritualen. Koschere Nahrung nicht zu sich zu nehmen, eben weil es keinen Grund gibt, sie nicht zu sich zu nehmen: als Ausdruck der Ergebenheit (Devotion) in Gottes Will‘ und Füg.
„Der Mensch braucht etwas, gegen das er sich austauschen kann“: Saint-Exupéry, Citadelle.

Bei Żuławski die Behauptung der Existenz des Bösen als Pervertierung Gottes: Umkehrung. Besessensein als eine Verzückung, auf die von jenseits der (Berliner) Mauer mit ihren Feldstechern die Grenzsoldaten starren. Man könnte den Film sogar einen kommunistischen nennen, wäre nicht eben diese Verzückung auch als Besessenheit ein Ruf des Paradieses. Womit sich der Bogen zu Nitsch schließt:

Serpiente alquimica




P.S.: Daß >>>> Seos Bearbeitung funktioniert, höre ich nicht. Die instrumentale Ausdehnung macht nicht transparent, sondern zäh. Sie dehnt.

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