Irgendwann zu Ostern sagte ich das in Neapel mal eher zum Scherz, obwohl der naheliegende Reim dabei nicht außen vor blieb: “Pure a vuie!”. Als Antwort auf einen Frohe-Ostern-Gruß. Also “auch Euch”. Auf dem Gang zum Tabaccaio widerfuhr nun mir, als die alte Frau, die häufig den Platz bevölkert und eher auf den Boden als einem in die Augen blickt, auf meine Wünsche fürs Neue Jahre antwortete: “Anche a voi”. “Auch Euch”. Um gleich wieder den Blick zu senken. Auf die Erde und in sich.
Wie man respektvoll wohl einst den Vater oder Fremde anredete, die potentiell etwas Besseres ‘darstellten’ im Vergleich zur Bescheidenheit, in der man lebte.
Obwohl, Fremden antwortet man nur. Sie wurden ansonsten in beobachtender mentaler Ferne gehalten, bis sie sich selbst preisgeben. Und man dies für wahr halten kann.
Hier fehlt etwas. Bin auch selbst immer so gewesen. Erst die langen Haare brachten etwas Ordnung in die Dinge. In die “da hast du nichts zu suchen”.
Immerhin riechen jetzt alle Buchstaben, die der linke Zeigefinger berührt (das ‘b’ etwa), nach Rosmarin. Weil ich hoffte, ein bißchen Rosmarin auf dem brennenden Ofen würde die Luft schwängern mit seinen ätherischen Ölen, aber die Nase verhält sich wie “anche a voi”, d.h. “ick sei di”, aber mehr auch nicht. Und mag sich nicht erspüren lassen, auch wenn ich mich darüber beuge. Auch am Zeigefinger verfliegt’s schon.
Und natürlich machte dann der Tabaccaio seinen Spruch über die kurzen Haare. Während er wie oft auf etwas anderes konzentriert war und seinen anwesenden Vater arbeiten ließ. Wahrscheinlich chattete er wieder. Außer mit den Zigaretten verließ ich den Laden mit einem Los der “Lotteria Italia”. Ziehung am Tag der Erscheinung des Herrn.
Ich muß mich aber bald auf anderes konzentrieren: Linsen und Cotechino. Auf der Packung steht alles auf Italienisch bis auf die Angabe der Kochzeit: Cooking time: 25 min.. Eine Karotte, Sellerie und eine Zwiebel sind zu zerschnippeln.
Der Sekt steht draußen, da dort in etwa Kühlschranktemperatur herrscht.
Als wie ein Ruhetag, so ist des Jahres Ende,
Wie einer Frage Ton, daß dieser sich vollende,
Alsdann erscheint des Frühlings neues Werden,
So glänzet die Natur mit ihrer Pracht auf Erden.
Und so wünscht’ ich mir, daß ein jeder um Mitternacht Hölderlin rezitierte, damit die Welt besser werde als unerträglich.