III, 237 – “wie in einem Wald ein Bach”

Meine Zukunft liege wie in einem Wald ein Bach, äußert sich der Maler in Bernhards ‘Frost’ (ihn zu zitieren berechtigt mich Wind, der einem hier zur Zeit um die Ohren pfeift), der Wald sei endlos. Es könnte auch nicht anders sein, sofern das Vergessen des Portemonnaies, weil man zur Post gehen wollte und dann zum Kfz-Steuereinnehmer, die einen mit leeren Taschen zwar freundlich grüßen aber nicht abfertigen werden, nicht als Ende begriffen wird à la “Ich hab’s probiert, ich geh’ nicht weiter”. Also zurück, und wieder denselben Weg, den vergeblichen dabei verschlingend und vernichtend mit denselben Blicken und nunmehr nur noch still wiederholten Bemerkungen, an der Stelle des davor geschehenen Umkehrens als den Lauf der Dinge, denn nichts anderes ist doch diese wie ein Bach in einem Wald “liegende” und nicht etwa fließende Zukunft, im Weiterweg einzuschlagen, wie man ein Fenster einschlägt.
Nicht unbedingt wie Zoyd’s annual jump through the window to do something “publicly crazy” (cfr. Pynchon, Vineland), es war ja auch kein Kamerateam dabei (ich las die Stelle mal so: cacciando un urlaccio, si precipitò a testa bassa, a mente vuota, contro la vetrata e passò oltre, con impeto, sfondandola. – Bedauerlich, daß ich die Originalversion verschenkt habe, aber sein Amerikanisch war mir zu mühsam, und eine ital. Übersetzung tat’s auch (allerdings fiele es mir schwer, die nie gelesene gebundene Erstausgabe von Mason & Dixon auch einfach so wegzugeben)).
Nur ein aufmerksamer Herr in seinem Auto, der an einer engen Stelle wartete, daß wir wieder “ins Weite” kamen und Wald und Bach genug Platz füreinander hatten. Nun erfüllt sich aber Zukunft als Kommendes durchaus auch im Stehen und nicht nur im Gehen. Darum ist es doch nicht so befremdlich, daß die Zukunft “liegt”, nur daß es sich von einem Bach nicht sagen läßt.
Allerdings liegen die Flüsse auf Landkarten. Bäche sind dort eher nicht eingezeichnet.
Es blieb nichts, als die vorgenommenen Wege in unternommene Wege zu verwandeln im Sinne und kraft der Füße.
Und gelangten zu einer Bar, denn wir waren zu zweit (man vergißt das manchmal, und manchmal ist es notwendig, wie hier jetzt) in einem Neubaukomplex, den unten noch geschlossene Läden (Eisenwarenhandlung, Reinigungsmittelhandlung, Ästhetiksalon und eben der Kfz-Steuer-Eintreiber, der auch noch geschlossen war) säumten, und über dem sich Wohnungen türmten, in denen wahrscheinlich Riesen-TV-Bildschirme stehen. Ich denke immer unvorteilhaft über meine Mitmenschen. Besonders über die, die ich nicht kenne.
Sie liegen wie im Bach im Wald, ohne daß sie Ophelia heißen und funktionieren wie die Gesichter, die einem aus ungewissen Konturen wie etwa Wolken oder Fliesen entsteigen und bereits fünf Minuten später als etwas ganz anderes erscheinen.
Aber das blonde Mädchen hinterm Thresen, während >>>> Giorgia (es war genau dieser Clip, und Giorgia habe ich eigentlich immer gemocht) im Fernseh’ sang, übte eine solche Anziehungskraft auf die Augen aus, daß man sich das Hinschauen fast verbieten mußte.
Der Bach, es ist zu vermuten, kommt sogar von irgendwo her. Die Zukunft ist weit fort. (Frost) und liegt fast genau zehn Jahre zurück. Als ich das letzte Mal in die Düsternis überging und aus meiner damaligen nicht mehr herauskam bzw. in sie hineinkam. Und meint den Wald, den unwillkürlich Kindmann sich vorstellte als ‘Endless River’ (Pink Floyd). Aber man siegt nicht, sondern man be- oder versiegt. Beim be- gibt es ein Objekt, beim ver- löst sich auf, was als ‘endlos’ parallel zum Ende verläuft und, sich ihm nähernd, dennoch nicht in der Lage ist, es zu berühren.
Aber hinauf kamen wir wieder. Es war ein langer Spaziergang, wie ich ihn selten mache.
Und lang’ schon brennt der Ofen, wie lange nicht mehr.

III,236 <<<<

2 thoughts on “III, 237 – “wie in einem Wald ein Bach”

  1. “Anziehungskraft”: Eine Attraktivität derart übersteigende – ecco! – Attraktion, daß Giorgia sie trotz der hinter ihr stehenden medialen Macht völlig verlor, die laufende Fernseher gemeinhin in öffentlichen Räumen haben, namentlich in italienischen Gaststätten – nicht weil die Inhalte sie hätten – bewahre! sondern weil die – ein ‘ecco!’ zum zweiten – Affektion des menschlichen Gehirns (womit ich das Gehirn der Menschen, nicht etwa etwas Moralisches meine) über die schnelle Folge technisch erzeugter Sinneseindrücke hergestellt wird, also manipulativ ist. In diesem Fall ‘lag’ der Bach nunmehr n i c h t, sondern, der Schönheit die Ehre, floß und sprang sogar. Solche Momente sind die einer nichtreplikanten Hoffnung für alle.

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