[Arbeitswohnung, 6.47 Uhr
Sehr leise, aber Barbirolli: Mahler III, „Oh Mensch! Gib acht!”]
Übrigens weiß ich nicht einmal, welches Stück auf dem Programm stand, noch wußte ich es, während ich träumte – und wußte, dies setze mich in Nachteil gegen alle anderen Freier.
Danach der Traum, der, aus dem ich nicht aufstehen mochte, umfing mich mit anderen als der Penelope Armen, was an den paar Pornos liegen mochte, die ich mir vorm Schlafengehen reingezogen habe, ohne aber erregt zu werden. Ich sah sie gewissermaßen fachlich. Zweidreimal erwischte mich ein berührender Blick der Hingabe, nein: des Hingegebenseins, von dem ich spürte, man müsse ihn unbedingt retten – vor dem gesamten political/erotical Correctness- ja, teils -Wahn, teils aber ist sie eben auch begründet. Das Problem ist die Normierung, ohne die indessen kein positives Recht sein kann. Das Problem ist die Verallgemeinerung. Für alle soll das Gleiche gelten, auch wenn sie gleich nicht sind.
„Wir müssen”, sagte ich, liebe Freundin, vorgestern dem Freund, „das Risiko eingehen, daß ‚Nein!‘ dann doch ein Nein bedeutet, wenn wir das ‚Ja‘ dahinter hauchen spüren. Wenn wir uns geirrt haben, werden wir mit allem Recht bestraft; haben wir uns nicht geirrt, aber meiden dieses Risiko, dann auch.” – „Nur jemand, der ein Herz hat, kann fürchten, keines zu haben”, steht heute früh in >>> Eckers Anderen Häfen. (Hiermit nehme ich meine Morgenserie wieder auf, die >>>> Buchmesse und >>>> Zielckes Artikel unterbrochen haben:
Zweiter Latte macchiato, Morgencigarillo
Daß man zeitweilig schwächelt, sei indessen gestattet. Nach dem unerwarteten Aufflug, den ich während der Messe genommen, hieb mich >>>> die Süddeutsche zurück in den Sumpf. Fahrigkeit, Ziellosigkeit, bzw. nicht mehr daran glauben, das Ziel noch zu erreichen. Gedämpftes, aber, Chaos. Auch Angst, klar, man is‘ ja nicht mehr zwanzig. Dazu zwei der besten Freunde, die dabei sind, ihre Liebsten zu verlieren. Sie, die Freunde, nun halten. Einer balanciert taumelnd links nah am Abhang. „Das Leben ist ein Schlaf, dessen Traum die Liebe ist”, heißt es in Claude Lelouchs bittersüßem >>>> „And now… Ladies and Gentlemen”.
Derweil hat Joschka Fischer >>>> Angst vor der katalanischen Separation, anstelle zu begreifen, daß Europa gerade aus seiner Vielstimmigkeit die kulturelle Einzigartigkeit bezieht. Freilich steht ihr der wirtschaftliche, also kapitalistische (oder auch sozialistisch/kommunistische) Wille zur Zentrierung entgegen. Statt dessen müßte man Macrons europäischen Gedanken mit den Separatisten verbinden, eben nicht, wie Fischer, Europa nicht als Verbund von Regionen denken, also kultureller Entitäten. Im Gegenteil schöbe eine Vereinigung vieler freier >>>> Räte, seien es Katalanen, Iren, Schotten, Waliser, Sizilianer – die alle eben nicht „Nation” sein wollen, sondern Land – das ja gar nicht falsche Gefühl beiseite, von einer Herrschaft (nennen wir sie euphemistisch „Administration”) verwaltet zu werden, die die Länder gar nicht wirklich kennt, nicht mit ihnen und in ihnen atmet, die auch die Stände nicht kennt und ihnen vor allem ihre Seele nimmt. Ja, die sogar den bizarren Gedanken hegt(e), Homer und Aristoteles aus Europa zu werfen.
So werden Menschen sich selbst fremd gemacht und projezieren aber dieses Gefühl auf „die Fremden”: Ohnmacht ist ein schlechter Berater; sie leitete auch 1933 ein. ”Wir sind das Volk” hat zu nicht unerheblichem Teil die AfD gewählt; dieses ist Fakt wie des Kurzens Gefolgschaft in Österreich. Den witzigsten Einfall hiergegen hatten ein paar junge Migranten in >>>> Phyllis Kiehls letztem Seminar:
Also in die Tagesarbeit. Erst einmal die letzten nachgetragenen Anmerkungen meiner Contessa in den Ghostroman einpflegen, dann das Typoskript noch einmal durchlaufen lassen und endlich an den Agenten schicken. Danach ihr neues Projekt vornehmen und „eigener”seits den Thetisroman neu durchschauen, damit bis zum Jahresende zumindest das eBook endlich vorliegt; die zweite Auflage physisch wird im kommenden Jahr erscheinen. Die >>>> Béartgedichte fortschreiben und mit der Überarbeitung der Erzählungen weitermachen. Imgrunde habe ich einen 16Stunden-Tag, der für wenig andres Raum läßt. Ich muß dringend damit aufhören, abends Serien zu gucken. So hatte ich es mir nach der Buchmesse auch vorgenommen. Aber Zielckes Artikel hat mich wieder zurück in den Eskapismus getrieben. Auch ich, wenn auch in „meinem” Betrieb nur, bin Separatist; das kann „der Nation” nicht gefallen.
Nachtrag zu den „Räten“. Die Separationsbewegungen sind starke Gegenkräfte zur von Marx so genannten Entfremdung, die wiederum zum taktischen Kalkül kapitalistischer Prduktionsbedürfnisse gehört. Wo die Menschen ihrem Land und ihrer Kultur fremd werden, lassen sie sich ganz nach ökonomischer Notwendigkeit oder ökonomischen Willen aufs leichteste verpflanzen. Auch nur so kann die Kulturindustrie des Mainstreams florieren; selbst die je eigenen Sprachen werden niedergeschliffen. Der Mensch wird replizierbar Replikant und wird unverortbar.
Bei den Dummen findet die berechtigte Ahnung hiervon ihr Ventil in rechtspopulistischen Parteien; „dumm“sind sie, weil sie von regenprasselndem Gewitter in die erbarmungslose Sonne von Wüsten geraten, darinnen sie verdursten wie dort ertrinken werden – und schließlich wir, die noch Freien, mit ihnen.