Klunsen. Im Arbeitsjournal des Dienstags, den 24. Oktober 2017. Mit Christopher Ecker, Marcus Braun, Emile Parisien, Vincent Peirani, Andreas Schaerer und Michael Wollny.


[Arbeitswohnung, 11.14 Uhr
Ruzicka, Feedback für vier Orchestergruppen]

Christopher Ecker, >>>> heute, belebt einen alten Begriff, den er offenbar von Goethe hat und der sich sogar >>>> in der Wikipedia findet. Hier steht er jetzt wie bei einem Franz Kafka, der zuviel William Gibson gelesen hat – oder genügend, um angemessenen Anschluß nach der Postmoderne zu finden. Es geht um „Koronaentladungen von innen aus dem Gehörgang nach schräg oben” (S.83); Klunsen wiederum sind – ich möchte, Freundin, nicht abermals meine Leser:innen überfordern, also gar nicht mehr verlangen, daß sie sich selbst kundig machen – aufgeworfene Steinplatten, oft aus Phonolith. Hier wird die „Sache” poetisch per se: „Aus diesem Blute sind die vielen Blutnelken entsproßt, die zwischen den Klippen und Klunsen des Falkensteins wachsen und blühen”, vermeldet das Thüringer Sagenbuch. „Mit Engel defloge! Mit Engel despielt — Engel Blumme gebe”, vermeldet am Ende ein kleines Kind. Was Eckers geplagtem Professor aber so wenig hilft, wie daß er seiner Lieblingsdoktorandin erklärt, des Göthens didaktischer Impuls sei eigentlich selbst eine Klamm.
Machen Sie sich selbst ein Bild.

Bei mir liegt außerdem >>>> Marcus Brauns neuer Roman in sprungbereiter Wartestellung:

Braun Letzter Buddha


Er war auch schon fast aus den Waden hoch, als der Freund anrief und mich – ich weiß nicht mehr, wie lange in den späten Abend – am Telefon festhielt. Wir drehen im Moment die immerselben Kreise; linde versuch ich, sie zu einer Spirale zu verschmelzen, die nach oben und also hinaus weist.
Indes ein anderes Telefonat, vorhin, ließ mich endlich wieder lächeln: „Ist doch geradezu Stadtgespräch!” rief Ricarda aus, nachdem ich von meiner Mißstimmung wegen >>>> des SZ-Artikels gesprochen hatte. Das ließ sich nicht vermeiden, denn sie hatte gefragt, wie es mir gehe. „Selbst in der Uni wurde er zum Thema, fast eine Dreiviertelstunde haben wir nur darüber gesprochen – im Seminar! Und den SZ-Text auseinandergenommen. Meine Güte, auch noch schlecht geschrieben.. – und auf der Party neulich auch; die Leute wissen ja, daß ich dich kenne.”
Da ist dann ärgerlich nur noch, daß die twoday-Weblogs, also auch Die Dschungel, nicht mehr von Google erfaßt werden (wohl aber von allen anderen Suchmaschinen). So geht mir ein Effekt verloren, den ich modernistisch Nachhaltigkeit nennen möchte. Es war schon ein kleiner Triumph, als ich damals Martin Halter >>>> entgegnete, und, rief man seinen Namen bei Google auf, meine Replik noch jahrelang unter den ersten zehn Nennungen stand. Sowas hätte ich >>>> Meere wie Zielcke jetzt ebenfalls gegönnt. Auch wenn zehn Jahre die Ewigkeit noch nicht recht sind, mit der sich Dichter:innen rächen.

[Sciarrino, Histoires d’Autre Histoires]

Erst um halb acht auf heute: Bis drei Uhr nachts eskapiert, dann konnte ich nicht mehr. Aber sofort mit Schwung eine kleine poetische Auftragsarbeit erledigt, die schon dreimal angemahnt wurde. Hübsches Projekt eigentlich, eine Kettenerzählung, jede/r Autor:in eine Seite, die je die vorige fortschreibt. Das fertige Dingerl soll als Zeitschrift erscheinen. Honorare gibt’s für sowas nicht, klar. Der Herausgeber nahm wohl an, daß ich deshalb so zögerlich gewesen.

Was meine Filmflucht förderte gestern nacht, war nicht nur das lange Telefonat, in dem ich eben auch mich selber fand und objektivieren mußte, sondern der plötzliche Gedanke: Du wirst niemals mehr einen Roman schreiben. Das >>>> Traumschiff sei mein letzter gewesen. „Lassen Sie das mit den Listen endlich s e i n!” rief ärgerlich die Löwin aus. „Dieses permanente Bilanzieren ist nur lähmend!” Das solle ich genauso dem Freund sagen. Wer aber sticht schon gern in Wunden?
„Oh, es gibt Menschen, die tun es sofort, schon im Kindergarten schon in der Schule. Sie wissen es genau. Aber es bringt überhaupt nichts, nach einem Grund zu fragen. Die Gründe sind immer banal. Tiere zerhacken das Schwache, es ist ein Reflex – bei ihnen wie den Menschen. Und das Fremde, weil es sie als Fremdes bedroht, grenzen sie aus. Sie haben den Reflex jetzt sogar in ihrem Bundestag.” Sie aber auch, in Ihrem Österreich! hätt ich da fast ausgerufen, aber verbiß es mir, weil jegliche Form von Triumph in dieser Sache schlimm ist.
Mich hat das Fremde immer angezogen, ja gelockt. Ich versteh die Abwehr wirklich nicht. Nichts, weder bei Menschen noch Künsten, zeugt Gesünderes, als daß wir uns vermischen. Stellen Sie sich, Freundin, alleine einmal vor, wir hätten in unserer Wirtschaft das islamische Zinsverbot. Wieviel Unrecht der Verteilung wäre aufgehoben! So gesehen ist die EZB auf einem guten Weg. Und jeder Zehnte würde einbehalten für die Armen.

Die nächste der alten Erzählungen weiter überarbeiten. Ob sie hält, allerdings, weiß ich noch gar nicht. Und die letzte, neu zu fassende Szene des Ghostromans schreiben, damit das ganze Ding endlich an die Agentur kann.
So, im groben, mein heutiger Tag.

Ach ja, was mich enorm gefreut hat: Peter H. Gogolins, dessen Roman Calvinos Hotel ich verehre, >>>> neue Site. Und eine neue CD-Sendung von >>>> ACT ermahnt mich, endlich meine Peirani-Kritik zu verfassen, schon weil mich diese Viere wirklich sehr begeistern – und ich auch weiß, wovon ich schreibe.

Out of Land

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