Des Balthus‛ junge Mädchenblüte. Das Arbeitsjournal des Donnerstags, den 14. Dezember 2017. Mit Andrea Köhler, Egon Schiele, Herbert Wehner, Christopher Ecker und weiteren Personen moralischer und unmoralischer Kultur.


[Arbeitsjournal, 9.27 Uhr
Kinderrufe vom nahen Hof des Gymnasiums: Erste große Pause
Dazu Spatzenschwatzen, Hinterhof II]

Es läßt sich nicht anders sagen: Der neue Angriff, diesmal auf >>>> Balthus‛ Träumende Thérèse, ist ein Angriff auf die Kunst insgesamt:


Und zwar ein Angriff auf die, wie es die ausgesprochen kluge >>>> Andrea Köhler sehr richtig sieht, der Kunst notwendige Ambivalenz, einer, die, sage zusätzlich ich, auch moralische Dogmen infrage stellt und stellen, ja ihnen zuwiderlaufen können muß. Unterwirft sie sich dem moralischen Gebot, landet sie in der Notwendigkeit, der sich die mittelalterliche Malerei ausgesetzt sah: die Wirklichkeit nämlich in den Hintergrund zu verlegen oder ganz zu verschweigen.
Der voyeuristische Blick ist ein Teil der Wirklichkeit, sowohl bei Männern als auch Frauen, indes bei jenen unverstellter, gleichsam naiver; gerne, Freundin, dürfen Sie auch dümmer dazu sagen. Und so, wie auch Kinder bereits Sexualität haben, gibt es umgekehrt eine empfundene von manchen Erwachsenen gegenüber Kindern. An der Empfindung selbst ist nichts schlecht. Sie ist, Punkt. Es gab sogar Kulturen – solche, auf denen das Abendland kulturell fußt –, denen Sexualität zwischen Älteren und Jugendlichen der Initiationsmodus war. Fragwürdig wurde dies erst durch das Christentum, das insgesamt körper- und damit frauenfeindlich ist, zumindest war, sich Sexualität aber dennoch unter dem Vorhang der Macht erfüllte – nun noch aufgekitzelt durch das „Böse”, für das man obendrein abtestiert werden konnte: Die Sünde ist der Königsweg der Gläubigen.
Kunst stellt Wirklichkeit dar, stellt sie vor Augen. Selbstverständlich wird der Betrachter von >>>> Balthus‛ Bild zum Vouyer; darum genau geht es doch. Er wird es ebenso, wie er‛s in Caspar David Friedrichs >>>> Wanderer über dem Nebel wird; dort wird er‛s sogar selbstreferentiell.
Überdies wird Moral in den gegenwärtigen Debatten zum Mainstream; Moral wird zur Mode. Übersehen wird dabei, und zwar entweder absichtsvoll oder schreiend naiv, daß die Darstellung einer Vergewaltigung (als Teil unserer erlebten Wirklichkeit) durchaus nicht Vergewaltigung-selbst ist. Der Roman eines Faschisten ist nicht notwendigerweise faschistisch (ich denke z.B. an Miodrag Bulatovics >>>> Die Daumenlosen), indessen es der Roman eines Antifaschisten durchaus sein kann.
Allgegenwärtige Moral wird zur Unmoral, indem sie sich diktatorisch aufwirft; es gibt eine Diktatur der Quote: eine der schärfsten Gefahren, die, Hand in Hand mit der Genderisierung, der demokratische Kapitalismus bereithält und nunmehr ausspielt. Es ist der praktischste, weil zuhandenste Vorhang, der sich vor die eigentlichen, nämlich seine, Probleme ziehen läßt, sei es die Prekarisierung, seien es die kulturellen Verwerfungen durch Globalisierung, seien es die Flüchtlingsströme, unter denen sich als „Wirtschaftsflüchtlinge” denunzierte Menschen befinden, die imgrunde Klimageflohene sind. Zudem sind die derzeitigen Debatten extrem funktionable Werkzeuge der Massenführung: Freiheitsräume werden nur noch dort gelassen, wo sie sich ökonomisch empfehlen. Panem et Circensis der Moralitäten.

Ein anderes Beispiel, es hängt mit Genderisierung und erotical correctness engst zusammen:
Eine der Hauptstützen der westlichen Wirtschaftsmatrix ist der Zins; der Koran hingegen verbietet ihn. Auch aus dieser Perspektive läßt sich die besonders aus der rechten und “liberalistischen” Ecke betriebene Islamkritik betrachten; dabei geht es nämlich gar nicht um die dogmatische Auslegung einer monotheistischen Spielart, sondern tatsächlich um sie selbst auch in ihren toleranten Formen.

Doch zu Balthus zurück. Es wird nicht mehr lange dauern, bis auch >>>> Egon Schieles Frauenbilder als Verstoß gegen die Allgemeine Wohlfühlordnung und schwerster Sittenverstoß anzusehen sein werden; als Wally Neuzil mit dem Maler eine leidenschaftliche Beziehung einging, war sie sechzehn, er einundzwanzig. Auch Schieles Bilder, nicht nur die von ihr, werden deshalb abgehängt und aus sämtlichen Galerien und Museen verbannt werden müssen. Die Liste läßt sich in der Kunstgeschichte von unserer Gegenwart bis in die Vergangenheit unendlich fortsetzen. Ich sehe schon die Scheiterhaufen. Sie brennen nicht mehr, das würde ja an 1936 erinnern, was politisch nicht korrekt wär. Sondern das Zeug kommt ins Loch. Zement drüber, fertig.
So radiert sich Geschichte aus.
Nichts wäre der Ökonomie lieber, die den Individuen nicht Wurzeln mehr, nicht Widerständigkeiten gestattet, sondern sie zu Replikanten programmiert. An dieser Programmierung haben die derzeitigen Debatten tätigsten Anteil und treiben sie voran, sei es, daß sie aus Mark Twain, nun wahrlich dem Gegenteil eines Rassisten, die „Nigger” rauszensieren, sei es, daß Astrid Lindgren umgeschrieben, sei es, daß Lukas der Lokomotivführer um seine Tabakspfeife coupiert wird. Es wird bald auch keine Fotografien von Herbert Wehner oder Ernst Bloch mehr geben, auf denen sie rauchen – was heißt, daß es von ihnen bald gar keine Bilder mehr geben wird, jedenfalls keine, die gezeigt werden dürfen. Den großen >>>> STERN-Titel

YO TAMBIÉN SOY >>>> UN ADMIRADOR

werden wir erst recht nicht mehr nicht erleben.

Übrigens saß Schiele tatsächlich wegen „Verbreitung unsittlicher Zeichnungen” für etwas mehr als drei Wochen im Gefängnis. Es war das Todesjahr Gustav Mahlers. Wir fallen ins Biedermeier zurück, also in die – ecco! – „Gründer”jahre. Die einzige, die den eingesperrten Schiele besuchte, war seine Geliebte – ebenjene Minderjährige, die sein bekanntestes Modell werden sollte. Darüber indes, über die Haft, hier keine Klage: Es ist das Risiko, daß jeder Künstler trägt – nicht aber auch sein Werk zu tragen hat, um dessentwillen er es auf sich nimmt. Persönlich hat er zu „zahlen” und wird es immer auch tun (oder sich, moralisch völlig legitim, durch Flucht entziehen); im Gegenzug und aus Achtung hat die Kunst selber frei von Sanktionen zu sein. Wir hätten andernfalls gar nicht das Recht, Kunst- und Architekturzerstörer wie die Krieger des داعش (IS) als Verbrecher zu bezeichnen.

Nach, Freundin, diesen meinen Erregungen verhilft mir Christopher Ecker heute zu einer geradezu Läuterung – nämlich den Künstler und das, was ich eben seinen Risikowillen nannte, in einer geradezu >>>> borgesschen Allegorie: >>>> das Bauopfer nämlich selber zu sein.
Bauopfer heißt auch der Text. – „Zeit: frühes Mittelalter. Held: ein junger Brückenbaumeister. Weitgereist, vielgerühmt und vielleicht ein wenig zu ehrgeizig. Jemand, der alles richtig machen will und bei der Versammlung auf dem Marktplatz” öffentlich erwägt, welches oder wessen Opfer erfordert sei, um den Halt der großen Brücke auf lange Zeit zu garantieren. Er verwirft die schwarze Katze selbstverständlich – unisono mit Ecker selbst – sofort; überhaupt scheinen ihm Tieroper zu klein zu sein; es sollte schon ein Mann sein.
Frauen sind, wie wir wissen, im Christentum nicht gleichberechtigt (Paulus, >>>> 1 Korinther 11), ergo auch nicht als Opfer wertvoll genug; daher kommt der junge Mann erst gar nicht auf sie. Doch was für einen Mann? Einen Tischler (Ecker nennt ihn nicht, obwohl er sich Jesu wegen anböte), einen Böttcher, einen Fischer? Nein, bewahre! Es müsse vielmehr jemand sein, „der – ja, das ist es! – mit der Brücke selbst zu tun hat, damit seine eingemauerte Seele für alle Zeiten dieses die Luft frech verhöhnende Bauwerk schützen kann.”
Die dreiseitige Erzählung endet mit einer, wie es im Film heißt, Totalen: Wir steigen über ihr gleichsam in einem Ballon, der höher und immer, immer höher schwebt, um irgendwann im Himmel anzulanden.

Lassen Sie mich, Freundin, diesmal mit einer Strophe des Gedichtes „Lust” von Klaus Kinski enden :

Ich hab den Mädchen in die Brust gebissen,
wie bunte Tiere frische Feigen fressen,
bis ich von ihrem Sonnenbrand zerrissen
>>>> in ihre Kater stürzte wie ein Gott besessen –

ANH

19 thoughts on “Des Balthus‛ junge Mädchenblüte. Das Arbeitsjournal des Donnerstags, den 14. Dezember 2017. Mit Andrea Köhler, Egon Schiele, Herbert Wehner, Christopher Ecker und weiteren Personen moralischer und unmoralischer Kultur.

  1. In Kinskis Gedicht, nämlich im vierten Vers, hätte ich gerne einen Link auf die Aeolia gelegt; nur steht die Vorschau des >>>> Arco Verlages leider noch nicht online. Deshalb noch einmal einer nach >>>> dort. Dort sehn Sie zumindest den Umschlag.

    (Übrigens ist auch Prousts Romantitel, auf den sich die Überschrift des heutigen Journals bezieht, deutlich von sehr jungen Menschen, Mädchen nämlich, erotisiert: À l’ombre des jeunes filles en fleurs.)

  2. Na ja, all das ist nicht neu, Michelangelos Jesus hat man in Rom mal einen goldenen Latz umgeschweißt, das war Anfang der Neunziger, Hegel beschreibt ja den Kostümstreit, wo die Marmorallegorien auf einmal nicht mehr als Allegorien verstanden wurden, sondern als muskulöse Nackte gesehen wurden, und natürlich, geht man durch die Museen der Welt, man müsste schon blind sein, zu glauben, Anlass für all die Bilder der Nackten, von Adam und Eva, seien nur die biblischen Geschichten oder griechischen Götter, oder sonst allein Metaphorisches. Amor als Sieger von Caravaggio hat ganz klar eine homoerotische Komponente. Zur Zeit stört vielleicht eher, dass es jahrhundertelang eher das Privileg eines Geschlechts war, darüber zu schreiben und zu malen. Ich bin auch eine admiradora, ich kenne viele männliche Musen, sie sind jung, sie sind schön und ich lasse es mir nicht nehmen, auch das zu feiern. Aber, das habe ich an avenidas auch gelernt, vielleicht hinzuhören, wenn sich jemand beklagt, nichts muss für ewig Gültigkeit beanspruchen, so manches Reiterdenkmal scheint mir auch nur noch aus Materialwert zu bestehen, es stört mich nicht groß, aber ein bisschen kichern muss ich doch, wenn am großen Stern, den Löwen die Hoden angepinselt werden an den Generalsdenkmälern. Wegen mir hätte man gern ein bisschen mehr Lenin und Marx stehen lassen können. Und was das Rauchen angeht, ich sah neulich die Ausstellung Landwirtschaft der Gifte und wie Tabakbauern in Argentinien leiden, es hat immer alles so viele Aspekte. Verbote sind das Letzte, aber in Frage stellen darf man Vieles, auch Balthus. Letztlich leben die Künste auch davon, dass sie in Abgründe blicken, ja, wie sie das machen, darüber darf ganz klar auch kontrovers diskutiert werden. Sie darum gleich schon aus dem Weg zu schaffen, keine gute Idee. Mal was ne zeitlang ins Archiv zu geben und anderes zu zeigen, eine Möglichkeit, wird ja eh immer wieder gemacht, die Archive sind ja voll. Bei Kunst-Ikonen allerdings wird das wohl eher schwierig. Delacroixs Freiheit, die das Volk auf die Barrikaden führt, ist ja auch eine Frau mit enblößter Brust, bei Castorf wäre sie das dann eben auch und keine Allegorie mehr. Nun sind entblößte Brüste wirklich etwas, von dem ich sagen würde, jo mei, was juckt mich das, ich lieg selber so mal am Strand, was in Brasilien no go wäre, aber meine muslimischen Mitbürger*innen würde ich dazu auch gern mal hören z B. Warum sie nicht auch mal ernst nehmen. Muss darum ja nicht heißen, dass ich mich danach richte, wenn ich ein Stück inszeniere, aber vielleicht möchte ich ja auch mal für ein Publikum inszenieren, dessen Schamgrenze es verhindert, meine Stücke zu besuchen, weil ich im Ruf stehe, ständig Nackte auf die Bühne zu bringen, könnte ja auch ne Herausforderung sein. So in die Richtung denken lernen, den Leuten zuhören, klar machen, was die eigenen Ideale sind, aber auch zuhören, welche Ideale die der anderen sind. Könnte einen was lehren, denke ich schon auch. Und gerade bei Balthus ist das ja ein alter Hut, Bellmers Zürnpuppen stehen ja auch immer mal wieder unter Beschuss, dabei befällt einen ja das große Gähnen mittlerweile. Ich finde eher insgesamt wird die Geringschätzung der Künste größer, gar nicht mal bei erwartbaren Beschüssen, die es immer mal wieder gibt und gegeben hat.

    1. Privileg@diadorim eines Geschlechts. JadumeineGüte, es gab Zeiten, da wären wir, auch wir Männer, Leibeigene gewesen. Sind wir jetzt nicht mehr, auch die Frauen nicht, jedenfalls hierzulande. Also statt zu jammern und die eigene Opferrolle hochzustilisieren: selbst malen, selbst schreiben, selbst Kunst werden lassen, mit allem allem Risiko, nicht aber sie verbieten. Meinetwegen sogar selbst mal grapschen; habe ich in Japan erlebt – es war zutiefst eine Befreiung.
      Das geht jetzt zuerst mal an die Adresse der Verbotsfuchtlerinnen (zu denen Du nicht gehörst, klar). Ich meinerseits f r e u e mich über jeden voyeuristischen Blick auf Männer, seitens Frauen – Homosexuelle haben ihren Blick auf sie längst durchgesetzt. Nun sind die Frauen dran. Stellt doch Balthus’ phantastischem Blick auf Thérèse eigene Blicke auf, wer fällt mir ein?, ja, den kleinen Jochen zur Seite, den kleinen Michael! Sie werden die beiden ganz gewiß nicht schädigen. Vielleicht aber, wenn sie einmal Männer sein werden, machen sie sie ein wenig – stolz.
      Ich schätze auch den endlich sexualisierten Blick der Werbung auf Männerkörper, und es macht mir nix aus, der in ihnen idealisierten Typologie in keiner Weise zu entsprechen. Hätten wir zu den patriarchal geprägten Brüstekults (auch Mösen sind ja, interessanterweise, nach wie vor kein akzeptiertes öffentliches Motiv) auch weiblich geprägte Kulte der Schwänze und Hoden, es wäre einiges gewonnen, anstatt daß wir uns in die Verklemmung und doppelte Moral zurückhashtaggen lassen. Denn eines ist klar: So lange Menschen nicht sämtlichst sind Replikanten geworden, so lange werden Dionysos, Aphrodite, die Mänaden und Pan ihre Geschicke lenken. In jedem PHall besser als Siemens und BASF.

    2. Moral ist ein Wertecodex, jeder hat einen oder 20, Du auch, sich sklavisch an ihn halten, tun die wenigsten. Ich weiß nicht, wie du aufgewachsen bist, uns trennen ja auch noch ein paar Jahre, sicherlich auch in der Erziehung, ich hatte kein Problem damit, die Herren anzusprechen, die mir gefielen, weil, so blöd sind Frauen ja nun wirklich nicht, dass sie drauf warten, bis der ihnen Genehme dann mal aus sich aus anklopft, die Geduld hatte ich nie, die suchen schon auch und haben immer gesucht. Fand nicht die Löwin ganz von selbst zu Dir sogar und auch die Mutter Eures Sohnes? Also, da kannste dich doch nicht beklagen.

    3. Und ich bin wirklich gespannt auf die Vorschläge für die Wand der ASH. Und das gar nicht mal hämisch, wenngleich mich das Gomringergedicht in keinster Weise stört, oder eher in einer Art stört, wie nun Magnus Hirschfelds hier an der Spree gehuldigt wird, mit bunten überdimensionierten zweigeschlechtlichen Callasblumen, also harmloser gings kaum noch. Das war, könnte ich mir denken, auch ein Grund für das Gomringergedicht, wer kann schon was gegen Blumen und Frauen und Alleen haben, das wird ja längst alles mitgedacht bei Kunst im öffentlichen Raum, so eine Wippe, da kann ja auch niemand was gegen haben, und Blömkes, also, wenn man gar nicht mehr weiß, ob man wem auf die Füße tritt, dann wat mit Blumen am besten und dann kommen da so ein paar Studierende und rufen: Metaphernclash, Frauen und Heideröslein, no way, no go! Ich möchte 2018 scherzeshalber mein Jahr ohne Metaphern einleiten. Wenn ich mich in einem Chat Riesen… und dann irgendwas mit Obst nennen, werde ich immer gesperrt, immer, es ist wirklich funny, es gibt vermutlich so etwas wie Bedeutungsparanoia. Wir stehen im Metaphernwald!

    4. auflachend@diadorim: Ich beklage mich nicht; das tun derzeit “die” Frauen – und sie tun’s, indem sie verbieten lassen wollen.

      (Also ich wär echt der letzte, sich beklagen zu dürfen, aber schon der Wille ist mir dafür fremd. Klagen, und zwar zurecht, muß man, nämlich anklagen, daß nach wie vor Männer, die ich teils nur in Häkchen so bezeichnen würde, nach wie vor signifikant die meisten Machtstellen besetzen. Dafür allerdings den voyeristischen Blick oder überhaupt sexuelle/erotische Geschlechterverhältnisse verantwortlich zu machen, ist komplett bizarr und spielt dem System (besser: der Matrix) direkt in die Hände. Der Satz >>>> “Genie entschuldigt nichts” zeigt perfekt, gegen was die verdrehten – ecco – Stöße eigentlich geführt werden. Ich aber sage Euch: auf den Mount Everest darf nur der (die), der (die) auch das Risiko auf sich nimmt, beim Aufstieg umzukommen. Alle anderen haben – fernzubleiben. Sonst werden es, wie ich in >>>> Thetis schrieb, allein noch leere Cocacoladosen sein, was wir dort oben dann finden: der gesamte Müll & Mief des Wohlstandsbürgerklein- und großtums-Großtuns, ob nun männklein oder weibklein.)

    5. Beklagen kann man das wohl auch und vor allem in unserem Betrieb. “Frauen verdienen noch mal deutlich weniger, der relative Abstand zu den männlichen Kollegen ist hier noch größer als in anderen Wirtschaftszweigen.” Und wenn man dort die Kommentare liest, dann weiß man ja auch Bescheid… ganz zu Schweigen davon, dass sich ganze Wirtschaftszweige auf uns gründen und nicht allein von unbezahlbaren Starkünstler*innen leben könnten, anyway, so weit, so beschissen. Ich hab mir die Herdprämie wahrlich nicht ausgesucht, aber ich nehm lieber die, als die auch noch gestrichen zu kriegen, wenn meine Leistungen nach wie vor nur gelobt, aber nicht ausreichend finanziert werden. Die Schulter kann ich mir auch selber klopfen. https://www.welt.de/wirtschaft/article171309538/Preisgekroent-und-trotzdem-nur-ein-Hungerlohn.html

    6. Ích stehe@diadorim in diesen Belangen an der Seite jeder, wirklich jeder Frau. Aber als ein Mann, nicht als ein Neutrum, so wie auch frau für mich niemals “neutral” sein wird.
      Die Situation erinnert stark an eine Bemerkung Adornos, der den einen Arbeiter feindlich dem anderen gegenüberstehen sah. Verdient wird woanders.

    7. Ja, natürlich wird woanders verdient, aber auch nicht immer, da wo ich verdiene, gibt es Preisabos für wenige, dass das alles völlig absurd ist, und dass da Frauen noch mal deutlich schlechter abschneiden, ist leider oft traurige Wahrheit. Darum muss ich keinen Driss auf geschätzte Kollegen hegen, bei den weniger geschätzten kommt das natürlicherweise schon mal vor, bzw den Driss hege ich auf die Verteiler. Klar frag ich mich dann, warum er und nicht ich oder sie. Und auch denke ich dann, an Frauen hat man noch so einiges gutzumachen, was das angeht. Keiner hat ja gesagt, dass man sie darum nicht begehren darf, aber sich dafür begehren zu müssen, ist dann schon wieder ein mächtiges Problem, dann würde ich alle Preise Tristan Marquardt geben z B, dessen Gedichte mir auch wirklich gut gefallen, aber mir gefallen Martina Hefters Texte nicht minder und ich könnte doch, wenn ich Preise zu vergeben hätte und beide im Rennen sind, nicht guten Gewissens sagen, ich bin hetero und der Kollege xyz spricht mich noch mal ganz anders an, als es seine Texte sowieso auch tun, also kriegt der darum von mir den Preis, das darf tatsächlich keine Rolle spielen in diesen Belangen. Bzw, es hilft mir auch nicht, wenn man mir sagt, das sind Peanuts, schuld sind ganz andere, aber die schert mein Schicksal ja noch weniger. Irgendwo schrieb ich mal: die Hand, die einen füttert, beißen, wird nicht empfohlen, aber an eine andere kommt man meist so schlecht ran…

  3. Noch so Beiseit-Gedanken after supper: Ich sehe mich mittlerweile außerhalb der Begehrungswelt. Da läuft nichts mehr. Ist mir auch völlig egal. Gelegentliche Phantasien. Begehrungsbilder. Nein, nicht die im Internet. Das Hineinhorchen in einen selbst. Wer oder was arbeitet jetzt, wenn etwas zu arbeiten beginnt. Pure Ästhetik oder meinethalben die Riesenbrüste einer schon (schönen? (nicht unbedingt)) älteren Frau. Das Balthus-Bild ist ein stilles Bild. Sogar viel stiller als die Carroll-Fotografien, auf denen offene Mädchenaugen einen fragend anschauen. Im Hemdchen allemal. Insofern sind japanische Comic-Zeichnungen noch verfänglicher, die arbeiten bewußt mit großen Augen, die einen anschauen. Daß die Augen im Balthus-Bild geschlossen sind, bewahrt es vor jeder Moral. Innenschau. Dasselbe gilt sogar für die Schiele-Bilder. Wie sieht eine/r sich. Kann es sein, daß in diesem ganzen Moral-Sumpf die Moral steckt, es gebe wirklich kein Begehren mehr, sondern nur noch die Vorschrift eines Begehrens, die zu befolgen ist, aber bitte nicht öffentlich. Die Assoziation mit den jetzigen Zigarettenschachteln ist mitnichten abwegig. Wie in etwa in dem italienischen Spruch von der betrunkenen Frau und dem vollen Faß: man möchte beides, was indes nicht geht. Es stört also das Unglatte, das Verstörende, das nicht wirklich Eindeutige? So aber sollte es sein. Wir nähern uns scheinbar einer neuen “abartigen” Kunst. Das kann gefährlich werden.

    1. Ich glaube, das gibt es nicht, außerhalb jeglicher Begehren zu stehen, es wird sich verändern, aber das macht es ja nicht minder wichtig. Nach irgendwas und wem begehrt man vermutlich sein ganzes Leben, es kommt mir daher manchmal sehr einseitig vor, wenn man es nur auf dieses heteronormative Spiel zurückbiegt, es gibt so viele Zwischentöne, von denen ich merke, man wird mehr und mehr empfänglich für diese, die Badewannenszene mit dem Wasser auf der Haut in Albans Traumschiff kündet doch davon. Ich sehe nicht ganz so schwarz für das Verstörende in den Künsten, es ist so viel da, öffentlich, Paul McCarthy etwa, und die Lobby des Kunstmarktes ist auch stark und der Markt ist nicht gerade der Moral angepasst, wo viel Geld ist, werden auch Grenzen überschritten, Grenzüberschreitungen kann man sich ja auch kaufen, das spielt ja mit hinein.

    2. Zwischentöne pfeif’ und pfiff ich gerne alle mit. Und so geht dann auch ein Jesus von Da Vinci für viel Geld an einen saudischen Prinzen. Es gibt in der Tat unendliche Möglichkeiten, Grenzen zu überschreiten, ich würde aber dennoch das Geld und den Markt aus dem Spiel lassen. Die alte Geschichte von ‘haben’ und ‘sein’. Und es verstrickt sich immer wieder. Vorrangiges Begehren: Bitte Entheddern!

    3. @diadorim&lampe: In der Tat, daß privat gekauft werde ebenso, wie daß die “voyeristischen” Sujets weiter gemalt werden, steht nicht infrage; selbstverständlich werden sie es. Aber wir kehren, geht es so weiter mit der Moralisiererei, zu den Kabinetten zurück, geheimen, nur sehr Begüterten zugänglichen und von ihnen auch finanzierten Dunkelkammern, zu Büchern unterm Ladentisch usw., wie sie die moralrestriktiven (Macht)zeiten gekennzeichnet haben. Indem sich die theoretischen Machthaber der Demokratie, also das Volk, zu moralischen Instanzen erheben, zerstören sie die Demokratie zugunsten einer Meinungs- und Empfindlichkeits, eben einer “Correctness”-Diktatur.
      Zum genannten Jesusfall, lieber Lampe, ist allerdings zu sagen, daß der Nazarener – dort Īsā ibn Maryam -, dem Islam als ein Prophet gilt, und zwar neben Noah, Abraham, Moses und Mohammed; insofern nimmt der Erwerb durch den saudischen Prinzen nicht wunder. Wie ich soeben las, geht auch der Islam von einer jungfräulichen Geburt aus – in Sachen Körper-, nämlich Frauenfeindlichkeit nehmen sich die drei Monotheismen gegenseitig nichts weg.

    4. Wie gestaltet sich das Leben für ältere und alte Frauen, frage ich mich, daran wird auch noch viel zu lernen sein, in Sachen Begehren und Altersarmut. Die Sexismusdebatte, so lese ich sie, entzündet sich dort, wo zuerst überdeutlich und dann später nicht mehr hingeschaut wird. Die unglaubliche Missachtung von Frauen und von weiblichen Körpern im Alter ist vielleicht, nein, ganz sicher, seine Kehrseite und, das ist der schlechte Witz dabei, selbst darüber zu reden, gelingt nur über Bande, wenn sich junge, oder jung operierte Frauen, über Weinstein auskotzen. Es geht ja bei alle dem nicht weniger als um die Würde des Menschen, die bei Frauen oft nur halb so viel wiegt und wog. Und ich spüre es, wenn man mir sie entreißt, doch sehr deutlich und das empfinde ich als ungerecht und entwürdigend. Wie auch jeder andere das spürt, der exkludiert ist von den Privilegien einer Gesellschaft. Und was lernen Frauen, im Alter sind sie nichts wert und begehrt werden sie eh nicht mehr, wenn ihr reproduktionsfähige Zeit vorbei ist, geschätzt können sie auch mal gleich vergessen. Na ja, schauma mal, wie hieß es bei Joachim Schädlich: Mal sehen, was noch kommt, jetzt, wo alles vorbei ist, zwei sehr düstere Erzählungen, ich bin auf den neuen Band von Martina Hefter sehr gespannt, er liest sich wie eine Antwort darauf: Es könnte auch schön werden. Und die Correctness wird sich nicht durchsetzen, weil allein die Werbung ein viel zu großer Wirtschaftsfaktor ist und die setzt samt und sonders auf make it sexy, mal ganz abgesehen vom Internet und seinen Möglichkeiten. Vielleicht ist die Correctness genau darauf eine Antwort, weil Sex nicht wie in Pornos ist und Körper anders aussehen, als die Werbung suggeriert, und dann wäre sie weniger correct, als schlicht ein kein Bock mehr drauf haben und sagen, find ich unrealistisch und scheiße und nicht mal sexy, ich begreife diese Correctness gerade eher als eine Art Trend, neben anderen, wie normcore, und nicht wirklich als Bedrohung, ich empfinde sie nicht mal als korrekt, nur als eine Art Abwehrzauber, der auch mal legitim sein darf, neben all dem anderen, was ständig auf einen einwirkt.

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