Poetologie & Erkenntnis: Das Gleichnis von den Punkten. Im Arbeitsjournal des Sonnabends, den 3. März 2018: START III, Frankfurtmain.

Landessportbund, START III, Frankfurtmain
Blick aus dem Fenster, frühmorgens

[Haus des Landessportbunds, Gastzimmer 510
6.46 Uhr]

Meine Chefin fuhr gegen 22 Uhr heim, ich blieb mit Kolleginnen hier; wir sprachen und sprachen. So wurde es, obwohl ich längst hatte liegen wollen, spät, fast zwei Uhr, bevor ich ins Bett kam. Was wiederum bedeutete: Nix mit vor fünf aus dem Bett. Immerhin schaffte ich’s um sechs und bekomme nun zumindest diese Notate hin.

Bei geöffnetem Fenster geschlafen; heute früh ist draußen alles weiß. Ich schaue auf einen Streifen Walds, hinter dem die Otto-Fleck-Schneise läuft, also, und zwar ziemlich ausgedehnt, verläuft; doch das ver hat mir den Rhythmus des Satzes gestört. „Im Zweifel für die Formulierung“ war mal mein Standardsatz. Im Seminar geht es mehr um Freiheit, darum, die Rahmen zu verlassen, wofür erst einmal die Befähigung sich auszudrücken gefördert werden muß, was wiederum mit der Fähigkeit zusammenhängt, sich selbst zu ermächtigen. Ich schreibe erst einmal über mich selbst, damit ich meine Perspektive habe: Welche Gründe sind, mich so und so sehen zu lassen? Verfüge ich über diese Gründe oder verfügen sie über mich? Im zweiten Fall ist mein Ausdruck der meiner Gründe, im ersten rücken die Gründe in meine Perspektive mit und werden zu Objekten, also auch solchen der Sätze.
Das lehre ich selbstverständlich nicht theoretisch, sage es erst später nebenbei, sofern ich es überhaupt sage. Wir lernen über Erfahrung allein; hat sie uns beigebracht, den Rahmen nicht zu verlassen, bleiben wir auch drin, bis wir eine neue Erfahrung machen, die uns sinnlich nahelegt, daß wir ihn verlassen können.

Blick aus dem Fenster um sieben.

Es gibt dafür ein Diagramm; nicht nur abends meine Seminarist:inn:en saßen darüber, sondern nachts die Kolleginnen auch. Wir haben fünf als und im Quadrat angeordnete Punkte: Verbinden Sie sie, ohne den Stift abzusetzen, mit vier Linien. (Grübel.) (Es geht nur, wenn Sie, liebste Freundin, das Quadrat mutig verlassen und – zwei neue Punkte kreieren, die sich indes aus Notwendigkeit ergeben. Schon sind wir mitten drin: Poetologie & Erkenntnis.)

Und dann: die Scheu vorm Ausdruck überwinden, ihn zulassen, werden lassen, l ü g e n. Le mentir-vrai. Indem wir etwas erfinden, kommen wir der Wahrheit näher, als wenn wir dokumentieren. Darauf weist auch Elvira M. Gross in ihrem Vortrag hin, den ich während meiner ICE-Fahrt hierher nun endlich gehört habe. Sie geht sogar so weit, in Hinblick auf Lieben, davon zu sprechen, sich die Idee wahren zu müssen, auch wenn die Realität sich schon lange von ihr entfernt hat. Es nicht zu tun, also nicht der Fiktion zu folgen, hieße (und heiße), sich selbst zu verraten. Wobei sie, Elvira, einschränkt, sie sei de facto dann vorbei, wenn sich die Liebenden, und das ist jetzt wirklich wichtig, in ihrer Sprache nicht mehr treffen.
Diese Gedanke ist, finde ich, riesig. „Die Sprache der Liebe ist codiert“, sogar: „Sie ist immer – Zitat.“

So weit werden wir im Seminar heute nicht kommen. Doch ich kann die Tür dahin öffnen,

– sehe nur eben, wie die Zeit läuft, und muß jetzt unter die Dusche.

Haben Sie einen guten Tag:
ANH

*

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