Gesetzt aus Versen Paulus Böhmers, ihm zu Ehren: Die Brüste der Béart, XVIII. (Die Brüste der Béart, 29)

Dritter Dithyrambos

 

Die Liebe, Béart, ist verloren ans Fremde,
an die Haarflut der Maria von allen.
Darüber Libellen, die einander betrillern
für den Spalt eines Lachens im Dunkeln.

Am Vulvenriff der Karibik atmet mir Deine Haut zu.
Deine Halsbeuge strahlt, und ein Stück Beatrice
tropft mir aus den Augen: ein Rosa wie Karen.
Wer nahm sich Dein Herz, wer Deinen Kopf?

Die Schwestern der Milchstraße warteten schon,
die helle Seele aber schnappte wie ein Gecko:
Vielleicht kommt so dereinst das Universum
zum Bewußtsein seiner selbst. In Dir, Béart. In Dir.

Du wirst die letzte Flüssigkeit in meinem Herzen sein:
Du. Neben mir. In diesem Augenblick
in genau jenem Abstand, in dem ich Dich liebe:
Jetzt, Herzlieb, jetzt, Du Hasch der Gerechten,

Glitschige, Nixe, Sirene,
Sixtinische Haut. Rosenstock/
Holderblüh‘: Blatt für Blatt
meine Sammetstube.

(Büschelschön, Meerstern, Muschel,
Süße, mein Salz, mein Tropfsteinhöhlenelf –
Du Rosenfaltige, Du Milchige
in uns und jenseits von uns.)

Nicht daß mein Gesicht in Deinem Schoß
sich je bewegt hätte bei Lucinde
hinter den Riffen. Ach, Béart, es hängen
am windkalten Baum die Götter.

Hochgerutschte Röcke und Strapse
flimmern ins Halleluja des Utangs,
in die Schnuten der Eiderenten,
über die Hüften der ruhenden Giorgina –

oh Béart, Deine Estragonschultern!
Zartbitterbucht, Melissenhaut!
Oh Du | mein Herz, mein Königsgrätz,
wie feierlich sind Deine Brüste!

Mein Austerlitz, mein Waterloo,
mein Tatraschaum, mein Libellenhonig!
Du Niobe auf einem Kühler
(Niobe ist Zungentau, bei Herzlieb in der Sasse).

Dein schöner Kuh-, Dein Nofretete-,
Dein Giraffenleib, oh Gurrmadonna!
Die Geheimzahl der Katzen,
das Geheimnis der Venus:

Dein Blut, Dein schwarzgekacheltes Blut
ist der Junge, der für das Mädchen,
ist das Mädchen, das für den Jungen
(der einmal König war).

So fährt eine Frau zerstörtem Gewebe
mit dem Finger im Spiegel nach
und abartigen Bissen, dem un-
merklichen Verschwinden des Weltalls,

– und wie Du Schöne im eigenen Blut
(weiblich ist alles Fleisch),
Dich in ein Schiff verwandelst, das
die jungen Männer in Anakondas verwandelt.

Das Herz ist ein Hai,
gleich unter dem schönen Hals
setzt schon der Schnitt an:
oh Mineralien-Ische!

Und aus der Erde wachsen Köpfe,
die schon bald gesenst.
Wasserpuppe, mein Elsternblitz!
(Du meine Meisengeige.)

In der Feuchtigkeitsglocke, die
das Sternen/licht um zwei Grad bricht,
leuchten alle sieben Arten von Schlaf
wie Schamwächter, Béart.

Wie Deine Lippen auf meinem Bauch
rieselt Blütenstaub. Kelchblätter greifen
den Kopf der Pumantin, den Körper der Leopardin,
das Schwarz der Wespenweibchen,

das Gelb der armen Anna Selbdritt:
Songs für eine Ewigkeit
– während die Zeit
die Sehnsucht der Liebenden,

das Fühlen des anderen zu fühlen
wie Lulu, Mimi, Isolde,
am Ende der Geschichte ist:
Wie wir nie wieder werden.

Wir waren, Füchsin, für das Dunkel gedacht:
Nur mit dem Körper, sagen die Frauen,
gräbt man die Seele aus.
(Ich denke oft an Alice.)

Wohl unter Deinem hellen Haar, Regine,
liegt eine Mädchenwange
auf meinem Bauch, kriecht eine Mädchenhand
in meine Hosentasche:

Circe, nackt bis auf die Pumps,
nimmt sich die Hoden ihrer Eber,
die nach Südfrüchten riechen, nach Himbeeren,
nach frisch gekochtem Johannisbeersaft.

Am Dreizack-Seamount brüllt das Meer vor den Türen,
bricht herein in Deinem dünnen Kleid
und Deiner bläulich-hellen, haarlosen Achselhöhle.
Flieg, Béart. Flieg!

(Einmal waren wir alle verliebt in Anna,
und Porenwasser floß von Proserpina.
Daß Gott Dich des Landes verwies, Béart,
verstehst Du nicht. Bis heute nicht. Weiß Gott.)

Da Du warst, mein Liebchen,
mein Zimmes, hatte ich weniger Angst,
da alles schon da, basta, da ist.
Was aber bleibet, ist fleckig von Deinem Namen.

Du Wiesenkrautschaumschnee
füllst Dich mit kaltem Gold der Sterne.
Ist eine Handvoll Haar, Béart,
von den letzten Resten falscher Scham.

Eine Käferträne, so gleitet Beatrice
vorbei, die tiefschwarze Frau,
tot vor Unsterblichkeit
glaubenslos an die Kraft der Geschichte:

Nicht immer nur schon Erinnerung sein,
trunken, Béart, und hoffnungslos,
und der Regen regnete jeglichen Tag
ins Heulen der Füchsin,

der ich unter den Farnen Deiner Wangenhaut
(den Zulieferanten der Seele)
den Dorn aus dem Fußballen zog.
Dir die Rose, Béart!

Rosig gehaucht Dein Gesicht
im Ennui der Gezeiten.
Das Land, manchmal sehe ich‘s noch
und denke, es sei Dein Haar.

Du aber legst den Kopf zurück
und gibst mir ein Millionenglück
(Männer und Frauen
lächeln verschieden).

Oh Du! Du bist schön
wie eine Million Waggons.
Ich erinnere mich an Deinen Atem,
nicht aber an Dein Gesicht,

draußen Niobe, Berenice. Draußen
Étienne, Beatrice, Marie und Luise.
Mein Bald, meine Verheißung, meine Trachee,
meine einzige Kapsel! Laurilee, Larela.

Dich gibt es nicht, Béart,
und wie die Worte führt jeder Weg ins Weg.
Wenn Du jetzt da wärest
würde ich Dir folgen ohne Dich.

Manchmal denk ich, Du warst es.
Wo wirst Du sein, MarieMarein?
Wir waren Dinge, Béart, denen,
vorübergehend, Dinge geschahen

von der Stärke der Natalie B.,
die wie eine vorbei/fliegende Biene
in der Luft plötzlich hängenblieb,
Deinen Schoß an meinem Mund.

Eine Marderin auf der Spur,
ein Skorpion um die Hoden,
der Nachmittag wirr, kam,
ging und kam, ging nacheilen,

hinter mir herheulen über die
Torfmoospolster, wohl unter
Deinem hellen Nacken, Felka:
Es hat mich ganz sanft nur gestreift.

Spürst Du es, meine Liebste,
oder spürst Du es nicht,
daß das Obszöne
niemals obszön ist?

Einmal, Béart, werden die Wünsche
die Lippen zum Leuchten bringen.
Wenn der Mond blinkt, blitzt, rumort,
in jeder Sekunde, jedem Blick, jedem Auge,

auf Deinem Gesicht die Gewißheit,
daß bis zum Ende aller Zeiten, merde
(Streifen eigenen Rechts, hadesartig, verworren
Reste, die Lethe von den Füßen Gestorbener wäscht),

ich Dich niemals wiedersehen werde.
(daß die vorgespielte Liebe viel ernster ist als die ernste:
Die dunklen Flecken auf ihren Flanken
waren wie Nichts).

So sieht Orpheus Eurydike an:
Deine Augen sind nicht erloschen,
und wenn Du fällst, meine Liebste,
und ich halte, halte Dich nicht,

dann entreiß mir das Leben
im Beischlaf, Béart,
und mit dem letzten Kuß
saug uns in Dein Gewand!

 

 

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6 thoughts on “Gesetzt aus Versen Paulus Böhmers, ihm zu Ehren: Die Brüste der Béart, XVIII. (Die Brüste der Béart, 29)

  1. Atopia für Paulus Böhmer

    An langen, heißen Sommertagen,
    wenn das Gras gelb zu werden beginnt
    und die Stimmen der Radfahrer
    vom Fluss herüberwehen,
    geht eine Stille über das Land, als
    habe der Engel des Nachmittags
    Dir befohlen, den Atem anzuhalten.

    Noch hängt eine Staubfahne über dem Weg.
    Noch quert der Schatten der Schwalbe
    Dein Fensterkreuz. Der Ruf des Nachbarn
    hinter der Scheune füllt die Luft,
    als gäbe es kein davor, kein danach.
    Noch bist Du mitten darin, noch.

    Bald aber wird Erinnerung sein,
    wenn diese Orte und Du nicht mehr
    zusammengehören, wird leben im
    Zwischenreich, mit all den anderen, die
    im Irgendwo Wohnung genommen haben.

    Trotzdem wirst Du Dich damit verwechseln,
    wirst den Archipel der verschwundenen Orte
    neu besiedeln, die heißen Sommertage
    des Gedächtnisses aufsuchen und Dich wundern,
    dass der Staub noch über dem Weg schwebt,
    als gäbe es kein davor und kein danach.

    Sogar den Engel, der Dich heißen wird,
    den Atem anzuhalten, um seine Stille zu teilen,
    wirst Du auf diese Weise erkennen.
    So seid ihr euch nicht fremd.

    (aus: Peter H. Gogolin – Schnee auf neuen Gipfeln)

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