Ich spürte gestern abend G e s c h i c h t e, Kulturgeschichte, und eine bereits n a c h mir: Als ich im Jahr 1999 meinen Aufenthalt in der Accademia tedesca Villa Massimo Rom beendete, hatte Joachim Blüher sein Amt noch nicht angetreten. Zu „meiner“ Zeit war Jürgen Schilling Leiter der Institution gewesen. Auch damals schon galt, jedenfalls für mich, was Blüher gestern abend im Namen vieler Bewohner dieser unterdessen am Rand einer Herzkammer Roms gelegenen Künstlerkolonie aussprach, die als Liegenschaft einem subtropischen Park ähnlich ist: „Es war das schönste Jahr meines Lebens.“ Tatsächlich habe ich selbst diesen Satz noch viele Jahre nachher genauso gesagt, würde es immer noch sagen und sage es auch.
Blüher sprach poetisch, persönlich und – als Deutscher.
Das brachte hinterher, als wir Geladenen durch die Säle streiften, um die Exponate der Stipendiaten des Jahrgangs 2017/18 anzuschauen und kleinen Lesungen wie Konzerten zu lauschen, hier und da leise wogenden Unmut gegen sich auf. Überhört worden war, daß er von einer Fiktion gesprochen hatte, die gleichwohl nach wie vor wirkt, und zwar besonders im Ausland, und insofern nicht geleugnet werden kann, noch darf. Wobei er zugleich auf das klügste – ebenso leise, ebenso persönlich – hinzufügte, es seien ja sehr viel mehr die Regionen als die Zugehörigkeit zu einem Nationalstaat, was unsere Identitäten bestimme. Dies gilt, wenngleich für das Land – die Landschaften – vielleicht viel mehr, für Städte indes auch, namentlich für solche mit einer Legende. „In Rom leben“ ist eine solche, „in New York City leben“ (da sogar, ob in Manhatten, Brooklyn, Bronx oder Queens), „in Paris leben“ usw. Eine der mittlerweile mächtigsten Stadtlegenden, es wird an ihr gebaut und gebastelt längst sogar von Hollywood, bezieht sich auf Berlin. Auch dies hat Blüher gewußt, als er vor zwölf Jahren eine andere Achse Berlin-Rom aufspannen ließ als die historisch unheilvoll-bekannte, auf die sie aus moralischen Gründen zugleich bezogen bleiben muß: als eine kultureller Durchdringung und damit auch des Widerstands. Blühers Wunschgast Wolfgang Schäuble, in seiner nachfolgenden Rede, unterstrich dies: Wer in die Villa Massimo komme – deutsches Staatsgelände -, werde als Künstler in keiner Weise gegängelt; er müsse, oder sie, nicht einmal etwas vorlegen nachher. Dieses Freiheitsprinzip sei festgeschrieben. Eine Zensur findet nicht statt; es gibt auch keinen „Auftrag“.
So auch Blüher selbst zuvor: Wie wir uns, als Künstlerinnen und Künstler, mit Rom auseinandersetzten oder ob nicht und ob, wenn, in unseren Arbeiten oder privat, sei uns selbst überlassen, doch werde immer – und ward’s – in jeglicher Hinsicht vom Haus unterstützt. Blüher hat dies geleitet, teils wohl auch initiiert, wie niemand vor ihm. Ich habe es beobachtet, aus der Ferne, bisweilen auch als kurz wieder Gast dieses Hauses, und ich habe mich manches Mal gefragt, ob ich nicht eigentlich lieber Teil an d i e s e r Ära gehabt hätte als an der zuvor.
Ich muß die Frage verneinen. Wiewohl Jürgen Schilling umstritten, teils sogar mißliebig war, ist mein eigenes Verhältnis zu ihm das allerbeste gewesen; nicht selten gingen wir in die kleine Bar, paar Schritte auf den Largo di Villa Massimo und die Giovanni Battista de Rossi hinunter, da gleich ums Eck, und nahmen einen Caffè, und er erzählte von seinen Visionen – die es gewesen sind, Joachim Blüher den Boden vorzubereiten. Er, Schilling, hatte die ersten Versuche gestartet, das deutsche „Ghetto“, wie er es manchmal nannte, mit dem umgebenden Rom zu verbinden und zu öffnen. Zudem bekam schon bei ihm jede und jeder von uns die Möglichkeit einer veröffentlichten mehr oder minder großen Abschlußarbeit. Über eine solche „stolperte“ er auch, über ein, sozusagen, künstlerisches Kochbuch, in dem auch ein Rezept zu Stierhoden stand. Dennoch hat er, der Koch, an einen nächsten Koch übergeben.
Nein, eine „Ära“ wie Blühers war Schillings Zeit nicht, doch dieser war der Pionier, dem der Baumeister folgte. Als Pioniere, je auf unseren Gebieten, paßten wir gut zusammen. Und auch in unsren Verfallenheiten und Ungerechtigkeiten. Wenn ich deshalb, was ich tue, Joachim Blüher hier ehre, mitehre, darf und will ich Jürgen Schilling nicht unerwähnt lassen. Er nahm mir auch nicht übel, daß ich, wenn ich nicht an Thetis schrieb, meine zehn Jahre zuvor begonnene Sizilienverbindung, zu der Napoli kam, noch firmte. Doch das gesamte Lektorat zu Thetis, damals noch Rowohlt und Delf Schmidt, fand in der Villa Massimo statt, und pro Monat jeweils zwei Wochen kam लक्ष्मी angereist, um mit mir zu leben. Daß dies möglich war, obwohl ich offiziell noch in einer anderen Lebensgemeinschaft lebte, war ebenfalls Schilling zu verdanken. Normalerweise gibt man für Gäste außer dem Lebenspartner einen täglichen Obulus ab. Ich vereinbarte mit Schilling einen Termin, kam in sein Arbeitszimmer und fragte: „Sagen Sie, ist die Villa Massimo ein Stundenhotel?“ Da konnte er nicht anders als aufzulachen. Fortan war die Angelegenheit vom Tisch, und unsere Caffègänge begannen. Daß das Leben nicht nur komplizierter, sondern vor allem komplexer ist, als die, sagen wir mal, „bürgerliche Moral“ es zulassen will, war ihm nicht nur bewußt. Sondern er verhielt sich seinem Wissen gemäß und vertrat es, mauschelte nicht. Da war es auch egal, ob mich Mitstipendiaten einen „Kinderficker“ nannten. Was einige halt taten. Schilling besaß nicht, nein, sie war ihm eigen: neidlos Grandezza, wo er Leidenschaft spürte.
Mit Joachim Blüher, dem Baumeister, kam ein, in fast alter Manier, Herr und übernahm, auf was er nicht nur aufbauen konnte, sondern es in damals sicherlich ungeahnter Weise ausbauen und prägen könnte und schließlich prägte. In seiner, ja, nun i s t es eine, Ära erlangte die deutsche Akademie eine Bedeutung, die jeden ökonomischen, seinerzeit durchaus anstehenden nicht-nur-Gedanken von ökonomischer Einschränkung, gar Schließung der Institution vom Tisch wischte. Die Villa Massimo, gerade als Ort freier Kunstausübung, bekam p o l i t i s c h e n Rang. Dies stellte er in seiner Rede auch fest – woraus sich denn doch eine Verpflichtung der Künstler, zumindest indirekt, ergibt: Hier zu arbeiten, in Rom als Deutsche und Deutscher zu arbeiten, bedeutet, politisch tätig zu sein, fast egal, wie die Arbeit dann aussieht. Das Wissen darum hatte bereits ich. Es ist kein „Zufall“, nicht absichtslos, daß meine Abschlußarbeit das Hörstück über eine Nachtfahrt von Neapel nach Palermo ist. Von dort nämlich geht der Gedanke eines vereinten Europas aus, im Mittelalter so noch nicht gedacht, selbstverständlich, aber in Federico II bereits angelegt. Hier auch, in Rom, spielte ich zum ersten Mal mit der Absicht, den Friedrichroman zu schreiben, von dem ich unterdessen nicht mehr weiß, ob ich ihn noch „schaffen“ werde.
Auch in der Grandezza schloß Blüher an Jürgen Schillings an, wiewohl mir gegenüber stets distanziert, so doch persönlich ausgesprochen menschlich. Als लक्ष्मी und ich unser Zwanzigjähriges hatten, war es für ihn keine Frage, uns für eine Woche einzuladen, die wir, ungestört und für uns, in der Massimo in einem der beiden edlen, je mit langer Terrasse ausgestatteten Ehrenapartments verbringen durften. Es ist ohnedies ein eher biologischer Zufall, daß unser Sohn nicht in Rom, sondern New York City empfangen wurde, ein halbes Jahr nach meiner römischen Zeit.
Der Kleine ist danach oft in Rom gewesen, sogar für ihn, auf dem Umweg über 8th Ave/32nd Street, wurde die Villa Massimo eine verzauberte Heimat. Zur Erbschaft, die wir alle, die dort arbeiten durften, in uns tragen, gehört, daß wir, wenn eines der Gästekämmerchen frei ist, gegen einen geringen Aufwandsbetrag dort jederzeit übernachten und uns also aufhalten dürfen.
Selbstverständlich ist dies begehrt und deshalb sinnvoll, sich beizeiten anzumelden. Bisweilen geht es aber auch spontan – und in Notfällen, auch dafür steht Joachim Blüher, wird selbst für die Angehörigen gesorgt. Als meine Familie eines Flugstreiks wegen auf der Rückreise von der Isola del Giglio in Rom hängenblieb, ohne Anspruch gegenüber der Fluggesellschaft, wurde sie sofort in der Massimo aufgenommen und betreut. Ich wollte danach ihren Aufenthalt bezahlen; darauf kam nicht einmal Antwort. Deutlicher läßt sich insgesamt Familie gar nicht fassen.
Eine Nachfolgerin werde es geben, erfuhr ich gestern im Gespräch, den Namen freilich nicht. Er könnte, und würde vielleicht, ansonsten hier schon stehen. – Die Frau wird ein verpflichtendes Erbe haben, Dame sein müssen wie Blüher ein Herr war und ist. Und damit nolens volens auch an Elisabeth Wolken anschließen, die als Erbin des Hausgründers jahrzehntelang die Geschichte der römischen Deutschen Akademie nach quasifeudaler Art eines Großbürgergeschlechtes bestimmt hat; ausgerechnet geniale Wüteriche wie Gerd-Peter Eigner kamen gut mit ihr klar, andere, in diesen wilden Jahren, >>>> nicht. Auch ich hatte, seinerzeit für ein Vierteljahr in der Casa Baldi, keine Probleme mit ihr. Frau Wolken repräsentierte gern, war aber nicht integrativ: mir wie Eigner kam das recht. Wir wollten beide unbetreut und für uns – das heißt: nur für die Kunst – sein. Diese meine Haltung hat sich gerade in der und durch die Zeit in der Massimo langsam, doch wirkend verändert.
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ich merk scho, da hinfahren und es einfach mal für mich entdecken, klappt nicht. legendenbildung massimo galore! seit brinkmann, quasi, den ich in ‚rom, blicke‘ am lustigsten fand, als er sich um flaschenpfand betrogen sah. vermutlich muss ich mich dann permanent zu helmut flüchten oder zu joachim bernauer, den ich ziemlich cool finde und der dort jetzt für goethe tätig ist, ach, rom ist groß, ich werd mein plätzchen da scho finden, hoff ick ma.
in diesem turnus wären mit erik goengrich, mit dem ich in der villa aurora war und mit nico bleutge, mit dem ich mich gut verstehe, zwei dabei gewesen, die es mir echt erleichtert hätten. aber in meinem werden sicher leute dabei sein, die ich auch spannend finde, wenn ich sie auch noch nicht kenne. tatjana doll kenne ich noch flüchtig aus den kunstakademiezeiten vom m, aber sie ist dann ziemlich bald nach düsseldorf gewechselt und hat ja auch ne echte karriere hingelegt.
@Xo: einfach in Rom eintauchen, vorher etwas Italienisch lernen. Dann dort auch noch mal lernen, einzwei Stunden pro Woche. Da Italiener unbedingt sprechen wollen und dazu auch die Füße nutzen, neben den besonders bedeutenden Händen, ist’s eigentlich leicht. Ausschwärmen, ausschwärmen, ausschwärmen war damals schon meine Devise, sofern ich nicht arbeitete, arbeitete, arbeitete.
In meiner Zeit waren Anlaufstellen Helmut Krausser und Judith Kuckart, indes ich mit anderen nicht warm wurde, außer mit Caspar Johannes Walter, der dann auch ein Stück von mir als Oper vertonte, sowie einige Gedichte – später alle bei Éclat in Stuttgart uraufgeführt. Aber am intensivsten war und bin ich ja eh immer mit Musikern; bei mir der Stellenwert, den bei Dir die Bildende Kunst einnimmt.
Schilling und Du wäre wahrscheinlich hakelig gewesen, Blüher und Du wäre sehr gut gegangen. Aber wenn Du hinkommst, beginnt halt was Neues. Also überhaupt keine Furcht haben, nur aufgeregt und glückvoll sein. Dann nimmt Rom Dich auf. (Und für den Rückzug wird ja der nahe Parallalie immer eine offene Tür für Dich haben.)
das ist der plan. so lange mich niemand gängeln will, alles gut! mit der villa aurora habe ich ja sogar noch im nachklapp und mit inzwischen ganz anderen leuten sehr gute erfahrungen gemacht, obwohl ich seit 16 jahren nicht mehr in good old california war. da habe ich mich super wohl gefühlt und das hat auch sampa bewirkt, danach haben wir uns gesagt, los, raus aus deutschland. mal sehen, was rom bewirkt. ich freue mich auf jeden fall, finde es aber fast spooky, wie viele fast hypnotisch verzückt von dieser zeit sind, aber ein ganzes jahr, oder 10 monate jetzt, das ist eben schon eine lange zeit, das muss ja was bewirken, wäre ja schlimm, wenn nicht. außerdem, ich zähle auf deinen besuch!
@xo,2: Vorsicht mit „Ich zähle auf deinen Besuch“. Auch wenn ich schon damals Neapel Rom immer vorzog – wenn gestern abend gesagt wurde, Rom stehe für Antike, Vergangenheit und Zukunft, stimmt das nur sehr bedingt; ich könnte Dir hier von einigen gescheiterten Versuchen erzählen, Konzerte der Neuen Musik zu besuchen, die angekündigt waren, aber aus den irrsten Gründen niemals stattfanden. Zeitgenössische Kunst findet tatsächlich in Mailand, Florenz, Neapel und Palermo sehr viel mehr, oft auch im Off-Bereich statt —, also dennoch bin ich mit Rom sehr verwachsen; vieles, was ich damals mochte, gibt es allerdings nicht mehr, etwa die riesigen Pornokinos der Piazza della Repubblica, die zugleich in den Vorsälen tatsächliche Agora waren. Sie verschwanden im „Giubileo“ der Jahrtausendwende quasi völlig.
Die dunkle Seite Roms, eine – nicht ohne Bezug auf Pasolini – s e h r dunkle, kannst Du Dir in der Serie „Suburra“ ansehen. Wer die entsprechenden Pfade, siehe Pornokinos, betritt, kommt schnell mit ihr in Berührung. Einige Szenen in Thetis hätten ohne dieses nie entstehen können.
Die Quartiere um die Piazza Vittorio, eine der mir nahesten Gegenden Roms, sind heute übrigens – auch wenn als Bewohner prekariate Menschen schwarzafrikanischer Herkunft dominieren – fest in vietnamesischer/asiatischer Hand; quasi eine jede Bar. Das war 1998 komplett anders.
also, ich dachte eher an wein trinken mit dir und helmut und phyllis und fisch verdrücken, als an pornokinos! mir reicht ja völlig, wenn andere all die wirrungen jeglicher erotischer gefüge exekutieren, das lass ich mir gern erzählen, aber ich muss da persönlich nicht involviert sein. mir ist das leben wirrung genug, irgendwann kriegsch zwei hunde und zieh uffs land, dort, wo die temperaturen übers jahr zweistellig bleiben, ist so der vage plan. ich bin westfälin, die sind nicht so leicht erregbar, recht stoisch und von vielem zunächst unbeeindruckt. dat bodenständige abenteuer lockt mich da eher, löwen beobachten und mit kaimanen schwimmen. ich bin gespannt, ob sich nicht doch eine kleine gegenwärtige kunstszene finden läst, ansonsten habe ich pläne für etwas abseitige schätze roms, geologische museen z b, schauma mal. fossilienpornos sozusagen. dein studio in rom sieht sehr angenehm aus, auch wenn die ja heute komplett anders aussehen müssen.
neinnein, sie haben sich meines Wissens nicht sehr verändert. Wobei Du recht hast: Im Tiber – Rom ist die einzige Stadt der Welt, die ihren Fluß vergessen hat – ist es nicht leicht, mit Kaimanen zu schwimmen. Löwen hingegen gibt es einige, nicht nur trastevere beim Vatikan.
Für Fisch, wenn wir ihn selber zubereiten, kommst Du um die Piazza Vittorio nicht herum, obwohl der Markt heute nicht mehr, leider, die Parkanlage säumt, sondern entschäumt in die überdachten Bauten des Mercato Esquilino verzivilisiert wurde.
ach, sampa nutzt den pinheiros auch nur um müll rein zu kippen, leider. da könnte man mit caipivaras schwimmen, die hart im nehmen sind. ich hab um italien immer ein bisschen einen bogen gemacht, war eher frankophil druff, so wie lange um berlin, da dachte ich ja auch, da sind eh alle, muss ich nicht auch noch hin, dann stellte sich berlin aber für mich als sehr richtig heraus. aber mir ging auch zum ersten mal auf, was es so für künstler*innendynamiken so gibt, wenn alle an einem platz hocken und da staune ich bis heute oft nicht schlecht. das bekam ich im transit nicht so mit. und ich glaube, das war mir auch lieber.
S o viele deutsche Künstler hocken ja nicht in Rom; insofern wird’s Dir wie eine Erholung vorkommen. Sind ja nur zehn plus manchmal ein oder zwei, die als Ehrengäste einziehen. Wobei ich selbst hier in Berlin nur selten welche treffe; es sind ja oft gegeneinander fast abgeschlossene „Ingroups“. Und ich, wie unser Sonnensystem, befinde mich eh ganz am Rand der Galaxis; mit ziemlicher Sicherheit hast Du, schon wegen der kookbooks-Szene sehr viel mehr Künstler|innen-Kontakte als ich, der ich vor mich hinarbeitend in der Prenzlauer Arbeitswohnung sitze, umgeben von Tausenden Musiken, die oft singend zu mir sprechen, aber selbst für die Szene meines eigenen Kiezes eigentlich gar nicht da bin. Tatsächlich war mein Künstlerfreunde-Netzwerk in dem lütten Frankfurtmain signifikant größer.
ja, das könnte man so annehmen, tatsächlich sind die bande aber eher lose, es gibt keine engen freundschaften zwischen mir und anderen kookbooksautor*innen. man sieht sich und spricht sich bei lesungen, das wars. ich kam aus sao paulo dazu, da war ich acht jahre und davor in hamburg über 5, viele der kookbooksautor*innen kennen sich deutlich länger, seit dem studium oft, darf man auch nicht vergessen. es gab vielleicht hier und da mal ein näheres beschnuppern, aber sicher auch die einsicht, dass man gar nicht sooo gut miteinander kann. nur, weil man den selben verlag teilt, muss einen das ja noch nicht freundschaftlich verbinden. wen ich wirklich einen freund nennen würde, den ich auch privat treffe, ist mirko lux, der arbeitet aber für die villa aurora und schießt inzwischen die fotos auch bei kookreadabenden, das ja. das war von anfang an total unkompliziert und herzlich, vielleicht weil er eben auf der anderen seite ist und nicht selbst auch autor. als ich gerade zurück aus sampa war, hat die villa aurora im z/ku ein ehemaligentreffen organisiert in moabit und da half er mir aus dem mantel und da war schon klar, wir mögen uns. vielleicht merkt man sich manchmal auch doch den landstrich an, denn er ist auch westfale, vielleicht verbindet einen das ja somehow ab und an, wenn noch anderes dazu kommt, was man teilt, so teilt ebenso ein paar narrative der kindheit und jugend. aber ich habe auch selten einen so unprätentiösen sympath getroffen mit so vielfältigen interessen. ich hatte die 5 jahre, die wir aus sampa zurück sind, wirklich sonst kaum zeit, ich fuhr viel zu meiner mutter, die letzten 2 jahre, davor waren die ausstellungen mit den origins an vier verschiedenen orten, dann gab es viel zu tun mit leipzig und recherchereisen und stipendien auf einsamen ostseeinseln wie vilm etc pp. ich war allein 7 wochen auf recherchereise im letzten jahr, die minutiös vorbereitet werden mussten und sorgfältig abgerechnet und nach berichtet. manchmal würde ich mich gerne häufiger aufraffen, aber irgendwie bleibt es beim vornehmen zu oft. letzte woche war ich seit ewigkeiten mal wieder zwei mal hintereinander im haus für poesie. und ansonsten treffe ich meine wirklich sehr langjährigen freunde grit und georg und manchmal ihre söhne dazu zum sushi-essen, ausstellungen besuchen, kaffee trinken etc. hier und da mal dann noch jemand anderen, aber verstetigte freundschaften haben sich aus meiner tätigkeit und dem vielbeschworenen netzwerk kookbooks nicht ergeben. ich lege es aber auch nicht drauf an, weil ich finde, das merkt man schon, ob die wellenlänge stimmt und mit wem man die für ja beinahe alle knappe zeit noch teilen will. andere unterscheiden vielleicht auch weniger, für die sind das alles freunde, ich finde, freundschaft, das ist schon ne form von innigkeit, die mit dem beruf als autor*in nicht unbedingt was zu tun haben muss. wenn mal zeit ist, frage ich mich schon, wen ich mal gerne treffen würde, so nicht, aber, ich bin ja auch nicht allein, sonst ginge ich sicher viel häufiger aus, klar. manchmal ist es so, dass ich abends noch gern ausginge, aber der m mir dann gerade noch die klinke in die hand drücken würde, das ist auch öfter so, aber es gibt auch wochen wie die letzte, wo die anmeldung laufen, da ist der auch gar ohne ende, wenn er abends zurück kommt. sie haben stetig wachsende zahlen und sie führen ja gespräche mit allen, die zu ihnen wollen, irgendwas ist halt immer und wenn man dann gerade zeit hat, es ist winter, wird man krank. daneben blieb dann noch zeit, sich auch mal zünftig zu streiten mit seinem sogenannten netzwerk, facebook verzeiht mir ja beinahe keiner und ich werde auch mal mit verachtung gestraft und isolation, auch das passiert ja nicht nur dir, aber, was soll ich sagen, ist auch n muster, kenn ich seit kling, dieses erst hui dann pfui, muss wohl so, keine ahnung, was man sich von mir erwartet, ich bin nur auch nicht allein auf der welt, um allen erwartungshaltungen an mich gerecht zu werden, dazu fühle ich mich nun mal auch nicht berufen. und so vergeht die zeit in berlin. tja, also, nein, ich führe ein viel erimitischeres leben, selbst meine mutter pflegt mit 88 noch mehr kontakte, als ich. aber ich hab auch keinen so großen bock auf enttäuschungen, da ich sehr loyal bin, durchaus aber merke, damit nehmen es andere nicht so genau, gerade in der kunstszenen wählt man sich ja nicht selten die freundschaften part time und nach dem nutzen für sich, das will ich nicht mal verurteilen, das ist für viele überlebensnotwendig, aber so war ich nie und so werde ich wohl auch nie sein. für mich sind freundschaften nichts, was an vorteile zu knüpfen wäre, sondern ausschließlich an interesse und sympathie füreinander. alles andere sind kolleg*innen.
und, ich muss mich auch ein wenig schützen, schon in meiner familie hatte ich als nesthäkchen den stand, das kind zu sein, das keine probleme macht, vielfach war ich die, die sich die probleme anderer reinzog oder sie ungefragt serviert bekam und sich für einiges verantwortlich fühlte. meine mutter macht den fehler bis heute, mir die sorgen, die sie sich um geschwister enkel und urenkel macht, mir zu erzählen, aber von mir nur eins hören will: alles gut. das setzt sich irgendwie im literaturbetrieb fort, die anderen sind die mit den schwerwiegenden problemen, mir geht es ja gut, tut es ja auch, meistens, manchmal auch nicht so, bin auch nicht superwoman. aber ich bin nicht allein, ich hab unterstützung, das weiß ich und das weiß ich mehr als nur zu schätzen, aber ob es den anderen wirklich immer so viel schlechter geht, darf hier und da auch mal angezweifelt werden. aber wenn du irgendwann merkst, du darfst dich zwar gern nach dem befinden der anderen erkundigen, aber dein befinden geht ihnen eigentlich am allerwertesten vorbei, dann nimmste auch abstand, klar. manchmal ist es nämlich schon schön, wenn dich einfach mal jemand fragt: wie geht es dir? genau: wie geht es dir denn? freust du dich auf die messe? das buch? 600 seiten erzählungen, und das ist nur der erste band, irre!
@Xo: Ja sicher, ich freue mich auf das Buch, schon weil Elvira ihrerseits Wahnsinniges geleistet hat an Genauigkeit, mir nichts hat durchgehen lassen, selber die Erzählungen ist unterdessen, nicht alle, aber die meisten. Eine jede, auch die zuvor schon lektorierten, ging noch einmal durch ihren Blick, ihren Geist und ihr Herz. Das war und ist schon ein Wunder.
Aber mit der Messe gab es kurz eine Irritation; Elvira wird nicht hinfahren (wohl aber dann zum zweiten Band nach Frankfurt). Also wollte auch ich nicht hinfahren, zumal es außer einer Doppellesung mit Markus Bundi keine Veranstaltung zu diesem ersten Band gibt. Der Verlag bat mich dennoch darum. Also werde ich am Messefreitag und wahrscheinlich auch -sonnabend dort sein, dann bis zum Abend.
Das Buch wird in dieser Woche jetzt da sein. Meine Freude ist allerdings getrübt, weil ein wirklicher Scheiß passiert ist, über den ich nicht hier schreiben will, jedenfalls noch nicht, sondern: na gut, „je nachdem“. Aber ich erzähle ihn Dir privat. Das Problem ist, daß man, selbst wenn man sich gerechterweise wehrt, immer andere mit hineinzieht, die dann die Folgen mittragen müssen. Es ist manchmal ein harter Spagat.
das buch ist gedruckt und lieferbar. was immer noch an scheiß passiert ist, das wichtigste, es gibt das buch und einen wirklich schönen tip-artikel schon vorab, der die neugierde weckt, an buch und autor!