Zur “gendergerechten” Sprache. Von Josef Bayer heute in der NZZ.

Auch wenn nichts “falscher” sein kann als falsch und er, Josef Bayer selbst, in dieser einen Formulierung sprachlich entgleist, ist >>>> sein heutiger Artikel hellsichtig. Obwohl er außerdem “ein Mann” ist, als Emeritus obendrein ein offensichtlich nicht mehr junger und Chomskys Konzept, die Sprachentwicklung als evolutionäres Geschehen zu verstehen, im letzten aller Sinne >>>> tragisch.

(“Im Zweifel für die Tatsachen”, heißt es bei Hegel. Insofern freilich ist es durchaus möglich, daß nun d o c h eine Richtung Unfug nicht nur eingeschlagen, sondern bereits zementiert ist – w i d e r den wahren Befund. Freilich könnte genau dies ein die tragische Determination a u c h unserer Sprachen noch besonders betonendes Indiz sein. Und wieder merken wir es nicht.)

17 thoughts on “Zur “gendergerechten” Sprache. Von Josef Bayer heute in der NZZ.

  1. “Und da die gendergerechte Sprache nichts anderes ist als eine fehlmotivierte Umbenennung von bestimmten Bezeichnungen, wird sie ausser einer Menge stilistischer und ästhetischer Entgleisungen nichts Positives und schon gar nichts Fortschrittliches hervorbringen.” weil in der vergangeheit ja niemand mit der brechstange vorgegangen ist und alles sich quasi organisch entwickelt hätte? keiner auch nur ein reförmchen anstieß und alles immer sinnhaft sich fügte? jaja, aber, nee nee. schnarch. “missionarisch getriebene sprachklempnerinnen” wohlan, studentinnen alle dumm, verstanden. und wenn wir etwas verändern wollen, dann natürlich nur alles zum sinnhaften hin, für kapriolen haben wir ja eh keinen platz oder ein sowohl, als auch. blöd eigentlich, wenn man sich so gar nicht in andere hineinversetzen kann und sie per se erst mal lächerlich machen muss.

  2. an der sprache, wie wir sie vorfinden wurde schon so viel herumgemurkst, anzunehmen, der status quo sei gottgegeben und natursinnhaft, ist schon auch ein bisschen schräg. vielleicht unterhalten wir uns in ein paar jahren nur noch über emojis, oder sie sind zumindest selbstverständlicher teil der sprache geworden, arno schmidt hätte das nicht beklagt. menschen wollen sich ausdrücken und sich in dem ausgedrückten wiederfinden und menschen können alles mit sinn besetzen. es bleibt nur die humpty dumptysche frage, wich is to be master. es ist keine quasi machtfreie zone, die sprache, nie gewesen. lewis caroll wusste das. “When I use a word,’ Humpty Dumpty said, in rather a scornful tone, ‘it means just what I choose it to mean — neither more nor less.’
    ‘The question is,’ said Alice, ‘whether you can make words mean so many different things.’
    ‘The question is,’ said Humpty Dumpty, ‘which is to be master — that’s all.'”

  3. du dumme studentin, weil du es nicht verstehst, wie es wirklich ist, machst du jetzt alles sinnhaft schöne kaputt, das ist so ungefähr das, was william turner erlebt haben dürfte, als er anfing, nicht mehr akademisch zu malen. aber gut, sprache soll ja auch ein regelwerk für alle sein, damit wir uns verstehen, nur, wenn sich aber jetzt schon einige davon nicht mehr gemeint fühlen und sich darunter nicht selbstverständlich wiederfinden, dann wird es schwer, sie draufhin weiter einzuschwören und zu fordern, das bleibt aber jetzt alles so. sie leben ja auch mit uns in dieser welt, wäre schön, wenn man das auch einsähe. ein studierendenwerk z b lässt mich nicht gleich in ohnmacht sinken, oder an den untergang des abendlandes glauben. sternchen innen nervt mich eher, aber nicht, weil es jetzt anders ist als zuvor, sondern weil ich mehr hintippen muss, vielleicht finden wir ja noch eine andere lösung. aber zunächst einmal dürfen frauen schon sagen, was sie beschissen finden oder fanden, haben sie übrigens immer gemacht und wenn man mit 50% der bevölkerung nicht kooperiert, hat man ein ernstzunehmendes problem auf dieser welt. dass es vielen so schwer fällt, ein sowohl als auch durchgehen zu lassen, finde ich eher bedenklich. ich verstehe nicht, wie man sich an dieser gendergerechten sprache so aufspulen kann. man kanns doch mal probieren, fällt sicher niemand von tot um und wird auch niemand gelyncht, der es nicht so hält.

  4. was ich inzwischen kapiert habe, man kann menschen so schlecht einreden, du musst dich aber mit gemeint fühlen und wenn du das nicht tust, ist das eben ausschließlich dein problem. meist ist schon was dran, da muss niemand hingehen und alles gleich danach ausrichten, aber erst mal zuhören und verständnis dafür aufbringen, warum nicht? ich gehe auch klüger aus der avenidas debatte, als ich hineingegangen bin und denke, es gibt für beide seiten gute gründe und daneben hätte es besser auch noch klare verträge gegeben und vielleicht auch kein gedicht, das 20 jahre irgendwo verbleiben muss. der eigentliche diskurs war nämlich der: wich is to be master. wer darf bestimmen. und daran werden sich immer wieder die geister scheiden und das ist auch gut so. auch wenn ich das avenidas gedicht mag, aus vielerlei gründen, auch sehr persönlichen, kann ich verstehen, warum es andere nicht mögen und es auch nicht mehr auf der wand wollten, selbst wenn ich ihre urteile dazu nicht teile und intersubjektive gründe dafür finde, warum ich ihr missfallen für falsch halte, aber warum sollen sie weiter mit etwas beglückt werden, was sie nicht mehr wollen? die art und weise, wie das artikuliert wurde, fand ich, gelinde gesagt, zunächst geschäftsschädigend und hätte mich als künstler*in auch dagegen gewehrt, absolut. aber ich kann beide seiten verstehen. ich hätte nur von der hochschule erwartet, dass sie besser berät, aber nun denn, nicht aller unmut macht sich gleich hochreflektiert bemerkbar. das gedicht dürfte nun auch eins der bekanntesten gedichte der jüngeren zeit sein, was, ironie des schicksals, für eines, das dann auch schon wieder über ein halbes jahrhundert alt ist, zeigt, wo wir beim gegenwärtigen gedichtverständnis so stehen 2019, wenn es eine größere öffentlichkeit angeht. da sind wir über ein unmittelbares nachkriegsverständnis kaum hinaus und das, obwohl es so gegenwärtig gegenwärtiges gibt. aber das ist vielen vermutlich zu geklempnert und zu formlos :).

  5. @Xo:
    Du gehst an (nicht nur) meinem Grundgedanken völlig vorbei, daß es eine “freie Bestimmung” gar nicht gibt, sondern wir komplett determiniert handeln, wobei gilt, >>>> was bereits Nietzsche vermerkte: “(…) wenn er”, der Mensch, “in der angegebenen Weise dem Fatum zu widerstreben meint, so vollzieht sich eben darin a u c h das Fatum.” Es ist dies, denke ich, das Gegenargument zu Bayers Einlassung – aber keines, das unserer Anthropologie gefällt.

  6. unser schicksal ist also ein vorbestimmter sprachunfug? trotz eines wahren befundes? klingt nach murphy s law, was schief gehen kann, geht schief.

  7. Pardon, Xo, Du denkst nicht genau. Laß einfach mal die – immer persönlich konnotierten – Wertungen weg und laß Dir den Nietzsche, den ich ja verlinkt habe, auf der Zunge zergehen. Dann wird Dir deutlich, was ich meine.

    (Aber um es zu akzentuieren: Es gibt nicht den mindesten Beweis, nicht einmal Beleg für die sogenannte Willensfreiheit. Dazu dann morgen ein, sagen wir, Aphorismus. Jetzt muß und will ich erst einmal weiterarbeiten.)

  8. Aus der Ferne hört es sich etwas merkwürdig an. In Texten aus Südtirol klingt das zuweilen schon etwas an (in der Schweiz sowieso). Aber dann nach einem Tag, an dem man Stempel übersetzen muß, die rigoros anfangen mit “il funzionario” und dann den Namen einer “Ivonna” wiedergeben, oder meinetwegen einen “avvocato”, der dann aber “Loredana” heißt… che faire? Das eine ein Stempel, den ich so lassen muß, das andere im Text läßt sich hinbiegen. Dafür sind in diesem Lande die Autos weiblich, man fährt eben eine und nicht einen Porsche. Nein, natürlich ist Willensfreiheit nicht gegeben (aber was dann tun mit dem Formwillen, da will man dann doch wollen), kommt drauf an, was gewollt werden kann. Nur scheint mir der Akzent nicht auf einem “kann” zu liegen, sondern auf einem “darf” in der Genderdiskussion, beides Modalverben, denen ein einziges “potere” entspricht. Posso? Im Grunde unterschreibe ich Bayers Aussagen. Dahinter stecken nicht wirklich Ideen, die haben anders schon stattgefunden, denn niemand käme auf den Gedanken, Kanzler*in zu schreiben, obwohl es gendergerecht wäre. Der Exkurs auf das Gomringer-Gedicht hilft nicht weiter, jedenfalls nicht für mich. Das Gedicht bzw. die schöne Diskussion darum war für mich eher ein Beispiel dafür, daß man über Lyrik reden kann, jenseits der Gendervorstellungen, die dennoch dahinter steckten. Sicher, gegen das Permanente seines Vorhandenseins ließen sich noch andere Gründe anbringen, die aber über das vordergründig Genderhafte hinaus gehen. “Wir möchten jetzt bitte den nächsten Film sehen.” Bei mir hängt’s immer noch draußen an der Tür. Den Einwand, daß wir immer noch in den 50er Jahren stecken (wenn ich das richtig verstanden habe), kann ich nicht nachvollziehen, und ich glaube auch nicht, daß Vertreter auch solchen Jahren noch das Sagen haben. Als Vertreter bezeichne ich natürlich solche, die da hineingeboren sind, sondern meine die Flachmännergesellschaft mit ihrem “was meinst du als Frau dazu”-Gefloskel. Aber wie gesagt, “il cancelliere” (ähm, der Urkundsbeamte) regna sovrano. E la lingua: “tsalal”.

  9. und was ist mit “utente” (Nutzer, Kunde, einer bzw. eine, der/die (ecco di nuovo) eine Dienstleistung in Anspruch nimmt), kann w und m sein, nur daß der pluralartikel “gli” schon wieder gender ist… und wenn dann noch dazu kommt, daß “braccio” männlich ist, aber der plural plötzlich weiblich wird: “le braccia”… idem für “il dito” und “le dita”…, und himmelseidank muß ich im Deutschen nicht das Geschlecht unterscheiden, wenn ich Adjektive benutze… ich kann sagen: ich bin dumm… aber auf italienisch muß ich mich entscheiden, entweder scemo oder scema… ein Riesenhumbug die Gendersprache!

  10. keine ahnung, was willensfreiheit mit sprachveränderung zu tun haben soll, ich weiß nicht, worauf du hinaus willst dabei? sprache weckt vorstellungen und wenn ein pilot nicht die vorstellung einer pilotin vermittelt, ist das ein problem, nicht nur eins des/der empfänger*in, sprache legt etwas nahe, das tut sie nicht ab ovo, aber aus einer gesellschaftlichen werdung heraus oder zusammen mit ihr und natürlich verändern andere benennungen etwas, framing nennt man das heute. jeder, der moderationen in verfahrenen situationen übernimmt, weiß das genau. damit ist nicht gesagt, dass die jetzt gefundenen vorschläge schon der weisheit letzter schluss seien, aber sie dürfen getätigt werden. ihr könnt ja weitermachen wie bisher, aus fatumsgläubigkeit oder aus linguistischer überzeugung. ich versuche derweil einfach mal die zu verstehen, die sich veränderung wünschen und gebe sie nicht gleich der lächerlichkeit preis.

  11. was spricht eigentlich gegen ein sowohl als auch? ich hasse diese ständigen ausschließlichkeitsdebatten, kaum ein mensch lebt in diesen.

Schreiben Sie einen Kommentar zu xo Antworten abbrechen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .