III, 437 – Schon wieder bleibt der Wind aus

Die Luft zirkuliert endlich wieder, streicht über die die nackten Arme und die Stirne sowieso. Denn die Sonne ist hinter die Dächer hinabgesunken, nicht indes hinter den Horizont – was ich am Samstag zu spüren bekam, als ich mit dem Auto zu einer Verabredung zum Abendessen fuhr. Es ging da gegen Westen. Nach gewissen Kurven vorübergehende Blindheit, denn die Sonne stand tiefer als der untere Rand der Sonnenblenden.
Verabredung gegen acht an einem allseits bekannten Ort. Da Er, der eingeladen hatte, weit außerhalb des Ortes wohne, werde er mich von dort mit seinem Motorrad abholen kommen.
Es waren dann noch etliche Kilometer, in denen ich, um ihm folgen zu können, doch zuweilen arg aufs Gaspedal treten mußte. Dahinflitzend in der Dusternis.
Praktisch eine Rückversetzung in meinen Landaufenthalt. Stars peeping one by one. Seit langem wieder das Sternbild des Skorpions gesehen. Der Rest ist nicht so wichtig.
Zwei ältere Herren erzählten aus ihren Leben. — Welcher Jahrgang ich sei. 54. – Oh, meinte er, da sei er ja älter als ich. Er nämlich 53. Woraufhin ich ihm höhnisch Daumen und Zeigefinger hinhielt, mit nur einem kleinen Spalt dazwischen: was für ein klitzekleiner Unterschied.
War überrascht zu hören, daß er dort schon seit dreißig Jahren lebe (derzeit in Gesellschaft von zwei Katzen und zwei Eseln, letztere allerdings sah ich nicht). Er werde demnächst eine Serbin heiraten. Xte Frau. Die aber in Deutschland lebe. Und Wölfe seien dort auch in der Gegend: letzthin wurden dreißig Schafe von ihnen gerissen.
Das war überhaupt seine Eingangserzählung, diese bevorstehende Heirat, als er neulich zu mir kam. Und da er sich bei der Begrüßung gleich vergewissert hatte, daß ich übersetze, fürchtete ich schon, er wolle alle möglichen Urkunden seiner vorhergehenden Ehen übersetzt haben (denn er beschrieb sehr ausführlich den bürokratischen Hintergrund), die notwendig sind, um als ehetauglich zu gelten. Natürlich wunderte ich mich und wandte ein, mir habe es völlig gereicht, einmal verheiratet gewesen zu sein. Er hielt dagegen: Nun ja, man werde älter. Also eine Art Gehstöckchen für alle Fälle. Ähnliche Gedanken führen mich eher zurück in mein Dorf, wo meine beiden Schwestern leben…. Zum Glück kein vorherrschender Gedanke im Moment. – Ab wie neulich angedeutet, er wollte ein Theaterstück übersetzt haben. Daher auch die Einladung zum Essen.
Das wollte ich nun wirklich nicht erzählen, es erzählte sich aber dann doch.

“Ich kann nichts erfinden.”
“Sie erfinden sowieso nicht. E s erfindet s i c h. […]”
ANH, Geliebte Männer, in: Wanderer, S. 486 (ein sehr feministischer Text!).

Hinterher – nanu, kein Windfächeln mehr. Muß mal nachschauen, ob das Schlafzimmerfenster noch offen ist…. ja doch, weit offen, in der Tür tatsächlich ein Luftzug. Es ist eben nicht unbedingt kühl im Moment. Die Stirne ist zu bieten der aus ihr herausquellenden Feuchtigkeit derzeit. Besonders post meridiem.
So hatte auch… achso, das Hinterher…
Nach dem Essen bei ihm gemeinsam zurück zum anfänglichen Treffpunkt (Parco Mattia, Porchiano) zu einem Gläschen (auch sei seine, des Gastgebers Tochter dort), wo er mich mit dem Motorrad abgeholt hatte und wo enorm viele Autos entlang der Straße standen und enorm viele Tische von Menschen umsessen waren, die wahrscheinlich gespeist hatten und vielleicht noch tranken (das sei dort so an jedem Samstag im Sommer), gewiß aber redeten und redeten und redeten. Mein Gastgeber ging gleich zu seiner Tochter (demnächst Abitur-Prüfung), die ebenfalls dort an einem der Tische saß, und ich war überrascht, sie zu kennen: einstige Freundin der Tochter der B&B-Betreiberin gegenüber auf dem Platz. Und ich dachte immer, sie sei die Tochter von… ich traute mich jedoch nicht, die genauen Verhältnisse zu hinterfragen.
Stattdessen saß da irgendwo meine nordniedersächsische Bekannte, die nun auch schon mehr als die Hälfte ihres Lebens in Italien verbracht, wie sie mir gestand. So reichten wir uns die Hände. Sie selber lebt in Rom, der Nachbarort ist ihr und ihres Mannes Wochenendrefugium. – Ebenso am Tisch eine japanische Freundin. Sie heiße Giunco (Binse). Fragte besorgt auf italienisch, ob ich italienisch spräche, da ich gleich auf niedersächsisch losgelegt hatte. Wahrscheinlich Junko (keine Ahnung von japanischen Vornamen)… erinnert mich jetz… daran, das übliche t vergessen zu haben, was mir jetz-t hilft, mich nicht an mehr zu erinnern, als was ich hier erzählen eigentlich nicht wollte.
Schon wieder bleibt der Wind aus.

III, 436 – Sauve-qui-peut

8 thoughts on “III, 437 – Schon wieder bleibt der Wind aus

  1. Aber nein! Allerdings haben und hatten wir einiges miteinander zu tun, etwa den Joyce. – Aber fragen Sie Lampe selbst, etwa in einem Kommentar. Er gibt in seinen Tagebüchern immer wieder offenherzige Hinweise, wer er ist, und wird es, denke ich, auch Ihnen gegenüber nicht verschweigen.

  2. Klar, jeder hat an seinem eigenen Ego genug; andererseits: “Wer bin ich und wenn ja wie viele?”
    Wenn also Bruno Lampe (ein Pseudonym?) nicht Alban Nikolai Herbst (ein Pseudonym) ist, wer ist er dann ? Ein schönes Rätselspiel für mich …

  3. ein pseudonym hilft immer, von dem zu sprechen, der einen anderen namen trägt, den man wohl nomen nennen mag, um als sein omen zu agieren, ohne im unrecht zu tun. aber die lösung ist dennoch sehr simpel, wenn man der joyce-fährte folgt.
    “Ich bin Niemann. Aber Du?
    Bist – Niemann – Auch Du?
    Dann sind wir ja zu Zwot!
    Sag Nichts! sie tratschen – weißt es ja!”
    (Emily Dickinson… https://parallalie.de/20090123/ich-bin-niemann-aber-du-emily-dickinson-5467108/)

  4. Na gut, danke für den Hinweis, jetzt hab ich einen “echten” Namen – haha, Namen sind Schall und Rauch ! Also will ich noch die Person dahinter und ihr Wirken ein wenig enträtseln …

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