„Schminken“ (Entwurf): Die Brüste der Béart XXVI. (Die Brüste der Béart, 35).

(Nach dem englischen Sonett nunmehr eines nach Petrarca:)

Du sitzt vor dieser runden kleinen Scheibe
die sich in einer Gabel kippen läßt,
so daß du halb hinab zu jedem Test
dich anschaun kannst, ob sie dir sagt, nun reibe

ein wenig hier noch, pudre dort und bleibe
am Schwung der feinen Brauen, den du fest
markierst, bevor du mit dem Schwamm den Rest
der Farbe auf die Lider tupfst: Betreibe

die Macht der Schatten mit, die übers Licht
seit je gebieten, wenn’s auch deinen Blicken
von selbst nicht am perfiden Glanz gebricht,

der mir, dem Mann, nicht nur, Béart, Entzücken
verheißt, vielmehr auch meine Not verflicht
mit deiner Macht der hoch diskreten Tücken.

______________________
[Petrarca-Sonett (zwei Quartett und zwei Terzette):
Endecasillabo mit Schema abba | abba | cdc | dcd,
nämlich:

-/-/-/-/-/- -/-/-/-/-/- -/-/-/-/-/  -/-/-/-/-/-
-/-/-/-/-/ -/-/-/-/-/ -/-/-/-/-/- -/-/-/-/-/
-/-/-/-/-/- -/-/-/-/-/ -/-/-/-/-/ -/-/-/-/-/-
-/-/-/-/-/ -/-/ -/-/-/-

]

>>>> Béart 35
Béart 34 <<<<

16 thoughts on “„Schminken“ (Entwurf): Die Brüste der Béart XXVI. (Die Brüste der Béart, 35).

  1. @Franz Summer: s e h r schöne Assoziation!

    (Zufrieden bin ich noch nicht mit dem „hoch diskreten“ des letzten Verses. Der Ausdruck ist nahe an dem, was ich einfangen möchte, aber deckt es noch nicht. Es ist dies aber „normal“; Gedichte brauchen Zeit, sie denken sich in einem oder einer weiter.)

    1. „mit deiner Macht der geheimen Tücken“

      würde ich als „Laiendichter“ sagen 🙂 , der „geheimnisvollen Tücken“ ist wahrscheinlich zu lang, passt aber zur Faszination des Weiblichen, auch bei einer Katze, bei mir zu Hause das geheimnisvollste Wesen, das man sich nur ausdenken kann… na schönen Abend und viel Vergnügen beim Dichten

  2. @Franz Summer: Leider bräche Ihr Vorschlag das Versmaß, das ich ja unbedingt streng einhalten will. Siehe unten in meinem Beitrag das Schema. Genau deshalb ist die Suche so diffizil: Sie muß das Schema erfüllen u n d genau den Punkt treffen.

    (Bei Ihnen: – / – / – – / – / – [ist dann auch weder ein Endecasillabo noch ein Fünfheber mehr]
    Verlangt: – / – / – / – / – / -)

  3. ja, vielen Dank, dass sie es geprüft haben, Sie finden sicherlich noch eine Lösung, die alles streng einhält.
    Allerdings muss ich immer an jemanden denken, der mal sagte, „Vorschriften muss man kennen, um dann zu wissen, warum man sie bricht.“
    Ich sage aber nicht, wer das war 🙂
    Viel Glück bei dem Werk mit dem Wunsch, dass es gelingt.

  4. @Franz Summer, „wissen, warum man sie bricht“: Einverstanden, aber erst dann, wenn die Form tatsächlich im Traum beherrscht wird, wir sie verinnerlicht haben, doch nicht, wenn man erst beginnt, sie zu erkunden. Das eine ist Meisterschaft, das andere Beliebigkeit. Um es s o zu sagen: Für den Laien ist es leicht, eine Form zu brechen, für den mit ihr Vertrauten aber nicht, denn dieser weiß sehr viel mehr über sie als jener; er bricht dann, wenn etwas dadurch erreicht werden kann, das über sie wirklich hinausgeht. Bei einem Sonett ist das extrem schwer. (Es gibt beklemmend schöne Beispiele, nur wäre an dieser Stelle ein poetologischer Exkurs zu weitführend.)

    1. ja, einverstanden. Wenn man in einer solchen starren Form die genau passenden Worte findet, ist es Meisterschaft. Wenn man nur die Form einhalten möchte, wird es mitunter so wie Scrabble spielen. Ich habe ja an Lyrik nicht so das Interesse, aber in der Prosa hatte ich in jungen Jahren einen guten Lektor, der mir mal mitgab „Sprachkunst ist auch Wortkunst“. Also an diesem Beispiel geht in meinem Verständnis das Wort „diskret“ gar nicht, auch noch „hoch“ diskret, wo ich das Gefühl habe, das ist nur eingeschoben wegen der Silbenzahl, übrigens in dem anderen Gedicht die Wortkombination „süß Still“, dann verliere ich schnell den Genuss an strengem Einhalten von Regeln, Silbenzahlen und Hebungen und Senkungen, so was eben, das muss (in meinem Verständnis) dann schon sehr mühelos daher kommen.
      Bei Strittmatter sagte mir mal ein Freund, er schrieb immer so und man bemerkte sein Schwitzen bei dem Suchen nach den richtigen Worten.
      Das geht gar nicht. Das ist nicht Literatur, sondern so eine Art Kärtnerarbeit.
      Natürlich möchte ich sie jedoch nicht mit Strittmatter vergleichen.
      Verzeihen Sie meine Entgegnung. Eigentlich wollte ich doch nur von meiner Katze schreiben, aber Sie stellten da eine Frage.
      Wie gesagt, am Ende viel Glück für das Gelingen in Ihrem Sinne.

  5. @Franz Summer: Ja, das „diskret“ ist ein Platzhalter. Aber genau das schrieb ich ja schon in meinem ersten Kommentar, daß ich mich mit dem „hoch diskret“ nicht wohl fühle. Darum scheibe ich hinter viele dieser Arbeitsproben, gerade der Lyrik, das Wort Entwurf. Die endgültige Form ist später in den Büchern zu finden. Es ist aber das „hoch“ in diesem Fall, indessen „diskret“ sehr stimmt.
    Das von Ihnen geschilderte Problem hatte u.a. auch Voß bei den Übertragungen der Homer-Epen.
    Anders geht es mir mit dem „im stillen Süß des Raums“; d a nun finde ich das „Süß“ ausgesprochen angemessen und treffend, weil „die Süße“ etwas verschoben-anderes meinen würde und somit nicht stimmte. Dennoch, auch hier bleibt es erst einmal Entwurf.

    Ich mag Ihren genauen Blick und Ihr Gespür, Danke dafür. Dennoch, zur „Kärtnerarbeit“: Dichtung ist s o etwas, vergleichen Sie es mit dem Tanzen. Was oft so berückend leichtfüßig wirkt, und schwebend, verdankt sich blutender Füße. Die großen Tänzerinnen und Tämzer gingen alle bis an die Grenzen ihrer Physis. In der Dichtung ist dies nicht anders, fast nicht anders – „nur“ daß es hier an die Grenzen der Psyche geht. Aber auch davon sollten die Leserinnen und Leser schließlich nichts mehr merken.
    Übrigens gilt dies für Lyrik und Prosa.

  6. stimmt alles.
    Danke, dass Sie es mir nicht krumm nehmen. Ich weiß schon, warum ich lieber Hobbyautor bin, als ein Profi. Der erwähnte Lektor, der ja sogar der Lektor Stefan Heyms war, ist an meinem Leichtnehmen fast verzweifelt. Ich mag keine blutigen Füße und den Ruf eines Genies fühlte ich nie in mir.
    Ein Cheflektor diskutierte zwei Stunden lang mit mir und bescheinigte mir immerhin, dass in seinem langen Leben als Cheflektor der erste und einzige bin, der einfach einen Vertrag nicht unterschreibt, weil er gar kein Autor werden möchte. Dann lebte ich zwei Jahre ungestört, sie hatten aber wohl Bange, dass ich wie so viele andere im Westen einen Erfolg suche. Nichts war mir fremder als das.
    Und auf einmal erhielt ich ein Telegramm von einer Redakteurin einer Zeitschrift, das geht nicht, dass ich für die Schublade schreibe, sie hatte zwei Geschichten veröffentlicht gehabt. Und sie vermittelte mir den Kontakt mit besagtem Lektor.
    Nach der Wende las ich einen Artikel von Klaus Schlesinger, der offenbarte aus seinen Akten, dass diese Redakteurin im Auftrage der Stasi junge Autoren im Schriftstellerverband betreute und dieser Lektor war auch jemand der für die Stasi tätig war. Er verabschiedete sich nach dem Mauerfall, „das hat jetzt alles sowieso keinen Sinn mehr und keine Zukunft.“
    Mich hat meine Null-Bock-Haltung auf Erfolg haben wollen vor das alles bewahrt, was andere erleiden mussten, viele sind ja in ein tiefes Loch gefallen.
    Und mir hat diese Haltung, die schon 1970 dazu führte, dass ich ein Lehrerstudium nach zwei Jahren beendete mit der Begründung, ich kann den Kindern nicht etwas erzählen, woran ich selbst nicht glaube, ein schöne freies Leben in diesem Land gestattet.
    So zum Beispiel als Hilfsarbeiter im Zirkus…
    Sudienverbote für alle Fächer, das mich gar nicht juckte, drei Jahre Berlinverbot, das schon eher, und überraschend nach der Wende fanden sich Nachweise, die mir den Titel anerkannter Verfolgter des DDR-Unrechtsstaates einbrachte und zum Segen nach langer Krankheit eine Rente, die sich wahrscheinlich mancher Autor wünscht… entschuldigen Sie die Länge meines Berichtes, aber so wissen Sie Bescheid, wenn ich mal wieder kommentieren sollte, das ist ein ziemlicher Querulant geblieben bis heute eigentlich.
    Ist so. Und ich meine es ja nicht böse, das wissen Sie.

  7. Lieber Franz Summer, im Gegenteil! Ich finde es großartig, daß Sie und was Sie erzählen. Sie geben Der Dschungel eine bereichernde Stimme, gerade weil ich offen bleiben will, auch und gerade im Werk, und es liegt mir fern, mich über „Hobby“autorinnen und -autoren zu erheben. Wir haben einfach verschiedene Hinsichten, Werte, auch Besessenheiten, die aber eben für andere Ansätze nicht blind machen sollten. Ich muß sofort an den Ratschlag Ravels denken, der, als ihn Gershwin um Unterricht bat, dies schlichtweg mit den Worten ablehnte: „Bleiben Sie bei dem, was Sie sind, und bauen es aus.“ Und denken Sie daran, daß auch Janáček und Ives Autodidakten waren, die schließlich ganz eigene Formen entwickelten.
    (Über das „hoch diskret“ werde ich gewiß nachher während der Zugfahrt nach Frankfurtmain weiter nachdenken. Aber manchmal muß man nur warten, wie bei >>>> diesem Gedicht. Fast zwei Jahre lang hatte ich nichts als die Anfangszeile auf dem Desktop, wuße, das würde etwas werden, aber nicht, was – und eines Tages schrieb ich das Ding in einem Zug zuende. Man kann sagen, es habe sich in mir fertggedacht.)

  8. jetzt habe ich Spaß daran, kann gern gelöscht werden, na schönen Sonntag noch

    Du sitzt vor dieser runden kleinen Scheibe
    die sich in einer Gabel kippen läßt,
    so daß du halb hinab zu jedem Test
    dich anschaun kannst, ob sie dir sagt, nun reibe
    ein wenig hier noch, pudre dort und bleibe
    am Schwung der feinen Brauen, den du fest
    markierst, bevor du mit dem Schwamm den Rest
    der Farbe auf die Lider tupfst: Betreibe
    die Kraft der Schatten mit, die übers Licht
    seit je gebieten, wenn’s auch deinen Blicken
    von selbst nicht am perfiden Glanz gebricht,
    der mir, dem Mann, nicht nur, Béart, Entzücken
    verheißt, vielmehr auch meine Not verflicht
    mit deiner Macht der tief versteckten Tücken.

    (am meisten gefällt mir, dass es sich wie Prosa lesen lässt)

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