Ein dritter Punkt ergibt sich m.E. aus der Anatomie des Körpers selbst. Unabhängig von allen politischen Debatten über Hetero- und Homosexualität müssen wir anerkennen, dass ,,unser aller Leib und Leben die mehr oder weniger glückliche Folge mehr oder weniger geglückter sexueller Beziehungen” ist, ,,zwischen zwei Menschen unterschiedlichen Geschlechts – ob uns das gefällt oder nicht” (→ Green 1998, 1187). Im geschlechtlichen Körper ist also über eine Kette von Verweisen (Genitalien – Gezeugt- und Geborensein – Sterbenmüssen) die allem Lebendigen eigene Verbindung von Tod und Leben angezeigt (was geboren ist, muss sterben, und jeder Anfang ist der Anfang eines Endes). Und außerdem müssen je zwei Verschiedene den Anfang gebildet haben, eine Mutter und ein Vater, und insofern verweist der geschlechtliche Körper auch und zugleich immer darauf, dass er für seine Fortsetzung in die Zeit eines Anderen bedarf und selber nur den einen möglichen Platz von zwei nötigen bei der Fortsetzung der Kette von Geburten und Toden einnehmen kann. Das ist ganz unabhängig davon, ob jemand tatsächlich Kinder in die Welt setzen will oder ob jemand eine heterosexuelle genitale Sexualität praktiziert. Der Verweis auf den Anderen des anderen Geschlechts ist dem Körper sozusagen eingeschrieben als etwas fundamental Anderes, was wir niemals sein (oder haben) können und was doch aufs Engste mit unserer eigenen Existenz zusammengehört.
Barbara Rendtorff, → Erziehung und Geschlecht, Stuttgart 2006: