[Arbeitswohnung, 12.18 Uhr
Mozart, Mithridates]
So sehr ich diesen Tag auch vorausgefürchtet hatte, dieses „Gestern“ also, so teils beseelend wurde er dann doch. Zwar haute die (vorhersehbare – es ist überhaupt nicht schön, immer recht zu haben) Absage Rainer Moritzens mir erstmal einen vor den Latz, daß er im Literaturhaus Hamburg für eine Vorstellung meiner Erzählbände keinen zeitlichen, sozusagen, Raum habe (meine Freundin Nora Gomringer lädt er hingegen bis zu dreimal im Jahr ein, was ich ihr von Herzen gönne, aber einiges über, sagen wir, Vorlieben sagt). Doch da ich auf sein Nein ja gefaßt war, blieb der Schlag vom zähen Leder meines Latzes recht gut abgefangen. Zumal fast noch in derselben Minute die Nachricht von der Lindenoper kam, es liege nun tatsächlich eine Pressekarte zur Premiere → des neuen, von André Heller inszenierten Rosenkavaliers für mich bereit, so daß mir das Haus, ohne es zu wissen, das wohl beseelendste Geburtstagsgeschenk des Tages gab – neben einem Geschenk लक्ष्मीs, über das ich Ihnen, Freundin, öffentlich aber nichts schreiben möchte. (Gewiß indes werd ich es Ihnen entre nous erzählen).
Ja und d a n n! nachmittags: Samuel Hamens Rezension (der entgegen ich ebenfalls bangte) meiner beiden → Septime-Erzählbände. Doch → hören Sie (Podcast) selbst. (Als Text ist die Kritik → dort zu lesen). Besser (und gerechter) konnte es eigentlich nicht laufen. Und daß ich für meine „Gender“-Position ein paar Klöpferchen auf den Hinterkopf abbekommen würde, damit war nun eh zu rechnen. Wobei mich diesbezüglich eigentlich nur Hamens Wort „schwerfällig“ etwas nervt:
Es verhindert aber nicht, dass diese Weise des Schauens, Genießens und Schreibens mehr und mehr aus der Zeit fällt. Sie wirkt schwerfällig, verteidigt zugleich voller Stolz eben diese Schwerfälligkeit als exquisiten Zugang zum Sinnlichen. Aber im Diskurs rund um sexuelle Repräsentation und die Symbolisierung von Geschlechterverhältnissen hat sich nun einmal ein Atmosphärenwechsel ereignet.
Ich hätte statt dessen „kompromißlos“, sogar „halsstarrig“ vorgezogen, meinethalben auch „uneinsichtig“. Aber daß sich ein „Atmosphärenwechsel“ vollzogen habe, ist zwar auch meinerseits unstrittig, sagt aber noch nicht, daß man sich ihm unterordnen müsse oder gar mitzulaufen habe. Bekanntlich halte ich an ihm vieles für grundsätzlich falsch und auch politisch gefährlich. Weshalb, habe ich in meinem Aufsatz zur „anthrologischen Kehre“ schon vor Jahren ausgeführt. Und daß ich in meinen Erzählungen Frauengestalten sexualisiere — ja, tu ich —, liegt schlichtweg daran, daß sie als Frauen sexuelle Geschöpf sind — wie, ob es uns gefällt oder nicht, wir alle. Daß nicht jede Person auf jede andere eine erotische Ausstrahlung hat, mag allenfalls, nun jà, zu bedauern sein oder auch ein Glück; aber diese → „Ungerechtigkeit“ gehört zu den pheromonal gesteuerten Phänomenen unserer Existenz. Darüber zu schweigen oder es gar zu verleugnen (beziehungsweise nicht mehr drüber sprechen, geschweige denn zeigen und also eingestehen zu dürfen), führt in jedem Fall nicht nur zu doppelter, nämlich in sich selbst widersprüchlicher „Moral“, sondern ins Unglück.
Doch sei es drum, Hamens literarische Kritik konnte für die beiden Bücher besser nicht aussehn, und ich bin froh, daß er so genau gelesen und eben auch formuliert hat, wie intensiv und, formal, auf welche Weise die Umwälzungen in meine Arbeiten eingegangen sind, die die technische Revolution seit über dreißig Jahren für unsere Anthropologie bedeutet — und daß ich im deutschen Sprachraum eben, Stichwort „Pionier“, zu den allerersten Romanciers gehör(t)e, die dies begriffen und künstlerisch gestaltet haben. Ebenso freue ich mich darüber, wie genau er meine Angriffe auf Uneigentlichkeit nachvollzogen hat und darstellt.
Kritiken wie diese sind de facto selten. Deshalb wirklich großen Dank, lieber Samuel Hamen.
So war ich dann doch, wo ein nächster grauer Schub hätte vorausbefürchtet werden müssen, plötzlich in lebhaftem Schwung. Dazu kam ein herrlicher Strauß aus Rosen, Mohn und Strilitzien meiner Contessa,
den ein Bote schon frühnachmittags brachte. Und wiewohl ich ja eigentlich abhauen wollte, nach Neapel – wo mich ein Freund erwartet hätte – oder Sizilien, was ich indes dann nicht, ja, durfte (aber momentan auch finanziell nicht gekonnt hätte), und mir nach allem anderen denn nach Feiern war, rollte abends die Familie ein. Was seit dem Vortag klar war. Nur hatte लक्ष्मी ohne mein Wissen herumtelefoniert und neben ihrer besten Freundin und einem Freund auch → Schlinkert „überredet“, abends bei mir einzulaufen. Ich war komplett überrascht, aber, da der Tag so nett zu mir gewesen, auf eine beglückte Weise, den ich im übrigen fast vollständig mit einer Musik verbracht hatte, die schon mein → neunzehntes Nabokovlesen abschloß: ausgerechnet ich mit Mozart, mit seiner, ich muß sagen, einfach hinreißenden Così fan tutte, die jetzt abermals in der atemberaubend remasterten Karajan-Aufnahme von 1954 läuft und deren nicht nur Mastering überwältigend ist.
James Levines von mir „zwischendurch“ angehörte, technisch perfekte Stereo,na sowieso,-Studioeinspielung mit der mich eigentlich alle Distanz verlieren lassenden Kiri te Kanawa sowie mit auch noch Thomas Hampson fällt gegen die nicht nur klangliche, sondern auch interpretierende Energie Karajans und seiner Sängerinnen (Elisabeth Schwarzkopf!) und Sänger schmerzhaft spürbar ab, und auch meine anderen Aufnahmen halten in keiner Weise mit. Dabei kann ich Karajan eigentlich gar nicht leiden, er ist mir überdies politisch suspekt. Dennoch, immer wieder, obwohl ich sein Vorgehen (etwa im Falle der blutjungen Hildegard Behrens — bezeichnend, daß mir → ihr Tod entging —, die er kalt sich da ihre Stimme für eine allerdings nie wieder, meiner Kenntnis nach, eingeholte Salome ruinieren ließ) oft nicht gutheiße, gibt es immer und immer wieder Einspielungen von ihm, die mich komplett umwerfen, auch wenn jemand wie er und ich einander im Leben höchstwahrscheinlich spinnefeind gewesen wären.
Wie auch immer, die Familie war hier und wir aßen, plauderten und tranken vom herrlichen, mir von → Le Vi Arte hergesandten 2012-er Nobile de Montepulciano, in Flaschen in der dortigen Fattoria Talosa gefüllt, den, wie mir Simone Langer schrieb, ich erzählte es schon, „die Menschen so wenig verstehen wie Deine Bücher“; dazu liefen erst → Ramirers Ricercar-a-tre-Variationen, dann die vorher zusammengestellte Playlist aus Jarretts der letzten dreißig Jahre, was wiederum, als sein Concerto a Napoli von 1996 erklang, mich dazu brachte, das zu diesem und für meinen Vater entstandene Gedicht vorzulesen. लक्ष्मीs Freundin Sarah hat es aufgenommen; ich werde den kleinen Clip in den nächsten Tagen gesondert einstellen. Als alle dann kurz vor Mitternacht aufgebrochen waren, saßen mein Sohn und ich – er einen Joint, ich meine Cigarillos rauchend – noch anderthalb Stunden hier und sprachen. Als auch er ging, um sich seinen nachtschwärmenden Freunden zu treffen, warf ich mich, ohne für irgendeine Ordnung zu sorgen, geschweige denn den Abwasch zu erledigen, auf mein Lager und wachte heute früh erst um halb neun auf. Da war vor dem ersten Latte macchiato dann doch erst mal tüchtig was zu wirbeln. Und so „richtig“ zu arbeiten, dazu kam ich auch bislang noch nicht. In jedem Fall sollte ich mich mal, das ist noch immer nicht geschehen, aus den Morgenarbeitsklamotten schälen und angemessen — kleiden.
Ihr, Ersehnte,
ANH
Wie vorhersehbar auch dieser Kommentar.
@Rainer Moritz: Er war nötig. Ich gehöre nicht zu den feigen Männern dieser Erde. Oder bemühe mich doch sehr darum. Es ist nur ein Jammer für einen Verlag, wieder einmal auf eigene Kosten für mich Bücher versendet zu haben, der ich ja eh im Betrieb meistens auf Ablehnung stoße, unerachtet dessen, was vorliegt – und bei Dir, der Du unterdessen zu den allerwichtigsten Multiplikatoren des deutschsprachigen Literaturbetriebs zählst, seit bereit über einem Jahrzehnt, muß ich mich äußern (es geht halt in die Literarhistorie ein). Zwar könnte ein Autor nun den Schluß ziehen, halt lieber die Klappe, du schadest Dir nur selbst. Mir allerdings ist dies widerlich, a u ch, weil ich schon aus familiären Herkunftsgründen so etwas nicht leisten will. Ein Ribbentrop hat Konsequenzen aus dem Verhalten seiner Ahnen zu ziehen. Das ist eine historische Pflicht. Und also schweige ich bei Unrecht nicht. Nicht bei dem, das anderen geschieht, und auch nicht bei dem meinen. Egal, welche Folgen diese meine Haltung mit sich bringt.
Es ist aber so mutig wie selten, daß Du hier Dich öffentlich direkt meldest. Dafür hast Du meine Achtung.
wer is nochma rainer moritz? und, alban, komm mal runter, ignore the ignorant und für deinen rippentropf interessiert sich ehrlich gesagt auch niemand, aber ein hoch auf samtleben im literaturhaus, ansonsten, hamburg, komm mal aus der hüfte, die ham.lit bringt einmal im jahr noch literarischen schwung in die bude, als re-import aus berlin, das wars dann auch. ich hab 5,5 jahre hamburg literarisch mehr ausgesessen, als auch nur ansatzweise cool finden können, ich musste da weg, sonst würde ich da heute noch vor mich hingammeln, ganz in der nähe des literaturhauses, das null notiz von mir oder solchen tollen dichtern wie nicolai kobus oder simone kornappel nahm (alle – ne zeit lang oder sogar bis heute – vor ort, kobus mal anrufen, ihn mal was kuratieren lassen z b!) und lyrik für ne besondere vorm der abseitsregel hält, but who cares, sollen sie ihren buddy politycki zum 200ten mal bringen, wegen mir. literaturhäuser müssen sich eh mal was überlegen, da muss mal ne vision her, neben bücher vorstellen und seinen eigenen musikgeschmack unters volk bringen. aber, macht halt, aus hamburg bin ich lange weg, schade, dass die stadt einfach nicht aus dem quark kommt in sachen literatur, allerdings, an der uni tut sich was. das kann ich nur empfehlen. literatur hole ich mir schon lange nicht mehr in literaturhäusern ab. https://www.imaginarien-der-kraft.uni-hamburg.de/
fand grad dies bei parallalie wieder: https://parallalie.de/20060207/illustres-zum-siebten-februar-1528342/
wiederkehr war geplant, ging aber noch gründlicher schief, HH und ich, das wird einfach nix mehr, aber das hat heine ja auch schon gewusst. schöne stadt, die in schönheit vor langeweile vergeht, wie cool dagegen sao paulo, berlin, los angeles. aber, egal, schöne und kluge besprechung, mag ’schwerfällig‘ auch wirklich nicht so gut hinhauen, aber den wie auch immer näher zu bezeichnenden zugang zum sinnlichen, der bleibt schon speziell. muss man mögen, hätte man vielleicht früher dazu gesagt, das ist halt schon ein sehr besonderer geschmack. klar musst du nicht davon lassen, du musst dann aber schon akzeptieren, dass die anzahl der menschen, auf die es auch noch einen größeren reiz ausübt, eher gering sein dürfte und dass nicht jede frau gleich hurra denkt, wenn sie so bedichtet wird. in my funny valentine fühle ich mich immer noch besser getroffen z b. kleines lied, große wirkung. dennoch, glückwunsch und gute verkäufe! man kocht sich ja auch nicht ständig schwalbennester, liest aber vielleicht doch interessiert von ihrer zubereitung und, was schlimmer ist, von ihrer plünderung.
Lacht herzlich. Frauen und Männer, Xo, das war für mich seit je ein nicht mal abstraktes Problem. Es gibt auch gar nicht „die“ Frau, sondern sehr viel verschiedene Frauen mit offensichtlich sehr verschiedenen Begierden. Und einige davon sollen derzeit – fast mehr noch als „die“ Männer – unterdrückt werden. Ja, unterdrückt und mundtot gemacht, obwohl sie – auch wahrscheinlich übler patriarchaler Erfahrung wegen – ohnedies den Mund besser nicht öffnen (oder nur im geheimen, vertrauten – wie heute wieder mir geschehen).
Also, wie meine geliebte Omi sagte: „Es gibt sonne wecke und sonne wecke, und sonne wecke gibt es auch.“ Manche stehen auf „harte“ Männer, manche auf Weicheier, viele auf etwas dazwischen und je von Zeit und Befindlichkeit. Und einige wollen im erotischen Spiel geführt werden, wollen devot sein, ja brauchen es, um in die Ekstase zu kommnen, dieses grandiose Übersichhinaus, andere nicht. (Es gibt auch Männer, nicht wenige, mit devoten Begehren. Der gesamte „neu“zeitliche Manichäismus ist schlichtweg falsch.)
Aber darum geht es hier nicht, sondern um, bezüglich „Gender“, politische Machtideologie. Ebenso wenig stimme ich in die Hamburgschelte ein. Moritz macht ein ziemlich gutes Programm (weshalb es mir so wichtig war/ist, mit hineinzukommen), auch wenn ich einiges an seiner ästhetischen Ausrichtung problematisch und letztlich nicht modern finde, aber eben nur einiges. Und daß er sich hier in Der Dschungel selbst äußert, ist in der Tat nicht nur achtbar, sondern auch mutig. Das läßt sich mit einem rhetorisch-suggestiven „wer is nochma rainer moritz?“ nicht abtun, sondern solch ein Satz gehört in denselben unangenehm machtwollenden Komplex, dem ich seit langem den Kampf angesagt habe. Wirkliche Gegner, wenn sie Stil haben, schätzen einander.
ich muss mir nicht alles und alle zu gegner*innen machen, keinen kopp für. ich kämpfe nicht. literaturhäuser sind mir egal, aus dem einfachen grund, ihnen bin auch ich egal. ich renne auch in der liebe keinem hinterher, dem ich egal bin, hat null zweck. wieso sollte ich also kämpfen, dort hinein zu kommen? für mich gibts halt andere orte, wenn sie keinen bock auf lyrik haben und keine kohle, sollen sie es lassen. insofern, keine macht für niemand in dem spiel. mit dem wort ’schätzen‘ kann ich ebenso wenig anfangen und ’stil‘ da muss ich an irgendwas mit chesterfieldsofa denken und dass es nicht mein bevorzugtes design ist. die welt unterscheidet sich für mich nicht in devote und dominante, nirgends, so betrachte ich sie gar nicht. wenn ich ein duales system aufmachen wollte, dann ist es allerhöchstens eins, wo ich sagen würde, es gibt eine riiiiiiiiiesen kluft zwischen dem, was menschen von sich behaupten, wer sie seien und wie sie sich inszenieren und dem, wie sie, lernt man sie kennen, sind. oder, noch anders, ich sehe diese kluft zwischen schreiben und handeln bei autor*innen immer ganz eklatant und bin keine anhängerin davon, zu denken, alles sei eins. und ich wünsche einfach auf menschen zu treffen, die nicht in diesem devot/dominant loop hängen, sondern solche, die damit gar nix am hut haben, ich käme mir sonst schlichtweg vor, als müssten wir gleich ein theaterstück aufführen und ich wüßte gar nicht, was meine rolle dabei sei, sex war und ist mal etwas sehr einfaches für mich gewesen, dann kamen andere und erzählten mir, alles sei so schrecklich kompliziert. dabei gilt eigentlich immer und überall: spaß macht, was spaß macht. alte hamburger weisheit: auf is, wenn auf is, da ist, was da ist. und wenns keinen spaß macht, lassen, einfach lassen.
Aber Xo, es geht doch nicht um einen devot/dominant-„Loop“, sondern darum, daß auch dieses Lustarten sind, zu denen ich im übrigen analysierend einiges geschrieben habe, und darum, daß eine Sexualität, die mich interessiert, mit „Spaß haben“ nun wirklich nichts zu tun hat; Spaß habe ich beim Kartenspielen. Sondern um den Moment geht es mir (es kann ein sehr langer Moment sein), in dem erotische Lust – darin eigentich nur noch guter Musik ähnlich – die Ichs momenthaft ineinander auflöst, Sexualität also transzendent wird und ihre religiöse Dimension nicht nur spürbar wird, sondern uns überwältigend quasi hinwegfegt – was nicht wundernehmen muß, weil hier der Ursprung allen Lebens liegt. Ich habe dies immer, fast instinktiv, als verwandt mit dem erlebt, was Walter Benjamin zur Wahrheit schrieb: Sie schieße auf und sei schon fort. Deshalb dann auch post coitem omne animal triste. (Wie oft haben Frauen, die ich liebte, nach der erfüllten Vereinigung – geweint. Genau das ist es, was ich in Literatur oft zu erfassen versuche, sogar rhythmisch, quasi, nachzustellen. Also mit „Spaß“ hat das im Wortsinn unheimlich wenig zu tun.)
Aber zu Hamburg noch mal, das wird Dir wohl tatsächlich (und soll es auch) Spaß machen:
“ … die mehr oder weniger berühmte Stadt Hamburg bekommt von diesem Mann namens Schuldt in einem schön gemachten und höchst eigensinnigen Buch bescheinigt, dass sie Krähwinkel sei. Mit anderen Worten: ein Nest.“.
Gelesen, zu einem neuen Buch Schuldts, gerade >>>> dort.
ich finde, tinderst du eigentlich? das musst du, wenn, reinschreiben, oder schreibt man da nix rein: „Wie oft haben Frauen, die ich liebte, nach der erfüllten Vereinigung – geweint.“ ich würde mir ja an deiner stelle sorgen machen, wenn ne frau weint nach sex mit dir, aber, gut, ich nehms mal so hin und denk mir meinen teil. der ursprung allen lebens, bei allem, was ich weiß, bedarf nicht der völligen entgrenzung, manche wurd schon nach weniger entgrenzung schwanger. und wenn ich auf entgrenzung aus bin, dann, das kommt ja noch dazu, würde ich sie bei niemandem suchen, der mir ständig reinreicht, bei mir, bei mir, meine damen, können sie das kriegen, nur bei mir. da prüf ich doch noch mal das angebot und gebe mich ganz hanseatisch und denke, der, der am wenigsten klappern muss, der hat vermutlich auch die beste ware. wozu kann ich schließlich dialektik. der der mir sagt, ich bin so scheiße im bett, das kannst du dir gar nicht vorstellen, dem traue ich viel mehr zu, als all denen, die das gegenteil behaupten.
Aber Xo, ich „reiche das“ niemandem „rein“, sondern erzähle aus Erfahrungen, beschreibe und dichte nach, was mich leblang immer wieder zutiefst – und eben wundervoll – er- und durchschütterte. Das hat mit „reinreichen“ überhaupt nichts zu tun. Was also soll dieser Blödsinn?
Und noch eines, à propos oben: wieso sollte ich also kämpfen, dort hinein zu kommen? für mich gibts halt andere orte, wenn sie keinen bock auf lyrik haben und keine kohle, sollen sie es lassen. Das ist nun ausgesprochen wohlfeil geschrieben, wenn man (frau) einen Partner hat, der eine(n) – als noch keine, wie jetzt, sehr angemessene, weil sich auch ökonomisch auswirkende Anerkennung da war – über Jahre hin finanzierte. Ich hatte dergleichen in meinem Leben nie. Also bin ich „rein“ existentiell auf Lesungen und dergleichen angewiesen, die im übrigen ja nicht aus der eigenen Tasche der Frauen und Herren Moritz bezahlt werden, sondern vermittels Geldern der Öffentlichen Hand. Würden sie, wie bei Mäzeninnen und Mäzenen, tatsächlich unter eigenem Risiko bezahlt, ich sagte nicht ein einziges Wort des Protests. Und ich sage auch nichts, wenn ich ein paarmal nicht berücksichtigt werde, also mein Werk nicht berücksichtigt wird. Doch wenn das über anderthalb Jahrzehnte so geht, dann wird es schon mal Zeit, die Stimme zu erheben. (Meine letzte Lesung im Hamburger Literaturhaus hatte ich, bevor Rainer Moritz dort Leiter wurde; danach niemals wieder, d.h.seit 2005. Schätzungsweise wurde ich wegen >>>> Meere auf Lebenszeit gesperrt. Nichts, was danach von mir erschien, spielte noch irgendeine Rolle, nicht die nun wirklich zarten >>>> Bamberger Elegien, nicht der, mit >>>> Argo, Abschluß der riesigen Anderswelttrologie, nicht einmal das, obwohl in einem berühmten Hamburger Verlagshaus erschienen, >>>> Traumschiff. Die Gedichtbände danach ebenso wenig und jetzt nicht die Ausgabe meiner fünfzig Jahre umspannenden >>>> Erzählungen. Alle diese Bücher wurden für Veranstaltungen dem Hamburger Literaturhaus angeboten.)
ich habe immer dazu verdient und wir haben uns zu einer zeit kenngelernt, da hatten beide – über 11 jahre hinweg – getrennte konten und ich hatte zu studienzeiten die besser bezahlten jobs. wenn ich mit meiner kunst keinen cent verdienen würde, suchte ich mir was anderes, auch diese beziehung leidet, wenn einer vom anderen finanziell völlig abhängig wäre, auch diese beziehung besteht nicht aus einem gönnerhaften gefälle, sie ist gewachsen, der m hat etwas davon, dass ich zu seinen ferienzeiten z b nicht sagen muss, so, ich muss dann mal arbeiten und er kann es abfedern, ja, aber auch das hat seinen preis, einen verantwortungsvollen job haben, einen, den ich in sao paulo auch mit ner menge lostness bezahlt habe, da gab es kein wochenende, keine ferien (20 tage weniger als in deutschland zudem) wo nicht permanent traffic auf dem handy war. als wir gerade zurück in deutschland waren, schaute er auf sein handy am wochenende und sagte, ich glaubs nicht, hier halten sich menschen an arbeitsfreie zeiten… zudem haben wir einen deal, ich schulde uns noch den bestseller und das irre, er glaubt dran. ich sage doch gar nicht, scheiß aufs geld verdienen, ich sage nur, manchmal verdient man es eher ganz wo anders, als da, wo man meint, dass man es verdienen müsste, wenn ich von literaturhäusern hätte leben müssen, ich hätte so gut wie nix verdient, darum kratze ich an deren türen auch gar nicht, zwecklos, selbst hauke in ffm, dem ich die origins antrug, auszustellen. die kennen ihr publikum, die wissen, die verlage zahlen die veranstaltung mit oder ganz und so bestreiten sie ihr programm, wenn dann ein verlag nicht zubuttern kann, ist man raus aus dem spiel, ich betrachte das ganz leidenschaftslos. so wie die zeitungen auch anzeigenkunden haben und verlage, die anzeigen schalten können und solche, die es nicht können. daraus ergibt sich was.
und du hattest im literaturhaus berlin einen ganzen tag zu deinem werk, das lcb lädt dich ein, das nichts eine rolle spielte, stimmt nicht. es spielt einfach nicht das ein, was es einspielen müsste, aber bei wem tut es das schon. darum plädiere ich ja für politische entscheidungen, unabhängig von einzelnen institutionen und preisen, die unter unserem ansinnen nur ächzen können, weil sie das nie werden auffangen können, woran es bei sehr vielen von uns und grundsätzlich mangelt. ich bin gegen den sich ausschließenden wettbewerb und stetigen kampf dabei. du bist weiterhin für ihn, im falle, dass du gewinnst. ich sehe mich selbst als gewinnerin eher kritisch. das unterscheidet uns dabei. ich sehe nur verlierer, letztlich, so wie alles aufgestellt ist, können wir nicht gewinnen, keiner. da können wir uns untereinander noch zerfleischen und andere freuts. brot und spiele.
und, zudem, das als rein mäzenatisches verhältnis zu begreifen, verkennt auch meinen anteil, als treusorgende ehefrau… ich halte den laden auch mal zusammen, wenn er zusammengehalten werden muss, ich sorge auch dafür, dass wir härtere zeiten überstehen, auf andere art und weise, als geld ranzuschaffen, aber die wurde bei frauen ja eh immer schon unterbewertet. und, nein, es ist nicht kochen :). ich mache auch manches nicht, weil es den m gibt mit seinem job, der viel ermöglicht, aber auch einiges verhindert. es ist immer ein deal. solche deals kann man aber nur eingehen, wenn man sich liebt und vertraut, sonst klappen sie nicht. im gegenteil, die massimo setzt der beziehung auch zu, is ne echte, wie sagt man, challenge, aber wir haben sampa gemeistert, hoffen wir, das kriegen wir auch noch hin. während man mir ohne unterlass in brasilien reinreichte, jaja, man fliegt da als paar hin und dann hat der mann irgendwann ne jüngere brasilianische frau und du kannst gehen. und du hast von solchen stories auch einige parat (gehabt) hier und die machen mir natürlich angst und wieso sollte ich auf männer stehen, die mir permanent angst einjagen, tue ich nicht, ich mag die netten, die das nicht tun, die mich in den arm nehme, wenn ich weine und sage, die welt ist böse zu mir und sagen, hey, schau doch, ist es denn so, wie sie dir erzählen und ich sage, nein, aber sie prohpezeien es mir ständig. bei dir gelte ich doch als reproduktionsloserin und männer wollen sich nun mal reproduzieren und ich darf jetzt nur noch abwarten, wann es denn so weit ist, bis ich verlassen werde, solche stories verbinde ich mit dir, die machen mir echt keine gute laune, muss ich gestehen. bei dir habe ich das gefühl, du wartest nur drauf, dass ich auf die fresse fliege, so richtig, dass all deine prophezeiungen sich an mir erfüllen. dass ich dazu auf abstand gehe, ist nur normal, für meine begriffe.
Betr. Rainer Moritz. Ich schrieb Ihnen doch einmal- eher privat- dass ich in seinem NZZ- Artikel über die Sexualität in der Literatur Ihren Namen vermisste. Sie antworteten mir darauf nicht. Ich hatte nicht gewusst, dass es schon eine Vorgeschichte gab zwischen Ihnen und ihm. Sie zu diesem Thema zu übergehen war vielleicht Absicht. Aber eben nicht richtig.
Ja, liebe Frau Koepf, ich hatte darauf nicht eingehen wollen, um kein „Bashing“ zu betreiben. Zumal hatte ich ihm Mitte des vorigen Jahren brieflich angeboten, daß wir doch mal dieses blöde Kriegsbeil begrüben. Darauf antwortete er, von einem solchen gar nichts zu wissen, obwohl sehr deutlich war, daß ich in seinem (durchaus weiten) literarischen Kosmos quasi nicht vorkomme. Mein Eindruck war und ist nun wieder, daß er die Gegenwart meiner Literatur am besten ignoriert, was für einen persönlichen Umgang in Ordnung sein mag, nicht aber in seiner unterdessen wirklich machtvollen, literaturrepräsentativen Position. Nun geht es nicht nur mir so, klar, dergleichen gab es in der Kunstgeschichte immer wieder. Bloß daß selten jemand, wie ich, dagegen die Stimme erhebt; die Risiken sind zu groß. (Für die Literatur nenne ich hier nur Gerd-Peter Eigner, Christopher Ecker und, bis Reemtsma erschien, auch Arno Schmidt sowie über Jahrzehnte hin Paulus Böhmer, aber die Liste läßt sich fortsetzen.)
Die Strategie geht dahin, sich überhaupt nicht mit entsprechenden Büchern auseinanderzusetzen, weil selbst einen Verrisse zu schreiben bedeuten würde, daß die gemeinte Autorin, der gemeinte Autor dann dochda sind. Genau das soll verhindert werden. Statt dessen werden aufgrund persönlicher Vorlieben Öffentliche Gelder verteilt und auch für nicht gemochte Bücher, sofern sie denn ohnedies in der Diskussion sind, bzw. gehypt werden. Da muß dann einfach der Markt bedient werden.
Zugrunde liegt allem auch, daß speziell ich eine Ästhetik vertrete – besonders eine gegen den sog. Realismus (er ist in Wahrheit keiner) – , die der des jeweiligen Vermittlers entgegensteht; aber auch genderpolitisch passe ich nicht ins gewünschte Bild, da sich ja auch nicht behaupten läßt, daß ich der „Rechten“ zugehörte (in dem Fall würde es den angehangenen Rahmen wieder entsprechen und eine Auseinandersetzung könnte erwogen werden.
alle, die noch nicht ins literaturhaus hamburg eingeladen wurden, mal bitte kurz die hand heben… (ich war einmal da, auf einladung des literaturzentrums) gut, es gibt emailwechsel offenbar zwischen euch. das kann ich von mir nicht sagen, wann bitte ich schon mal wen um was und dann meist auch nur wen, die/der mich schon mal eingeladen hat, oder weise drauf hin, wenn sich was neues tut bei mir und wenns nix wird, vergesse ich es wieder. aber, wie sollen literatuhäuser denn überhaupt all das präsentieren, was erscheint? natürlich treffen sie eine auswahl und nach den gesetzen der wahrscheinlichkeit, ist die chance, dass sie einen nicht einladen um ein vielfaches größer, als dass sie einen einladen. das gilt für sehr sehr viele, für fast alle unsere kolleg*innen. du möchtest selbst im nicht eingeladen werden immer exklusiv gemeint und dezidiert ausgeladen sein. mein verständnis von der welt ist ein viel simpleres, man ist erst gar nicht auf dem schirm, das ist es dann auch meist schon. die menschen machen sich nicht so viele gedanken um einen, wie man dächte, dass sie es tun oder tun sollten, nicht mal im negativen, die haben ihren programmalltag, den bestreiten sie mit dem, was gerade anfällt, da bleibt nicht der hauch von energie für kriege und beile, da rutscht einfach nur ganz viel aus dem blickfeld, das ist es dann aber auch schon. so kommt es mir eher vor und auch, dass du lieber dezidiert befehdet werden willst, immer und überall, als schlicht, wie viele von uns, vergessen. verständlich, aber unwahrscheinlich. und überleg doch bei dir selbst, worauf du energie verwendest, doch nicht, um dir leute vom leib zu halten, sondern die zu begeistern, die sich begeistern lassen. mir wäre was ganz anderes lieb bei literaturhäusern, wenn sie nicht ein gemischtwarenladen wären, sondern wenn sie quartale wie froschungsvorhaben gestalteten und dazu programm auswählten, irgendeine klammer, die mehr bedeutet, als, wir machen mal ein bisschen dies und ein bisschen das und hier noch einen workshop, etwas wie serielle und content orientierte reihen mit fragestellungen, partizipation des publikums, ausstellungen, installationen, flash-mobs, sit ins, over night clubbing. andere formate ersinnen, als nur talking and reading heads. zusammen mit den autor*innen, nicht als zirkusnummern.
@Xo als einen Beitrag zur Verhältnismäßigkeit (ohne weiteren sonstigen Kommentar):
→ Werkliste 1.
→ Werkliste 2. (Anders als hier hat die Lexographin oder der Lexograph unter 1) Aufsätze und dergleichen aus wahrscheinlich Platzgründen nicht erfaßt, um von poetischen Arbeiten der Kritik völlig zu schweigen.)
alter geflügelter kunstakademiespruch, wenn es auf den rundgang zuging: die menge kann die wirkung steigern, die größe auch. ja, danach kann man weiter verfahren, wenn das aber nicht immer und in jedem fall verfängt und ich würde ja auch sagen, die pure menge kann es nicht sein und zieht man das panorama mal auf, es gibt eben auch noch jede menge andere autor*innen, wir sind keine seltene spezies. dann muss man beginnen, dieses pferd mal anders aufzuzäumen, ganz anders. die welt leidet ja nicht an einem zu wenig, von allem ist eigentlich zu viel da, zu viel plastik, zu viel klamotten, zu viele autos. vielleicht steht dir die menge auch im weg, weil jeder, der anfängt, sich mit dir zu beschäftigen, gar nicht weiß, wo anfangen, da muss es ja schon einen willen geben, jede menge zeit nur für herbst aufzuwenden und vielleicht möchte man ein bisschen zeit für herbst aufwenden und andere zeit für andere. und bei herbst stellt man dann schnell fest, zu viel aufwand, um sich schnell einen überblick zu verschaffen. könnte ja auch sein. du kannst doch auch niemandem sagen, schau mal, das sind alles frauen, die in dich verliebt sind, jetzt such dir gefälligst eine davon aus, wenn dich davon keine interessiert, wird nicht klappen, da können noch mal 200 dazu kommen, so läuft es irgendwie nicht, dachte ich immer. und literatur, wer wüsste das besser als du, braucht ein affektuelles verhältnis, eine intrinsische motivation. ein literaturhaus zählt doch nicht durch und vergibt dann seine plätze nach einem quotienten, der sich aus alter und anzahl der schon publizierten werke ergibt. wäre aber mal z b ein format, was man durchaus mal präsentieren könnte, aber schwierig nachzuhalten. den most books per year award in der kategorie ernste literatur. wenn es einen debütpreis gibt, durchaus auch ein ganz legitimes ansinnen. klar.
Um das alles nicht ganz unversöhnlich enden zu lassen und um zurück zum Thema zu gelangen und was in sein Umfeld gehört. Den Artikel kann ich mehr als empfehlen und Kristoffer Cornils schreibt sehr gute Artikel mit Durchblick und Scharfsicht. Ein Name, den man sich merken sollte, hat alles Hand und Fuß, Verstand und Empathie: https://spex.de/schafft-die-oscars-endlich-ab/