„Zeitenwende“. An einen Redakteur.

 

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haben Sie großen Dank für Ihren Brief vom 28. Juli, tatsächlich Brief, dergleichen hier kaum noch eingeht, von <lacht> Rechnungen und Mahnungen einmal abgesehen. Ein gutes Gefühl, so etwas einmal wieder öffnen zu dürfen – und dann noch eine solch ehrenvolle Einladung. Die ich gerne annehme, auch wenn ich die in diesen Wochen so oft ausgerufene „Zeitenwende‟, daß sich von einem Herbeibeschwören sprechen ließe, viel früher diagnostiziert habe, nämlich für spätestens die Neunzigerjahre. Was danach gekommen ist, scheint mir einer fast strikten, sagen wir, Geschichtslogik zu folgen, wobei auch hier davon abgesehen, nämlich ausgeklammert werden muß, daß es sich bei solchen Diagnosen um reichlich europa-, bzw. westzentralistische Perspektiven handelt. Den, um Sie zu zitieren, „Beginn eines neuen Zeitalter‟, einer gar „neuen Ära in der Menschheitsgeschichte‟ kann ich etwa für Afrika, weite Areale Asiens, aber auch Südamerika nicht sehen. Und daß sich geopolitisch Hegemonien verschieben, kommt mir mitsamt allen Brutalitäten wie geradezu eine ihrer, der Menschheitsgeschichte, Konstanten vor. Eine Zeitenwende jetzt hätte stattgefunden, wäre die in den vergangenen Wochen so häufig geschmähte und sogar beschuldigte Friedensbewegung weltweit erfolgreich gewesen, der ich zeitweise – wenn auch höchst, wie meine Bücher zeigen, skeptisch – zugehörig war und innerlich verpflichtet bleibe.

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