Und doch, wie viele schöne, beneidenswerte Sommer hatte Caitano Cambrìa erlebt, den man sich anders nicht vorstellen konnte als sommers Ausschau haltend auf den Mastkörben des Ontro, inmitten von Wind und Sonne, mit seinen Falkenaugen, die mal zur Spitze der Feluke hinaufäugten, zum Ausguck des Spähers, welcher ihm den Verständigungsruf zuwerfen mußte, der ihn ganz in Aufruhr versetzte, und mal das Wassergeviert absuchten und weit darüber hinaus das heraufströmende Meer, das hinabströmende Meer, den gleitenden, mit Ontren und Feluken gespickten Strom zwischen Skylla und Charybdis, beobachtet und abgesucht von gierigen Blicken, still oder vollgelärmt mit dem Mordsgeschei von den Späherkörben wie viele zum Pfahl, zur Sonnenmarter Verurteilte. Der flügellose Falke flog mit seinen Augen über die dunkle, vom Zickzack der Schwertfische durchfurchte Meeresbläue, drindraußen, von der Liebe zum Tod: eine Tafel aus Wasser, zersplittert durch die Eisen der Harpunen, gekreuzt von den schimmernden Schatten der langen Stäbe, eine schäumende Tafel aus Salzigkeit, Schleim und Blut, die Tafel, auf der das Schicksal aller sich auslöschte, sich entschied, sich wieder auslöschte und sich wieder entschied, in endloser Folge. Und so strömte das Leben dahin wie das Meer, mit dem Meer, dem Meer des Lebens ohne Ufer, und der Tod, ein Tod, der Tod eines Menschen, einer Acitana, konnte diesem Meer des Lebens nichts anhaben: seine Macht endete am Ufer, doch das Meer des Lebens rann auch über die Erde, auch über die Erde mit seinen Ebben und Fluten, es löschte den Tod ein wenig aus,
zumindest ließ es ihn unentzifferbar erscheinen.
Stefano D’Arrigo. Horcynus Orca, Roman (Seite 499: S. Fischer Verlag Frankfurt am Main, dtsch. von Moshe Kahn | Kindle-Positionen 9115- 9129)
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