Hände. Horcynus Orca (9), Sätze VIII (Passagen).

[Fotografien: → Peggychoucair bei Pixabay]

 

 


     

Dort am Fensterchen betrachtete er wieder und wieder seine rechte Hand, und auch sie, so war es ihm, schaute er nun zum ersten Mal an, einfach nur um sie anzuschauen. Er streifte mit seinem Blick immer wieder über sie, während er sie mit seiner linken Hand betastete, dieser alten, schuppigen, von Salz zerfressenen Hand: Das war, wenn man so wollte, als würde sein eigenes, an den wesentlichen Punkten aufgeheftetes Leben in seiner Handfläche gespiegelt. Salzwasser, Linnen und Angelschnüre, Köder und Angelhaken, Harpunen für Schwertfisch und Blauhai, Ontren und Feluken, Hanf und Teer, Sonne und Wind auf dem Ausguckmast des Lenkers und Spähers, Splitter und Gräten, Ruder und Strömungen, Fische und Fischbestien, Feren und Pulcinells … Das alles befand sich unter den Linien seiner Hand, dort stand sein ganzes Leben geschrieben, von der Geburt bis nahe zum Tod, und er konnte es in jeder kleinsten Einzelheit lesen und entziffern, ohne die Hilfe eines Hellsehers in Anspruch zu nehmen, denn diese Glücks- und Unglücksfälle hatte er alle oder fast alle schon erlebt, sie waren gekommen und wieder gegangen und da aufgeschrieben und schon auf dem Weg, sich mit ihrem Salz aufzulösen und zu verflüchtigen. Doch überkam ihn ein Gefühl von Sinnlosigkeit, was ihm Schwindel hervorrief. Was konnte er denn noch mit ihr anfangen, mit seiner rechten Hand voll altem, schuppigem, von Salz zerfressenem Leben, das inzwischen mehr vom Tod als vom Leben erfüllt war?

Stefano D’Arrigo. Horcynus Orca, Roman (Seite 722: S. Fischer Verlag Frankfurt am Main, dtsch. von Moshe Kahn | Kindle-Positionen 13256-13267)
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Horcynus Orca 10
Horcynus Orca 8

 


 

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