(…) man muß, um diese Fragmente zu verstehen, nur erst einmal davon loslassen, den Gesamtzusammenhang begreifen zu wollen. Das geht ohne THETIS und BUENOS AIRES anders auch erst einmal gar nicht. Die Einzeltexte, wie der gestern, sind für sich wunderschön als Miniaturen. Ebenso aufschlußreich sind die Konstruktionsbeispiele in der ARGO-Rubrik. Sie können ja mal versuchen, sich von Anfang an hindurchzulesen und auch die Bilder wirken zu lassen. (…) Das Problem an ARGO innerhalb eines Literarischen oder auch sonstigen Weblogs ist die Vielschichtigkeit, sind die Hunderte Bezüge, und ist natürlich, daß viele Stücke gar nicht im Weblog drinstehen, die manche Passage psychologisch erklären. Außerdem geht natürlich der ganz eigene Rhythmus, der auf lange Bögen aufbaut, verloren, weil er für die gegenwärtige Literatur ganz ungewöhnlich ist (er kommt von Döblins BERGE, MEERE und GIGANTEN her); hat man sich in Den Dschungel gerade darin eingelesen, bricht der Bogen auch schon immer weg. Ich kann und mag aber nicht fünfseitige oder längere Passagen einstellen, weil das die Weblog-Form, nach der ich suche, brechen würde: Hier stoßen, sozusagen, zwei poetische Prinzipien aufeinander. Man kann das s o sehen: Ich zerschnibble den Roman, damit er sich im Weblog situiert. Dadurch geht das Eigene eines und gerade dieses Romanes – jedenfalls e i n Eigenes – verloren. (…) Mein Freund Faure hat, weil ich selber ganz unsicher war, gerade alles, was bisher vorliegt, gelesen und mit heller Begeisterung reagiert: “Man kann gar nicht mehr aufhören, das i s t es.” Zugleich hat er das Typoskript mit Korrekturen vollgeschmiert. Lacht. Innerhalb von drei Tagen las er, seine Frau sei schon sauer geworden, weil er zu nichts anderem zu gebrauchen gewesen sei. Längere Passagen, die ich an >>>> Hediger und >>>> Abendschein schickte, hatten eine ganz ähnliche Wirkung. Es ist möglicherweise das Literarische Weblog für solch eine Veröffentlichung also falsch. Andererseits sind Die Dschungel ja a u c h ein Arbeitsjournal, und es hilft mir selber sehr, solche einzelnen Passagen darin durch- und durchzulesen, weil dieses Netz-Publizieren den nötigen Abstand schafft, den das eigene kritische Auge braucht. Es ist bei einer solchen Masse von Text nämlich oft zu tief drin, um die Insel überschauen zu können. Ich arbeite mit Hunderten Bezügen, es ist wie zehn Schachpartien simultan zu führen und, wie Hofstaedter über Bachs Fugen-Kunst schrieb, sie auch zu gewinnen. Sie müssen ja vor allem jede der erzählten Personen selber s e i n, also psychologisch in ihnen stecken, sie verstehen, ihre Beweggründe, ihre Verhängnisse, Sie müssen sie als Autor selber fühlen, und zwar egal, ob es sich um eine krebskranke Frau oder einen Mörder oder einfach einen Verwirrten handelt. (…) Dazu kommt die Gesamtkonstruktion: ein offen-Autopoietisches, das immer wieder den hermetischen Zusammenhang zerschlägt, ihn aber zugleich – weil ich literarisch echt ein konservativer Hund bin – unbedingt herstellen will. Das bedeutet: J e d e r Handlungsstrang muß sich schließen, alles ist mit allem verfugt.
Das nur zur Erklärung des Projektes. Vielleicht hilft Ihnen das ein wenig.
>>>> ARGO 200
ARGO 198 <<<<