Stretta (ff). Argo. Anderswelt. (170).

Die Stuttgarter Staatsgalerie bestand aus zwei direkt nebeneinanderliegenden Gebäudekomplexen, einem repräsentativ gründerzeitlichen alten sowie dem den Hang hochgebauten, architektonisch weiteren neuen; Deters wählte instinktiv diesen, auch wenn das Bauwerk seinerzeit, als die Karte angefertigt worden war, nach der er sich orientierte, noch so wenig existierte wie das allerdings n o c h jüngere Kunstmuseum am Schloßplatz, dieses w a h r e Zentralhirn eines Neuen Europas: Die Staatsgalerie war tatsächlich bloß, so wurde jetzt klar, eine Lappenschleuse dahinein; es wäre Deters’ geplante Aktion, da der Kubusbau erst in diesem Jahr vollendet worden war, früher noch gar nicht möglich gewesen: Es hatte all diese Zeit gebraucht, bis sich über dem Nullgrund – wer nahbei stand, wie staunte der! – erst eine Säule aus Licht aufbauen konnte, ein Raunen lag in der Luft Gebläse, unstet tastend der Schein eines FlughafenTowers, doch flakhaft, wobei er gleichsam winkte, in die Vertikale fassend, als würde das Europäische Dach nach Wolken abgesucht, aber wasserstromdick wie der Stamm eines Urbaums: so schlug das auf jede Verdichtung, durch die ein Feind kommen könnte. Dann, als das saurierartig muskulöse Licht den Halt g e f u n d e n und sich darin verhakt hatte, verhakt und verschweißt und straffgespannt zwischen oben und unten, da blähte es einen Bauch aus, ziemlich in seiner Mitte, weiter, noch weiter, luzid das Areal beschirmend, im Windsgalopp rasten schattenhaft Fernsehturm und Jubiläumssäule durchs Opake einer wirbelnden Sternengeburt, die Göttin der Einheit, wie eine Walküre wehend, der wilden Jagd voran die Grenze suchend ihren Platz durchschossen von Architektur den avantgarden Avataren der Auflösung: Neues Schloß und Daimlerturm, Stiftskirche und Friedrichsbau. Bevor Stuttgarts Porteños folgten, s t a n d bereits fließend und wehte, leuchtende Positronen, die Stadt. Wäre Zeit gewesen, es hätte gedacht werden können, jedenfalls anfangs: dies werde ein riesenhafter stehend protuberierender Kugelblitz, doch war die nun überaus bauchige Lichtsäule s t e t i g und härtete glättete flachte sich bekam Wände Kanten aus purer Energie – verbrannt, wer da hindurchfassen wollte, schon schmauchte auch der Nullgrundsboden weg. Schreie waren zu hören, es rannte, was sich noch retten wollte, hinaus, wurde von Lichtzungen ergriffen verglühte, so intensiv war dieser Kuß ich liebe dich“, sagte Jason, und Michaela sah ihn an, als hätte er das tiefste Tabu entweiht, das es zwischen zwei Menschen gibt. Es war der letzte Moment, noch zurückzuweichen und eine autonome Frau zu bleiben, die sich rein durch sich selber bestimmt und in s i c h ruht, nicht in wem andres, aber sie wich nicht, auch wenn sie nicht m e r k t e, wie sie ‚Tristan’ sang, als sie einander auf dem Tokyo Tower erkannten, die Rückkehr des biblischen Sinnes das Feuer der Dornbusch ein ganzer Nullgrund nur Sonne noch, zwar arktisch, denn alle Wärme war bei dem Paar, doch hell die Verheißung Erfüllung: Da hatte Deters, zögernd, den einen Selbstprojektor, nicht seinen, sondern das eine Trojanische Pferd mit dem Ferrari-Emblem darauf, jetzt b e g r i f f er, endlich begriff er, Stuttgart, na sicher!, das Wappen das Pferd, in das vierte Gitterfach von rechts der fünften unteren Reihe dieses grünen Gitters gelegt, das die Stuttgarter Neue Staatsgalerie vom Stuttgarter Kunstmuseum trennt. Und wartete ab.

>>>> ARGO 171


ARGO 169 <<<<

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .