Das öffentlich geführte Tagebuch reagiert auf Big Brother mit Seele. Dennoch ist es ein Ausdruck derselben gesellschaftlichen Bewegung. Es kritisiert sie durch Nähe, indem einem unverwundbaren, weil ökonomisch geschmierten Exhibitionismus, dem die Lüsternheit des (Massen)Publikums auf private, meist sexuell gefärbte Einblicke völlig entspricht, die eigene Verletzlichkeit entgegengehalten wird: eine individuelle, sensible, die sich dennoch offenbart und nicht etwa schüchtern zurückhält. Deshalb muß das Öffentliche Tagebuch öffentlich s e i n. Und oszilliert in ganz derselben exhibitionistischen Dynamik. Nur seine Intention ist eine andere. Die Kritik wird nicht durch eine Distanz getragen, die stets objektiviert und deshalb das Kritisierte – und damit sich selbst – entfremdet. Das Weblog ist hierfür das allergeeignetste Medium – und literarisch insofern, als es sich ständig bewußt macht (reflektiert), was es tut. Ohne daß wiederum dies zur Entfremdung führte, also stategisch modifiziert wäre.
Im Container wird das Private, vermittels Objektivierung, zur Ware; im Literarischen Weblog wird es, vermittels Subjektivierung, gesellschaftspolitisch.
Nun zeigt die Erfahrung, daß sich die radikale Öffnung nicht durchhalten läßt: Produktivitätstheorie, die auch die sentimentalen Gefühle, ja organischen, wo nicht erotischen Vorgänge einfangen will, welche die poetische Erfindung befeuern, wird dann unmöglich, wenn das Geschehen und der Gedanke auf andere hinübergreifen, die deshalb mit derselben Unbedingtheit zu behandeln…
Insofern alle Kunst radikal ist, muß ein Weblog, das mit einer künstlerischen Zielsetzung antritt und sich deshalb “literarisch” nennt, die Eigenheiten normaler Weblogs radikalisieren. Zunehmend stellt sich als eine dieser Eigenheiten aber das veröffentlichte Private heraus. Zielt es auf Allgemeines (allgemein Gültiges) ab, mag es einen kunsttheoretisch hoch bedeutsamen Aspekt…
Ist die direkte Verlinkung nötig oder nur arbeitserleichternd; d.h. genügt nicht die Möglichkeit des jederzeitigen Hinübershiftens (etwa vermittels einer Suchmaschine)? Indem sich Die Dschungel einer verlinkten Struktur aufsetzen, müssen sie sie imgrunde nicht mehr nutzen; ihre Zitation r e i c h t – was das (nicht intendierte, aber in…
In "Litblog-THEORIE"
2 thoughts on “Container und Voyeure. Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (30).”
Natürlich formulieren Sie hier ein spezifisches Ideal… …dessen, was literaisches Bloggen sein kann. Ich hoffe aber, daß es noch mehr Blogger gibt, die bei diesen Ihren dreissigsten Zeilen zum literarischen Bloggen nicken und denken: »Ja, so ähnlich schwant mir das im Sinn, mit dem diaristischen Eingeweide-Tetris meiner WWW-Persönlichkeit.«
Natürlich formulieren Sie hier ein spezifisches Ideal… …dessen, was literaisches Bloggen sein kann. Ich hoffe aber, daß es noch mehr Blogger gibt, die bei diesen Ihren dreissigsten Zeilen zum literarischen Bloggen nicken und denken: »Ja, so ähnlich schwant mir das im Sinn, mit dem diaristischen Eingeweide-Tetris meiner WWW-Persönlichkeit.«