Container und Voyeure. Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (30).

Das öffentlich geführte Tagebuch reagiert auf Big Brother mit Seele. Dennoch ist es ein Ausdruck derselben gesellschaftlichen Bewegung. Es kritisiert sie durch Nähe, indem einem unverwundbaren, weil ökonomisch geschmierten Exhibitionismus, dem die Lüsternheit des (Massen)Publikums auf private, meist sexuell gefärbte Einblicke völlig entspricht, die eigene Verletzlichkeit entgegengehalten wird: eine individuelle, sensible, die sich dennoch offenbart und nicht etwa schüchtern zurückhält. Deshalb muß das Öffentliche Tagebuch öffentlich s e i n. Und oszilliert in ganz derselben exhibitionistischen Dynamik. Nur seine Intention ist eine andere. Die Kritik wird nicht durch eine Distanz getragen, die stets objektiviert und deshalb das Kritisierte – und damit sich selbst – entfremdet. Das Weblog ist hierfür das allergeeignetste Medium – und literarisch insofern, als es sich ständig bewußt macht (reflektiert), was es tut. Ohne daß wiederum dies zur Entfremdung führte, also stategisch modifiziert wäre.
Im Container wird das Private, vermittels Objektivierung, zur Ware; im Literarischen Weblog wird es, vermittels Subjektivierung, gesellschaftspolitisch.

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2 thoughts on “Container und Voyeure. Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (30).

  1. Natürlich formulieren Sie hier ein spezifisches Ideal… …dessen, was literaisches Bloggen sein kann. Ich hoffe aber, daß es noch mehr Blogger gibt, die bei diesen Ihren dreissigsten Zeilen zum literarischen Bloggen nicken und denken: »Ja, so ähnlich schwant mir das im Sinn, mit dem diaristischen Eingeweide-Tetris meiner WWW-Persönlichkeit.«

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