Und dann stehe ich noch einmal in der kleinen Brache und erwarte Verlassenheit, Melancholie. Aber ein mißtrauischer junger fremderMann kommt mir entgegen, den Kopf etwas schief, die Wangen unrasiert, die Aggression des getretenen Hundes im Blick. Ich grüße freundlich, was ihn momentan hilflos macht, stapfe geraden Rückens an ihm vorbei, er weicht sogar aus.
Die Tür meines Bekannten ist geschlossen, aber noch hängt rechts das Holzschild: NUR FÜR FREUNDE. Ein paar Meter weiter in den hüfthohen ostdeutschen Grasdschungel hinein liegt eine riesige, feste Plastiktüte voller Wäsche. Das Gartentischchen und die Sessel sind umgekippt. Links von mir, das ist neu, haben noch zwei weitere Männer eine der Garagen bezogen, aber ohne die häusliche Liebe, die meinen Vagabunden so überraschend ausgezeichnet hat: Überall nur grobe Hand.
„Ist er weg?“ frage ich halb umgedreht und nicke zu der verschlossenen Garagentür.
„Is wohl weg“, antwortet immer noch mißtrauisch der junge Mann.
Ich störe ihn, meine Anwesenheit stört. Ich störe drei junge verwahrloste Männer beim Trinken.
„Er wollte nach Südfrankreich“, sage ich.
„Kann sein.“
„Es wird jetzt unangenehm“, sage ich.
„Es wird Winter“, sagt er.
„Na dann“, sage ich.
Als ich die Brache verlasse und das Blechgatter sorgfältig hinter mir zuziehe, wird mir bewußt, wie sehr ich mit einer Möglichkeit geflirtet habe, die sich nunmehr wieder verschließt. Ein kulturvolles Leben außerhalb der gängigen Normalität. Als mein Vagabund noch dort wohnte, wurde die Brache zum Paradies und war auch von Stadtstreichern gemieden. Er hatte etwas an sich gehabt, das ihnen fremd, das ihnen unheimlich war: Er wollte nicht dazugehören.
Eine seltsame Basis für unsere Sympathie. Ein Wort, das „Mit-Leiden“ heißt, aber so wenig sentimental ist, daß es auf Freundschaft verzichtet. Aus reinem Stolz.