Isabella Maria Vergana (3).

Das Rätselhafte einer Erzählung entsteht, indem ein “Clou” – hier der zum Tod der Vergana führende Geschlechterkampf – zwar nicht vermieden, aber gleich auf den ersten Seiten erzählt und später nicht mehr darauf zurückgekommen wird, sondern das Geschehen löst sich allegorisch auf. Das gibt dem furchtbaren Vorfall etwas Ungefähres, Scheinbares. Zugleich hält der Erzähler an dem Geschehenen fest, akzeptiert es ganz am Ende der Erzählung und zieht für sein weiteres Leben sogar eine stille Lust daraus.



Die Künstler erschienen und wurden von vielen der Anwesenden wie enge Bekannte gegrüßt. Maria Vergana war eine mädchenhaft wirkende Indianerin, vielleicht Halbindianerin, mit etwas ge­drungenem Unterleib, aber schmaler Hüfte, kleinen Brüsten und einem Gesicht von deutlich asiatischem Einschlag. Wenn sie lachte, blitzen ihre Zähne wie ein Raub­tiergebiß, was zu der kaum erwachsen wirkenden Person gar nicht paßte und mich so sehr irritierte, daß ich dauernd zu ihr hinsehen mußte. Sie spürte wohl meinen Blick, empfand ihn vielleicht als allzu taxierend, vielleicht auch als kalt, schon weil es der eines Fremden war. Denn plötzlich warf sie das schwarze Haar herum und sah mich an, hörte auf zu lächeln, sah mich nur an, ich konnte ihren Blick nicht erfassen, die Augen waren zu dunkel… zu dunkel in dem Gesicht und zu dunkel in dem schattigen Raum. Ich hätte ihm gern standgehalten, hätte mich gern sozusagen in ihm aufgerichtet, aber ich sah ihn ja nicht. Momentlang stand ein gefrorener Kampf in der Kellerbühne, einer, bei dem die eine Seite die andere nicht ausmachen kann, diese aber jene sehr wohl. Er währte ganz sicher keine Sekunde, schon hatte die Vergana ihren Kopf wieder zurückgeworfen, dann legte sie ihn, als ihr Begleiter ihr etwas ins Ohr sagte, in den Nacken und lachte mit ihrer Kinderstimme ein paarmal auf.
Und auch hier wieder, um allem – als Gegenbewegung zum Allegorischen – unbezweifelbare Realität zu verleihen, von wirklichen Personen ausgehen, den ‘Helden’ als “Herbst” ansprechen und die theoretischen Freunde auftreten lassen, so daß die Erzählung über weite Strecken fast den Ton einer Dokumentation erhält.



Wir tagten bis fünf, diskutierten anschließend in den pompösen Gängen des Landes­museums, vor allem Brittnacher, Ruthner, Marcus May und ich. Dann zogen wir mit einem Teil des Publikums fürs Essen ins Restaurant HOFArT, unter dessen warmen Arkaden ein Tisch reserviert war. Dort kamen ausgerechnet Anelm Wagner und ich uns theoretisch so nahe, daß wir, als die anderen abreisten, noch einige Zeit mitein­ander verbringen, jedenfalls noch ein paar Wein trinken wollten.


[Da ich mich zwar an die Linzer Orte, Kneipen usw. gut erinnere, nicht jedoch mehr genau weiß, wie sie hießen, werd ich den fertigen Rohentwurf der Erzählung an Peter Aßmann nach Linz mailen und ihn bitten, die zweifelhaften Angaben dokumentarisch zu ergänzen.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .