PP48, 19. November 2013: Dienstag. Traumschiffs Beginn ODER Aus einem blöden Manko direkt in den Romantext.

(5.30 Uhr.)
Schweren, sehr schweren Herzens soeben den Sport ausfallen lassen, wirklich nur als mir fremde Entscheidung. Aber seit vorgestern niese ich herum, gestern ignorierte ich’s, grade aber, die Nase ist wieder okay, ein bölkender Husten, der im Brustkorb reißt, – kurz: grippale Infektion offensichtlich, und da soll man den Körper nicht fordern, sondern ihn sich auf den Rauswurf der Viren konzentrieren lassen, ihm nicht die Truppen nach anderswo entziehen, während sie ihn verteidigen müssen. – Merken Sie meinen Ärger? Ich werd ganz militärisch…
Kurzum: auf um fünf, Gebölke, die Morgenklamotten angezogen, auch schon, Gebölke, die Pavoni für den Espresso eingeheizt und, Gebölke, pinkeln gegangen und die, Gebölke, Zähne putzen und das Sportzeug eingepackt: husthusthust. Nee! Sei mal vernünftig… -: am Donnerstag abend >>>> in Weimar Lesung und von Freitag bis Sonntag Seminar in Leipzig; das will ich nicht absagen müssen und könnt es mir auch gar nicht leisten. Und kommenden Montag kommt ein Liebesbesuch, auch da will ich gesund sein. Vor allem müssen bis zum 30. zwanzig Seiten Traumschiff „stehen“. Weder Lust noch Nerv, da zu versagen.
Punkt.

Gestern, >>>> die Kritik, schrieb sich’s wie von alleine, ich formulierte quasi aus dem Schwung die Schanze hinunter meines Fahlmann-Textes, dessen Eingang >>>> Volltext bereits bestätigt hat und hat mir auf meine mitgesandte Anfrage auch gleich den nächsten Auftrag gegeben: Kjærstad bei >>>> Septime, >>>> Ich bin die Walker Brüder; ich schrieb Ihnen ja schon, daß ich das Buch neu begonnen habe und aber auch sofort begeistert war. Ich meine, alleine so ein Anfang!:

Ich bin die Walker Brüder, und ich WEISZ, daß etwas passieren wird. Alles um mich herum verändert seine Gestalt. Die Menschen. Die Umgebung. Ich bin vierzehn Jahre alt und habe ein Verhältnis mit Frau Haram. Nichts ist mehr unmöglich.

Auf der Messe habe ich’s entdeckt und war ziemlich überrascht, daß es nicht ebenfalls, wie des Norwegers grandioser >>>> Wergeland-Roman („G r o ß denken!“), bei Kiepenheuer & Witsch erschien (heute, dreizehn Jahre später, für 79 Cents bei amazon – wer da nicht zuschlägt, ist dämlich). – So freu ich mich denn auch auf lange Bahnfahrten wieder.
À propos steht auch Österreich jetzt: Hinflug nach Innsbruck am 12. Januar, dessen Abend und der gesamte Tag des 13. ist für die Freunde, am 14. Argo-Lesung im >>>> Literaturhaus am Inn, am 15. weiter nach Wien, am 16. Argo-Lesung >>>> in der Alten Schmiede, dem, für Literatur, dort besten Veranstaltungsort, der 17. ist frei für die Stadt (das Programm der Staatsoper ansehen!), am 18. mit dem Flugzeug zurück nach Berlin. Und vorher, von Silvester bis zum 8.1., werde ich erst >>>> in Neapel, dann wieder >>>> in Amelia sein; wir wollen >>>> nach dem Joyce ein neues Projekt ausbaldowern (Ungaretti könnt mich reizen, auch Montale, oder Quasimodo); in Neapel die ersten Fotos aufnehmen für den projektierten Bildband. (In jeder Jahreszeit für ein paar Tage nach Neapel reisen, um aus jeder Bilder zu haben, angereichert mit nur eigenen Texten – vielleicht sogar nur Gedichten?)

Gut, ans Traumschiff. Wie jahrelang für >>>> Argo: mit täglicher Früharbeit beginnend, diese Woche, bis das Husten und Schniefen ausgebrannt ist. Ab nächste Woche wieder Sport. Einfach mal klug sein, wenigstens für ein paar Tage. (Dennoch: der Ärger darüber, Routinen zu durchbrechen, einfach, weil es so schwer ist, sie wieder aufzunehmen; momentan komme ich wie von selbst um fünf Uhr hoch, auch wenn ich erst um halb eins/eins zu Bett geh).

In der >>>> digitalen Konzerthalle sah ich vor Tagen eine Sinfonie, die ich tatsächlich noch nicht kenne: von Bernd Alois Zimmermann. Die werde ich meine Arbeit jetzt begleiten lassen. Wenn ich die ersten Notate skizziere, an Bord; aber ich weiß noch nicht, wo wir heute liegen. Oder sind wir auf See, wenn das Buch einsetzt? Falls aber im Hafen, muß es einer sein, den ich kenne. Auch hier könnte sich Neapel anbieten (machen da Kreuzfahrer fest, und wenn, wo? sicher nicht am Molo Beverello, erst recht nicht Mergellina -). Ich weiß aber die Route des Romanschiffs noch nicht, wollte sie von der tatsächlichen Kreuzfahrt abhängig machen. Doch gibt es noch gar keine Nachricht. Dafür ist dringend nachzuhaken, schon auch, weil ein nächstes Hörstück dranhängt, das bereits in Auftrag ist.
Jedenfalls sitzt mein alter Herr an einem Tischchen auf dem Achterdeck und schaut über die Reling zur Stadt hin, die er, wie überhaupt keine mehr, die das Schiff anlaufen wird, nicht betreten wird noch will. Er hat, mag sein, ein Glas Wein vor sich, versagt sich aber, seines Gebrechens wegen, die Zigarre, die ihn allerdings lockt. Vor ihm aufgeschlagen ein in weinrotes Handschuhleder eingeschlagenes Notizbuch, DIN A 6; er schreibt mit einem Bleistift hinein, in sorgsamer, s e h r sorgsamer langsamer Handschrift. Gegen die Sonne trägt er eine Basecap, nicht etwa einen Hut, wie ich selbst das täte: Ich will das Zitat von bekannten Bildern vermeiden. Auf dem Schoß liegt ihm ein weißes Händehandtuch, mit dem er sich von Zeit zu Zeit den Schweiß aus dem dürrgewordenen Nacken wischt.

(Auch das könnte sein, ein Trick meiner Psyche: daß der grippale Zustand mich meiner Figur recht eigentlich sehr nahe bringt. Sie soll Gregor mit Vornamen heißen, aber ich weiß nicht, ob das im Buch jemals erwähnt werden wird. Es hat auch nur einen persönlichen Grund, ist ein Abschied von einem alten Menschen wie eine Art Hommage.)

(Morgencigarillo.)


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