Aufgeregt, sehr aufgeregt erscheint Gerald Schaale, einer meiner Lieblingssprecher, der schon einigen meiner Arbeiten mit auf die Welt geholfen hat, erscheint in Begleitung seiner überaus aparten bulgarischen Frau, dunkel, mit herrlichem Lächeln, nur er, eben, lächelt nicht. „Ich habe doch gesagt, daß ich Sie kenne!“ schimpft er. „Ich öffne die Datei, die Sie mir geschickt haben, und, ja, erschrecke, Herr Herbst! Genau so habe ich mir das gedacht! In d e r kurzen Zeit… wissen Sie…“
Gerald Schaale im Studio.
In dem Moment kommt Kavita-Janice Chohan die Treppen herauf.
Wir richten den Sprecherraum ein, nachdem wir uns mit der Tontechnikerin, Aminetta Hecht, bekannt gemacht haben; diese verfällt dann sehr schnell, zuerst gegenüber Chohan, ins Du, schließlich auch, als ich selbst sprechen muß, mir gegenüber. Das ist in Ordnung, das kommt von der gemeinsamen Arbeit, die sie sofort als gemeinsame begreift: „Warum produzieren wir nicht das gesamte Stück hier?“ Sie hat einen einzigen Blick auf das Skript geworfen, weiß genau, was das ist. Ich lächle. „Wir bekommen das Hauptstadtstudio nicht für drei Tage, das wissen Sie doch, und ich selbst kann in meinem eigenen Raum täglich ohne jedes Terminende arbeiten.“ Später wird sie mich fragen, ob sie vielleicht, wenn schon etwa die Mitte fertig sei, bei mir vorbeikommen dürfe und etwas zusehen. „Aber klar.“ Ich liebe das, wenn Menschen Leidenschaft haben für das, was sie tun.
Also Schaale.
Und schaukelt es, auch wenn ich ihn immer wieder im Ausdruck runterdrücke. „Sie haben einen Spieler engagiert“, mahnt seine Frau leise neben mir, als ich wieder einmal eingreife. „Ich weiß“, antworte ich, „und ich weiß, warum ich Ihren Mann dafür wollte.“ Zu Schaale: „Bitte drücken Sie nicht im Vortrag aus, was Sie selbst zu jemandem denken, der so denkt, sondern geben Sie ihm Selbstverständlichkeit, geben Sie ihm recht – um so schärfer wird die Aussage werden. Das Publikum darf nicht merken, was S i e denken, sondern soll sich selbst verhalten müssen.“
Genau eine Stunde brauchen wir, dann ist dieser Part im Kasten.
„Das hätte ich nie geglaubt“, sagte Schaales Frau, „daß das in dieser kurzen Zeit zu bewältigen ist.“
Wir verabschieden uns quasi zwischen Tür und Angel, weil es sofort mit Chohan weitergehen muß; auch mein eigener Part ist ja noch offen. Aber ich kann kurz von den nächsten Projekten erzählen und daß ich ihn, Schaale, unbedingt bei dem Neapel-Stück und sehr wahrscheinlich auch für den Giacomo Joyce buchen möchte. „Immer, Herr Herbst, immer!“
Also Chohan.
(Kavita-Janice Chohan im Studio, Aminetta Hecht im Regieraum.
Wie man deutlich sieht, haben sich die beiden auf Anhieb gemocht.)
Zweimal laufen wir an, zweimal haben wir die ganze Szene durchgespielt. Da ich heute abend mit Frankenberg dieselbe Szene noch einmal aufnehmen werde, schmutzig jetzt, als puren O-Ton, kann ich insgesamt sicher sein, daß sie funktionieren wird. Eventuell werde ich beide Frauenstimmen mischen, dann haben sie mehr Gewalt. Aber das muß ich probieren.
Strich drunter, nächste Partie, nunmehr die meine. Es sind wenige Stellen, ich komme als Sprecher kaum vor. Und zehn vor eins, absolut pünktlich, sind wir fertig. Die verbleibenden Minuten reichen, um die Tonfiles auf meinen Stick zu überspielen. „Schneiden tue ich selbst.“ Hecht verzieht bedauernd das Gesicht. „Die spannenden Sachen kriegen wir n i e!“ Aber wir werden uns ja wahrscheinlich am Donnerstag hier in der Arbeitswohnung sehen; dann wird sie das erste kritische, weil distanzierte Ohr sein.
Mit Chohan dann aufgebrochen, noch eben Visitenkarten mit Hecht getauscht, und hinaus ins neue Schneien, die Spree entlang, in der sich dicht an dicht die Eisscholle drängen und unter uns, wie arktische Lava, unter der Brücke hindurchdrücken; man meint, es knirschen zu hören. Am BE vorbei und noch eingekehrt auf je ein Brötchen, einen Kaffee. Dann trennen wir uns, und ich radle hierher.
Muß jetzt die Aufnahme von >>>> Parallalie vorbereiten, der um fünf über Skype Zitate sprechen wird; mal sehen, wie das dann klingt. Und gegen sieben, also 19 Uhr, kommt Frankenberg, ebenfalls für ein paar Sätze, her. Danach werde ich alles komplett haben und mit der Montage beginnen können; d.h., erst einmal werde ich nach Typoskript aus den langen Tonfalls genau ausgezeichnete Clips herstellen; ich denke mal, daß ich dafür den gesamten Montag brauchen werde. Die Auszeichnungs-Nummern der Clips werden dabei auch ins Skript eingetragen, logischerweise, damit ich bei etwaigen Verschiebungen, später, nicht durcheinanderkomme und dann Ewigkeiten suchen muß.
17.50 Uhr:
Hm. Ob das jetzt so gut war? Absolut verrauschte Verbindung in Skype, was ich mir aber hätte denken können, weil >>>> in Amelia die Internetverbindung vor allem nachmittags, und sowieso im Wochenende, i m m e r problematisch ist. Jetzt werde ich aber erstmal das File auf den Laptop übertragen und dann gucken, mit welchem Filter ich das Rauschen zumindest unterdrücken kann. Eventuell überspreche ich die Töne auch, also montiere einen Mischklang. Wenn das nicht zu einem annehmbaren Ergebnis führt, müssen wir die Aufnahme wiederholen, oder aber ich muß noch mal jemanden anderes sprechen lassen. Auf jeden Fall kann ich die jetzigen Töne als Platzhalter verwenden. Irre komisch allerdings, daß der Freund in Skype auf dem Kopf steht:
Gut, ran ans „Putzen“, >>>> g e g e n das ich doch eigentlich bin.