Deutschland ODER Die ewige Schuld: Politische – politisch genutzte – Ideologien. Im Arbeitsjournal des Sonntags, dem 20. Januar 2013, das sich ansonsten wieder auf die eigene Arbeit ausrichtet.

9.31 Uhr:
[Allan Pettersson, Zwölfte.]
Meine >>>> Stax sind zurück. So höre ich also wieder in Konzerthaus-Frequenspannen, mit der Folge freilich, daß es kein Telefon-, kein Türklingeln an meine Ohren schafft. Was wiederum den Vorteil besonderer Konzentration hat: Die Musik ist wie eine Mauer zwischen meinen Gedanken und der Welt, ist das Meer, das die Insel meiner Imaginationen umspült und umgischtet und zart an ihnen leckt.
Verschlafen, weil ich bis spät in die Nacht noch Filme guckte; war nicht klug von mir, mais je ne le regrette. Den ganze Tag über war >>>> diese Diskussion imgange, und teilweise heftig, die sehr schnell gar nicht mehr um ihren eigentlichen Anlaß ging, sondern zunehmend sich auf die deutsche Schuld, eine quasi als Erbschuld aufgefaßte, verschob, weil sie ganz sicher als Anlaß für die Buchrevisionen immer mitspielt; sie wird auch immer noch weitergeführt. Heikel ist, daß quasi nur ich mit Klarnamen schreibe; das Thema ist voller Tretminen, jeder Satz muß auf vor allem gewollte Mißverständnisse abgewogen werden; die anderen Diskutanten haben das Problem, weil sie anonym schreiben, nicht. Denen darf schon mal eine Aussage schief geraten, ohne daß sie Folgen befürchten müssen. Aber es gehört, andererseits, zu meinem poetischen Ansatz, Folgen um der klaren Haltung willen inkauf zu nehmen, anderen aber den Meinungsschutzraum zu lassen und zu geben, weil dann Sichten laut werden können, die man ansonsten lieber zurückhalten würde, aus Vorsicht, wie gesagt.

Die Stax sind rechtzeitig zurück, weil ich in genau einer Woche mit der Produktion des Hörstücks beginnen werde und sich Schnitte weit weniger perfekt realisieren lassen, als wenn ich sie, die Hörer, auf den Ohren habe und jeden noch so kleinen Sprung wahrnehme. Weniger angenehm freilich, wenn man so, wie ich jetzt bei dieser Pettersson-XII-CD, ein gewisse Grobheit wahrscheinlich nachträglicher Stereo-Ausbalancierung mitbekommt; im Raum, höre ich über die Boxen, verliert sich das.
Das Stück – also das Typoskript – füllt sich allmählich. Nicht alles, was ich gehört habe, werde ich als tatsächlichen O-Ton senden lassen können; einige Leute möchten nicht vor dem Mikrophon sprechen. Also mach ich mir Notizen und setze sie dann nachher in dialogische Form, die ich inszenieren lassen muß, also auch mit Atmo, d.h. Hintergründgeräuschen, anreichern. Ich bin mir noch nicht klar darüber, ob ich diese Stellen von Profisprechern im Studio „spielen“ oder sie in einer Kneipe von Laien sprechen lassen werde, um den natürlichen Sprachklang eines Dokuments zu erreichen, oder ob ich die Profis einfach in die Kneipe bestelle; ich lege Wert auf Versprecher, „äh“s undsoweiter. Einige Stellen brauche ich allerdings „sauber“: Zitate. Einen Studiotermin wird es also geben, geben müssen.

Der nächste Auftrag, nun ein mir wieder naher, kam für ein weiteres Hörstück: ein Städtebild. Neapel, wunderbarerweise, zumal ich in der ersten Februarwoche dort sowieso hinfahre; eventuell werde ich noch ein weiteres Mal hinfahren, um nämlich auch die Hitze in den Tönen einzufangen. Andererseits habe ich aus Neapel sowieso einige Töne längst im Archiv. Dieses zweite, das Neapelstück, wird es dann im Herbst 2013 zu hören geben, vielleicht auch erst im vierten Quartal des Jahres.
Es scheint ein reiches Jahr zu werden: der dritte Anderswelt-Band, die Giacomo-Joyce-Neuübersetzung, mindestens die zwei neuen Hörstücke, wahrscheinlich noch ein drittes hinzu, eventuell mein nächster Gedichtband, sowie die kleine Erzählung für >>>> Literatur-Quickie http://www.literatur-quickie.de/html/start.html ; auch die Neue Fröhliche Wissenschaft muß „nur“ zuende überabeitet werden. Das wird alles in diesem einen Jahr erscheinen oder erscheinen können. Dazu die Projekte, die ich anfangen möchte, unter anderem das Sterbebuch, dessen Fingerknöchel hier immer leise vor sich hin auf den Schreibtisch pochen.

Die Hände reiben und, Herbst, an die Arbeit. Ein Antrag ist zu schreiben, der morgen im Funk liegen muß. Ein Brief ist zu schreiben. – Abends Familie.

5 thoughts on “Deutschland ODER Die ewige Schuld: Politische – politisch genutzte – Ideologien. Im Arbeitsjournal des Sonntags, dem 20. Januar 2013, das sich ansonsten wieder auf die eigene Arbeit ausrichtet.

  1. Ganz so, daß alle nur unter dem Deckmantel der Anonymität schreiben, ist es zum Glück nicht, denn Sophia Mandelbaum ist zum Beispiel zwar ein Pseudonym, aber kein verdeckmantelndes http://sophiamandelbaum.de/post/40913044745, oder man blicke mal da hin, wo auch sehr ausführlich diskutiert wird http://antjeschrupp.com/2013/01/19/kontext-wie-worter-zu-ihrer-bedeutung-kommen/ Ich persönlich könnte jedenfalls garnicht unter einem Pseudonym schreiben, weil das dann von mir Gesagte wurzellos in der Luft hinge (aber das ist ja dann wieder eine andere Diskussion). http://nwschlinkert.de/2013/01/19/die-deutschsprachige-bibel-muss-umgeschrieben-werden-weil-martin-luther-da-so-worte-verwendet-hat-die-…/

    1. @Anonymität Das Argument bestehe für sich alleine. Anonymität vermag es mitunter vor der diskriminierenden Wirkung des sozialen Status zu schützen.

    2. [Kleiner Hinweis zu den gesetzten Links: der zu „Sophia Mandelbaum“ bzw. ZE ZURREALISM ITZELF ist sozusagen tot, weil der Text dort herausgenommen worden ist, so daß dort nun alle Kommentare in der Luft hängen, die man aber dringend mit hätte löschen müssen. Auf dieser Website ist das nicht zum ersten Mal vorgekommen, daß ein Text, der (von mir) kommentiert worden ist, herausgenommen wurde. Ich denke, wenn man keine Kommentare und keine Diskussion will, sollte man die Kommentarfunktion ausschalten. Ich werde also auf diese Seite nicht mehr verlinken und dort auch nicht mehr kommentieren. (Klar, ich hätte auch den Link hier kommentarlos löschen können, doch wo kämen wir da hin!? Das ist die Frage!)]

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