Ach meine Intelligenz! Im Sonntagsjournal des 10. Junis 2012.

9.20 Uhr:
Wieder zu spät hoch, zumal Waschtag. Deshalb bin ich unterwegs, nur kurz hier gewesen, während drüben die Maschinen laufen.
Später mehr.
Noch gar nichts an Argo getan, und die Zelte draußen, die nun nachtgelüftet sind, müssen wieder abgebaut werden. Eigentlich hatte ich einen Ausflug vor, aber das krieg ich nun nicht mehr hin, da es doch nächste Woche in die Serengeti geht. Doch noch zu gestern… ich versichere Ihnen: so blöd wie ich zu sein, das kriegen Sie nicht hin.

Schon nachmittags, beim Vorbereiten der Zelte, ging das los. Also der Imprägnierungssprayer hat einen drehbaren Verschluß; verkauft wird die Flasche in dessen Stellung OFF. Gut, ich drehe ihn. Jetzt steht aber NO da. Hilflos sehe ich meinen Jungen an, der sieht verdutzt seine Mama an, dreht sich wieder zu mir hin und sagt im amüsiertesten Ton resignativer Verzweiflung: „Aber Papa!… – o n heißt das!“
Und dann radle ich abends zu Sabine Wewers Ausstellung, hab mich eigens in den hellen Leinenanzug geworfen, sogar ein Buch vür – für (>>>> >>>> !) – sie eingesteckt – und stehe vor der geschlossenen Galerie, weil ich schlicht nur gelesen hatte 9. Juni bis 7. Juli 2012, was auch richtig ist; so steht es auf der Karte. A u c h steht aber darauf, die Eröffnung finde bereits am 8. statt. Jetzt war überhaupt niemand da. So hab ich den Anzug wieder beiseitegehängt: für die Serengeti.

Muß los, sonst klaut wer die Wäsche und, vor allem, den Rucksack, den ich im Waschsalon immer zwischenparke.

10.25 Uhr:
[Aimard spielt Liszt.]
Und dann komme ich heimgeradelt, bin noch was einkaufen gewesen, also gestern abend, und bleibe mit dem mit Nahrungsmitteln vollgestopften Arbeitsrucksack an der Pforte der Einfahrt zum ersten Hof hängen, was den Rucksack aus dem Fahrradkorb zieht und ihn auf die Platten knallen läßt. Eine Milchtüte platzt, und so sieht der Arbeitsrucksack dann auch aus. Immerhin ist kein Computer drin gewesen, und die elektronischen Geräte, die ich nahezu immer bei mir habe, Mikros, LS11, Funkstick für das Internet, haben in ihm eine eigene, vor Nässe geschützte Tasche. Aber ansonsten? Und was ich alles dann rausziehe, oben, verkläht und n o c h nicht verklebt – eine Riesenschweinerei, die den ohnedies dringenden Waschsalonstag nun unabwendbar machte. Womit dieser Tag denn, tut mir leid, Melusine, ausflugs„mäßig“ erledigt wäre, wenn ich noch zu etwas arbeits„technisch“ Sinnvollem kommen will. Die Routine ist ja eh dahin.

Hab vor den drehenden Trocknern drüber nachgedacht, warum mich das derzeit nicht wirklich nervös macht. Die Antwort ist so schlicht wie pragmatisch: weil ich die Routine vor der Italienreise nur noch mit dauerndem Krampf wiederherstellen könnte; denn ich müßte sie eh immer wieder unterbrechen. Am Dienstag vormittag die ärztlichen Untersuchungen für den Tauchschein; dann in die Serengeti und ein kleiner poetischer Vortrag zu James Joyce an Bloomsday, danach hab ich noch eine knappe Woche vor dem Abflug Richtung Rom, die ich mit Reisevorbereitungen füllen muß und dem übrigen Zeug, das vor Abwesenheiten stets zu erledigen ist. Wenn ich meine vier Seiten Argo dennoch täglich hinbekomme, dazu die Bearbeitung der Neuen fröhlichen Wissenschaft, uüberdies sind drei (!) CD-Kritiken zu schreiben, dann kann ich schon zufrieden sein.

Der Sommer ist zurück. Für Fahrradfahrer hat die Europameisterschaft den Vorteil, daß die großen Straßenverbindungen zwischen den Kiezen geradezu leergeleckt sind; gestern abend hatte ich quasi drei Spuren ganz für mich allein; im Gegenzug macht es keine Freude, Fahrradwege in Gegenden zu benutzen, in denen es viele Kneipen gibt. Dauernd rennen einem Besoffene vor das Rad und grölen einen noch an. Ziemlich eklig. Es gibt einen Unterschied zwischen Proletariern und Proleten; der Fußball macht ihn offenbar. So viel Erkenntnis, immerhin, ist bei ihm.

4 thoughts on “Ach meine Intelligenz! Im Sonntagsjournal des 10. Junis 2012.

  1. „vür Sie“. Das finde ich ausgesprochen reizend und beruhigend. Solche Verschreiber passieren also auch anderen Menschen, die die Sprache wohl ausreichend beherrschen. Ich frage mich manchmal, wenn ich solche Fehler selber mache, ob ich schon total vertrottelt bin.
    Jetzt habe ich allerdings darüber nachgedacht und festgestellt, dass es ein mechanischer Fehler sein kann. Das f und das v sind mit dem gleichen Finger zu betätigen und praktisch benachbart. Wenn man blind schreibt, kann das hineinrutschen. Ich nehme das als Erklärung, warum ich manchmal „for“ statt „vor“ schreibe. Offensichtlich weigert sich das Gehirn auch nicht, „for“ als richtig anzuerkennen, weil es im Englischen ja richtig wäre.
    Die Geschichte mit „ON“ ist entzückend und Kinder können sehr hilfreich sein. Die beiden Buchstaben haben es ja in sich: ON-OFF, NO-number,not-yes, ON-he in various slavic languages and in French, NO-theater, NO-eine Silbe, die den Genitiv auf Japanisch erzeugt: ONGAKU NO TOMO-Freunde der Tonkunst. Wenigstens im Russischen ist die Umkehrung von ON-er nicht einfach NEIN. Da heißt es NJET. Und das hat in den 80er-Jahren zusammen mit NILSEA-verboten und ZAKRITA-geschlossen die am häufigsten verwendeten Worte repräsentiert.

    1. @steppenhund zur besatzenden Sprache. Danke für den Hinweis. Hab’s korrigiert, aber so, daß das „vür“ zugleich stehenbleiben nicht nur kann, nein muß –
      Auch die Meditation über „on“ ist fein. Wobei ich, für mich selbst, denke, daß ich einen inneren zähen Widerstand gegen den Gebrauch von Anglismen habe, die ich als USA’men (auch hübsch: „US Amen“) empfinde, also als nicht nur Spuren eines kulturellen Imperialismus, sondern als seinen tatsächlichen Ausdruck. Ich meide etwa Bäckereien, bzw. gehe nie wieder hin, die anfangen, draußen Schilder hinzuhängen, auf denen „open“ steht. Ebenso Kneipen. Mir wäre wahrscheinlich die Intelligenzhemmung nicht passiert, wenn ich das Wörtchen in den USA, in Australien, Irland oder Großbritannien gelesen hätte, wobei das „no“ andererseits auch Italienisch hätte sein können, aber eben nicht in der Kombination mit OFF, das zudem nahelegt, es handle sich nicht um eine Sprühflasche, sondern um einen Automaten. Auch das kommt mir jetzt widersinnig vor.

    2. mich stören unnötige Anglizismen auch, vielleicht nicht so stark wie Sie, weil ich ja in meinem fachlichen Umfeld fast nur mit Englisch zu tun habe.
      Aber zu „Bäckerei“ fällt mir ein lustiger „Deutschismus“ ein. In Belgrad gibt es eine Unzahl von Pekaras, die meistens noch kyrillisch angeschrieben sind. (Und ich freue mich, wenn ich das dann lesen kann.) Dort bekommt man zu jeder Tages- und Nachtzeit herrliches Gebäck um ungefähr 15 Cent. Ich habe das Wort immer mit der Betonung auf der zweiten Silbe ausgesprochen und es hat mich nie jemand korrigiert. Tatsächlich muss aber Pekara auf der ersten Silbe betont werden. Und dann wird die Ähnlichkeit mit Bäckerei sehr deutlich. Als ich jemanden darauf angesprochen hatte, warum mich nie jemand korrigiert hätte, gab es die Antwort: „Es klingt so lustig, wenn Du Pekaaara sagst, als Ausländer darfst Du das.“ Nicht unbedingt leicht, unter diesen Bediingungen eine neue Sprache richtig auszusprechen. (Mir war es aber auch eben lange nicht akustisch aufgefallen.)

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