[Arbeitswohnung.]
Bei der Familie gewesen, gestern abend, mit ihr den Rinderbraten verspeist, der hier noch übrig war, mit der Sauce und dem doppelt gebratenen Weißkraut in Tupperware hinüberverfrachtet. Um zehn Uhr abends war ich wieder hier, schaltete die Computer erst gar nicht mehr an – bzw. nur kurz, um flugs >>>> das DTs zu komplettieren -, sondern las Alfred Döblins ungeheuren Wallenstein weiter, der, das weiß ich schon jetzt, zu den größten Romanen gehört, die mir jemals begegnet sind. Um Mitternacht, zwanzig nach, ging ich schlafen; um eine Minute nach halb fünf stand ich auf. Saß für Argo pünktlich um fünf am Schreibtisch. Vier Seiten im Schnitt schaffe ich täglich, jetzt, da parallel das Hörstück zu schreiben ist und immer wieder kleinere Auftragsarbeiten hinzukommen, die den Unterhalt sichern. Es bleiben noch 454 Seiten, denn ich bin jetzt auf S. 401; geteilt durch vier Seiten pro Tag ergibt das weitere 113 1/2, sagen wir: 114 Tage, bis die handschriftliche Überarbeitung abgeschlossen sein wird, den möglichen Sommerurlaub nicht mitgerechnet. Für den setze ich 21 Tage an und komme so auf insgesamt 135 Tage, geteilt durch 31 sind knappe viereinhalb Monate. Es wird also Anfang September werden, bis ich die Korrekturen in die Datei übertragen kann. Dafür seien zwei weitere Monate veranschlagt. Ergibt den Anfang November, in dem ich direkt hintereinander weg Thetis – Buenos Aires – das korrigierte Argo lesen will, um mir alles noch einmal zu vergegenwärtigen. So daß ich Anfang Dezember die letzte Überarbeitung beginnen kann, aus der die Lektoratsfassung wird. Das Lektorat würde im Februar erfolgen, vielleicht auch schon parallel zur letzten Überarbeitung je in Stößen von zwanzig oder dreißig Seiten. Jedenfalls ist ein Erscheinen des Romans im Herbst 2013 möglich, nur darf keine Krankheit dazwischenkommen.
So mein Überschlag heute morgen.
Ich bereite jetzt für Die Dschungel einen nächsten Argo-Auszug vor. Sollten die Umstände Argos Erscheinen doch noch verhindern, wird man den Roman aus Der Dschungel immerhin in groben Zügen rekonstruieren können – wer immer sich einmal in späterer Zeit daransetzen sollte. Mir ist das enorm wichtig.
Nach diesem Arbeitsjournal und dem Argo-Textstück geht es sofort mit Galoye weiter. Ich habe das Typoskript gestern noch recht gut vorangetrieben, die Struktur wird klarer, besonders: wie hörspielhaft sie gefaßt ist. Dabei arbeite ich fast nur mit Zitaten. Es ist ein Kabinettstückchen in poetischer Kombinatorik, die später allerdings die VG-Wort-Meldungen kompliziert machen wird. Dafür spare ich mir die GEMA, da ich, wie bereits geschrieben, sämtliche Klänge selbst… sagen wir: verursachen will. Mit dem Cello, aber auch mit dem großen Akkordeon, das leider seit dem Tod meiner Mutter ungenutzt herumsteht. Immerhin im Kasten.
Mittags Pressekonferenz in der Staatsoper, da würd ich gerne hin. Muß aber auf mein neues Cello warten, das heute mit dem Paketdienst ankommen wird. Da muß ich hiersein. Sonst würde das chaotisch. Denn wie von der Paketlagerstelle das riesige Ding hierherbekommen? Den Profi fragen, klar, ob ich sein Auto nehmen darf. Nur daß das ein Dienstwagen ist und Frau Merkel dessen Fremdverwendung sicher nicht schätzt. Da muß mir nur jemand, ich muß gar nicht schuld sein, hineinfahrn, schon gibt es Komplikationen bis mitten in den Geheimdienst. Nee, bis das Instrument geliefert worden ist, rühr ich mich nicht von der Stelle. Und höre auch keine Musik, weil meine Türklingel so leise; auch üben, am Instrument meines Jungen, sollte ich besser vormittags nicht.
Warten wir ab. (Morgen abend möchten die Zwillingskindlein wieder bei mir schlafen. Das ist jetzt vereinbart.)
Weitermachen, Herbst. (Die Löwin hatte eben, am Telefon, >>>> zu gestern zweidrei stilistische Einwände; ein vermeintlicher Manierismus mildere die Brutalität der Szene; sie hat, die Löwin, die Stellen noch nicht benannt, tut es später. Bitte kommentieren auch Sie so etwas. Vielleicht schimpfe ich erst einmal, doch jede Art Kritik wirkt in mir nach… ja, ich notiere mir so etwas, meist direkt im Typoskript, und nicht selten modifiziere ich später dann eben doch.)
19.15 Uhr:
Das neue Cello ist da. Dies einmal zuerst:
Das Cello ist heikler als das andere, das, ebenfalls von Bertoni, ein sogennantes Schülercello war. Dieses jetzt ist Concertino genannt und klingt sehr lange nach. Allerdings scheint mir der Abstand zwischen Griffbrett und Steg länger zu sein, also mehr „freie“ Saite, als bei dem anderen – was den kleinen Nachteil hat, daß beim zu nahen Griffbrett-Spiel der Ton zerrt, der ansonsten sehr viel geräumiger als bei dem anderen Cello ist. Der Vorteil besteht darin, daß man sich allein aus akustischen Günden eine bessere Strichhaltung angewöhnen muß, mit dem Bogen nicht rutschen darf.
Dies mein erster Eindruck.
>>>> Büning rief an; mein Text zu Sommers Sappho wird am Sonnabend in der FAZ sein. Der Artikel sei sehr sehr schön, wenngleich: manches sei dann doch zu unjournalistisch. Da habe sie etwas eingegriffen.
Mich erschreckt das nicht; ihre Lektorate waren bislang fast durchweg vorzüglich. „Etwas mehr Fakten, wann geboren, wann gestorben, wo gelebt“. Ich fokussiere ja immer fast nur auf den Text oder das Musikstück. „Ich schick Ihnen die pdf, dann können Sie meckern.“ Will ich gar nicht. Das wolle ich gar nicht, sagte ich. Und: ja, den Kagel möchte ich bitte als nächstes besprechen, Maurizio Kagel, seine lebensletzte CD. – Das ist nun eine wirkliche Ehre.
Jetzt wird mit dem Jungen Duo gespielt und, wenn er wieder fort ist, der bis eben geübt und vorher Eintopf mit mir gegessen hat, dann lese ich bis Mitternacht „meinen“ Wallenstein von Döblin weiter.