Das Arbeitslot wieder senkrecht hinab, und ich steh schauend hier oben in meinem Argo- und Galouye-Journal. An diesem Dienstag, dem 3. April 2012.

9.04 Uhr:
[Arbeitswohnung.]

Zehn nach halb fünf auf. Das übliche Ritual. Um fünf am Schreibtisch. Mit einer Unterbrechung, um kurz vor acht, zu pflegender Fingernägel halber, die das Cello kurz verlangt, sowie der nötigen, ebenfalls kurzen Staubsaugerei danach, bis neun Uhr durchgearbeitet; gekommen bis TS 375 erstes Drittel. Ab einer Stelle hab ich völlig neu formuliert, ich stelle das noch ein, muß indessen meine Handschrift dafür in lesbaren Text übertragen. Jetzt geht es erst einmal, nach diesem Arbeitsjournal, wieder an den Galouye; mit etwas Konsequenz lese ich das Buch noch heute vormittag aus. „Etwas auslesen“, was ein Begriff! Als wär es danach nicht mehr da.
Woran etwas ist. Bücher, die nicht gelesen werden, sind nicht.
Während zu dem >>>> dort und >>>> hier folgendes nachzutragen ist:
Gern, liebe Frau Diadorim, begäbe ich mich für einige Zeit hinfort und schwiege für das öffentliche Leben, also auch für die Literatur. Nur muß zum einen wirklich erst Argo fertig und herausgekommen sein; das Buch ist überfällig als dritter Band einer Trilogie, deren erster vor vierzehn Jahren erschien, so daß an den dritten keiner mehr glaubt. Was freilich nicht an mir liegt, sondern schlichtweg daran, daß sich seit dem Prozeß um >>>> Meere kein großer Verlag mehr meiner angenommen hat. Für kleine Verlage ist das Projekt aber imgrunde zu groß. >>>> Elfenbein möchte es stemmen, aber die Finanzierung steht nach wie vor nicht, zumal der dritte Band, ohne daß die beiden ersten noch greifbar wären, eigentlich nicht verstanden werden kann. Um die muß ich mich also ebenfalls kümmern. Das tut niemand sonst.
Zum anderen würde mein Verschwinden ganz sicher begrüßt, und käm ich dann zurück, kennte mich niemand mehr. So etwas ist einigen Autoren widerfahren, auch solchen, die in ihrer Zeit davor bekannt gewesen sind. Dennoch setzte ich mich gerne dann auf ein Schiff, um den Sterberoman zu schreiben, der mir seit >>>> der Kreuzfahrt nicht aus dem Kopf geht. Ein halbes, dreiviertel Jahr auf See, das käme mir entgegen. Da schriebe ich auch keine Dschungel weiter, sondern nur, nicht mehr, je eine Seite Prosa täglich, macht nach einem halben Jahr 182 1/2 Seiten, die ein nach Umfang brauchbares Buch ergäben. Im übrigen wandelte ich auf Deck oder setzte mich an die Bar für zwei tägliche Margariten morgens und abends den Sundowner, selbstverständlich >>>> Talisker. Ich wüßte auch die verbleibende Zeit sinnierend gut zu nutzen, meditativ, wenn Sie so wollen, oder in den Häfen, wie mir die Löwin gestern vorschlug, mit jeweils einer Geliebten, die ich selbstverständlich, so verlangte sie, stets wieder zu verlassen hätte, wenn das Schiff wieder ablegt, und zurückkehren dürfte ich nicht. So wollte sie das akzeptieren, wofern ich Anzüge aus hellem Leinen trüge.
Bevor ich meinen letzten „großen“, dem Umfang nach, Roman beginne, will ich tatsächlich diesen schreiben; >>>> Marebuch wartet auf mein Exposé. Der Vorschuß wird mir zu leben gestatten, wenn ich an Land bin der Ausflüge halber. Doch steht mein Sohn dagegen: er protestierte schon, als ich ihm von der Idee erzählte: „Ein halbes Jahr? Nein, Papa, das ist zu viel.“ Kinder haben ganzes Recht auf beide Eltern. Daß die da sind. Geben Sie mir noch drei Jahre. Mit sechzehn wird er alt genug sein, seinen Vater diese Zeit lang zu entbehren, vielleicht sogar ein bißchen froh, denn er hat dann die Arbeitswohnung ganz für sich. Pubertierende macht sowas glücklich. Damit haben sie recht, genau so wär es mir gegangen, als ich in seinem Alter war. Allein für seine Freundinnen wird es ein Segen werden. Da muß man nicht in den Park oder, wie in Italien, die Vorzüge von Autos schätzen lernen. Vielleicht, wenn ich zurückkomm, werd ich schon Opa. Mir würde das gefallen. Sehr.

Also erste Tagesbilanz: Zwei Gläser Latte macchiato, zwei Pfeifen und ein Cigarillo. Nebenbei löschte, die er über Nacht fand, mein Esed Nod 32 sechs Viren, bzw. Trojaner, die fürs Copy in meinem Werk spionierten, um dann mit Paste das Leere aufzufüllen, das das die Intruders spüren. Um etwas anderes kann es bei mir nicht gehen, da ich bekanntlich kein Konto mehr habe.

Irgendwann im Lauf des Tages wird mein Junge kommen, um mit mir die Duos weiterzuüben, die wir morgen auf dem kleinen Konzert aufführen wollen. Wann er hiersein wird, weiß ich nicht; deshalb ist >>>> das DTs letztlich provisorisch. Es soll den Tag auch nur strukturieren, ist mitnichten ein Gesetz. Freie Arbeiter, die etwas vorhaben, das in sich so viel mit Chaos zu tun hat, brauchen, glaube ich, Geländer.
Ist meine Galouye-Lektüre abgeschlossen, nehme ich ein schmales Buch her, das >>>> meine Impresaria mir zugeschickt hat, damit ich es, vielleicht, bespreche. Wenn ich Rezensionen schreibe, muß der Gegenstand es wert sein; gegen Verrisse rechnet sich seltenst der Aufwand, nicht einmal pekuniär.
Außerdem liegt eine CD für die Besprechung hier, Auftrag der FAZ, sowie eine zweite zur Besprechung in Der Dschungel. Dann ist immer noch das Gedicht für >>>> Robert HP Platz zu schreiben, das er in seinem Streichquartett vertonen möchte. Ich hab aber noch keine Idee; anders als viele Komponisten arbeite ich nach Einfall, nicht Auftrag.

Abends vielleicht >>>> Bar.

Reicht das für heute?

13.36 Uhr:
Sp, Mittagsschlaf. Bin ein bißchen zu spät dran, habe aber alles geschafft, was ich wollte. Den Galouye krieg ich heut nachmittag „aus“, sind nur noch wenige Seiten. Aber >>>> diadorim antworten, das mußte ich jetzt noch.
Eine Einladung zu einer Lesung nach Wiesbaden kam, zusammen mit Ricarda Junge. Und eine Einladung zu >>>> dem Urheberrechts-Symposion; ich habe beides zugesagt.

16.04 Uhr:
So, fertiggeworden mit dem Buch, das

mit einem grandiosen Armageddon endet, das in einem, treu nach astrophysikalischer Kosmologie, neuen Big Bang explodiert. Witzigerweise ist das neue Universum nicht nach Kugelformen, sondern nach Quadern organisiert: das sei vielleicht besser, denkt sich, denke ich mir, die höchste Kraft.
Das Buch war Galouyes letzter Roman und ist ganz sicher sein literarisch bester – auch in dem Weltentwurf, den er enthält.
Jetzt geht’s, als Intermezzo, an Silligs >>>> Skoda. Um zu gucken, ob ich’s rezensieren mag. Danach übertrage ich die Anstreichungen aus dem Unendlichen Mann in die Galouye-Notate-Datei.
Zwischendurch eine Anfrage des Schweizer Fernsehens für seine Online-Präsenz: ob ich wohl bitte… – verrate ich nicht, sondern verlinke, wenn alles steht.

Das kleine Konzert morgen fällt aus. Die alten Herrschaften möchten lieber eine Schlagerparade haben. Schade. Doch „umsonst“ geübt hat man ja nie: Jetzt soll unser Konzertchen nächste Woche stattfinden. Trotzdem sind mein Junge, der gerade anrief, und ich ein bißchen enttäuscht. In einer Stunde etwa wird er hier sein. Einfach weiterüben, denk ich mir.

Leider bin ich noch nicht dazu gekommen, den nächsten >>>> Argo-Beitrag, von dem ich heute morgen schrieb, abzutippen und für Die Dschungel zu formatieren. Es wird vielleicht doch erst morgen drüber werden. Vielleicht schreib ich’s dann gleich ganz in der Frühe.

6 thoughts on “Das Arbeitslot wieder senkrecht hinab, und ich steh schauend hier oben in meinem Argo- und Galouye-Journal. An diesem Dienstag, dem 3. April 2012.

  1. Ja, also, wenn Sie mich fragen, ja, reicht mir. Manchmal denke ich, dass ist schon irgendwie echtes Revierverhalten, Sie besetzen, verteidigen und markieren ihres, so lange sie leben. Ich muss mich mal schlau machen, wie es um die eher nomadenhaften Tiere bestellt ist, und ob es solche gibt, die so etwas wie ein Revier gar nicht beanspruchen, und wenn, dann sind das meine Totemtiere.
    Aber, mal im ernst, Sie töten schon ein bisschen die Vorfreude, bei Autoren, die man mag, ist es doch so, man fragt sich, na, wann kommt da mal wieder was, und dann ist es auf einmal da und man freut sich und man weiß, das muss jetzt erst mal eine Weile halten, jemand der lückenlos und permanent produziert, der tut sich in meinen Augen keinen Gefallen, auch, wenn mir klar ist, dass man sich das vielleicht gar nicht aussuchen kann. Sie sind eben so. Ich kann ja nur sagen, wie es auf mich wirkt und dass ich neben der Dschungel dann oft wenig Lust verspüre, nach den Büchern zu greifen. Ich hab auch gemerkt, dass mich nicht immer ein Gesamtwerk interessiert, früher gabs die Gesamtausgabenzeit, man hat sich dann den gesamten Hans Henny Jahn bestellt, oder den gesamten Jean Paul, heute weiß ich, das Gesamte interessiert mich in den meisten Fällen überhaupt gar nicht, warum hab ich das gemacht? Mich verlangt es gar nicht nach Vollständigkeit. Bei den allerwenigsten. Da muss gar nichts fertig, lieber Alban. Wer das Vergessen nicht riskiert, der hat ne Menge zu schultern, das ihn vielleicht noch schneller begräbt, als er denkt, so denke ich, das muss nicht richtig sein und es ist auch kontraproduktiv, denn ich sehe, ohne das Pensum leiden Sie. Warum etwas lassen oder ersetzen, bei dem man sich doch ganz bei sich fühlt. Vielleicht, weil das immer bei sich sein einem keine radikal anderen Erfahrungen erlaubt? Und weil diese unter Umständen wichtig sein könnten fürs Schreiben? Ein Autor, der nicht verschwinden mag, ist für mich eine Art tragischer Held. Vielleicht können nur Sie diese Figur geben, das ist dann Ihr Alleinstellungsmerkmal, ja, absolut, vielleicht muss das alles so. Ich weiß es nicht.

    1. Na ja, diadorim. Zu den radikal anderen Erfahrungen: es ist ja nun nicht so, daß ich nicht auch anderes, und viel davon, in meinem Leben getan hätte, von der Arbeit mit psychisch Kanken und Drogenkranken, die langen Zeiten in den Büros, den Fahrer- und Chauffeursjob, meiner Brokerzeit, immerhin fünf Jahre, meiner Zeit für eine Schweizer Bank, fast wäre ich Leiter einer Napoletanischen Filiale in der Galeria Umberto I geworden, ich sprang noch rechtzeitig ab, ein Koffer voller Blüten lag auf dem Tisch, die Pistole gleich daneben; der Arbeit für den – oder, wie man’s nun einschätzt – gegen den AWD, den Jobs in den Häfen als Sackschlepper und und und; auch Blumenzwiebeln, auf dem Markt, hab ich mal verkauft; dazu die Regiearbeiten, die Arbeiten mit Sprache und Musik. Das, wie Sie es schreiben, klingt so, als hätte ich mein Leblang nur über meinen Texten gehockt. Das habe ich auch, aber manchmal eben nur fünfsechs Stunden und die übrige Zeit, sagen wir: acht, noch was andres gemacht. Die vielen und auch langen Reisen kommen hinzu, die wirklich keine Urlaubs-Ressort-Fahrten waren.
      Und mal abgesehen davon: wenn ich jetzt aufhörte, wovon sollte ich leben – und mehr noch: mein Sohn? Was wär die Alternative? Jobben in der Kneipe? Ich könnte mich natürlich auch als Hilfskraft verdingen. Mich würde sehr reizen, als Helfer in die Dritte Welt zu gehen. Nur, vergessen Sie das nicht, ich bin 57. Glauben Sie im Ernst, ich bekäme einen anderen Job? Das Arbeitsamt würde mich als schwer vermittelbar einstufen. Was bliebe, wäre wieder selbständige Finanzdienstleistung, z.B. in einer Optionsdrückerkiste. Das können Sie nicht ernstlich eine Alternative nennen, auch wenn es vielleicht viel Geld abwürfe.
      Ich habe keine Rücklagen, schlichtweg nichts. Also, was tun?
      Aber dieses alles beiseite, habe ich eine Idee von Literatur und bin ihr verpflichtet. Gut, es ist eine Idee von Kunst; das ginge natürlich, daß ich jetzt zu malen begänne wie Fichte. Nur ist es unwahrscheinlich, daß ich damit auch nur einen Cent verdiente.
      Also. Ich warte auf Vorschläge, die pragmatisch genug sind, daß ich meinen Vaterpflichten nachkommen kann. Die für mich nicht Pflicht, sondern Überzeugung und Lust sind.

      (Das andere Argument kann ich verstehen, das mit den Gesamtwerken. Aber die entstehen halt. Und was die Überraschung anbelangt, daß ein neues Buch da sei; nun, als es Die Dschungel noch nicht gab, war ich nicht mehr gelesen, sondern extrem viel weniger. Das änderte sich erst mit Meere, das aber gleich verboten wurde, so daß die Möglichkeit, tatsächlich mal von einem Buch zu leben – sie war plötzlich mehr als realistisch, wenn ich mir die Verkaufszahlen der ersten Woche nach Erscheinen anseh -, sich völlig zerschlug.
      Ich klage nicht. Es ist geworden, wie es ist, aus mehrerlei Gründen, die ich zum Teil auch selbst zu vertreten habe; etwa hätte ich klugerweise Physik studieren sollen oder Psychologie oder, damals wäre das noch rechtzeitig gewesen, Informatik. Oder das, was ich mir eigentlich immer am meisten wünschte: wäre Musiker geworden. Denen sagt keiner – es sei denn, sie spielen zu schlecht -: tritt mal weniger auf. Abgesehen davon unterscheiden sich meine Bücher grundlegend von Der Dschungel; die ist allenfalls ihr Kommentar.)

      P.S.:
      Das hätt ich fast vergessen. Bei drei Geburten war ich dabei und stand durchaus nicht nur rum. Habe monatelang Babies gewickelt, und sie sind an mir eingeschlafen. Zwei der Kinder hab ich halb verloren; ich denke, man darf das eine radikale Erfahrung schon nennen. Und lebe damit und sorge dennoch, wo ich kann. Eigentlich finde ich schon deshalb, was Sie da schrieben, vermessen – in jedem Fall ist es wenig gerecht.
      Só, jetzt brauch ich meinen Schönheitsschlaf.

    2. Ja, ich kann und werde mich aber nicht Ihrem kompletten Werk widmen, auch keines anderen gegenwärtigen Autors, der mehr als 5 Bücher vorzuweisen hat.
      Sie sind ein gigantischer Bluffer, davon zehrt hier alles, was immer Sie davon gemacht haben oder nicht, es passte ja genauso gut in ihre Poetologie, das zu behaupten. Sie haben Ihren Spaß am verwischen der Grenzen, ich weniger, weil ich ein paar Dingen im Leben, die mir wichtig sind, einfach habhaft werden will, auch wenn das eine Illusion sein mag, von anderer Perspektive aus betrachtet, aber, die eigene Empfindung treibt einen, selbst, wenn die nicht die eigene sein sollte, was man ja von Luhmann bis zur Verwschwörungstheorie nicht müde wird zu betonen, aber das ist egal, ich habs ja kapiert, na und? Phänomenologie wirkt, auch wenn sie falsch ist. Das Spiel mit den Identitäten ist ein Spiel, was ja auch noch von der Differenz ausgeht und letztlich der Welt sagt, ihr fallt rein, man kann euch hinters Licht führen, nur dass man damit noch ein vor und hinter dem Licht annimmt, und ich glaube, da liegt der Fehler dabei, denn man bringt die Beleuchtung selbst mit als Autor, immer. Ja, sie verdienen damit ihren Lebensunterhalt, das ist doch ok. Alles Makulatur, was ich schreibe, Sie müssen von etwas leben und sie können davon leben, wenn Sie viel produzieren, also. Meine Situation ist mit Ihrer ja auch nicht vergleichbar. Selbst, wenn ich hart für meinen Lebensunterhalt arbeiten müsste, wüsste ich, ich schaffe es nicht mit meiner künstlerischen Arbeit allein, nicht, wenn das hieße, ich müsste permanent produzieren, es würde meine Gedanken abschnüren, wenn ich dauernd ein Pensum schaffen müsste. Ich kann es nur wie ein Spieler sehen, der mal auf einen Erfolg hofft, anders könnte ich es nicht betreiben, für mich wäre es Belastung, was für Sie Lust ist.
      Ja, was soll ich denken, Sie können alles, denk ich aber nicht, das macht Sie in meinen Augen nicht zu einem schlechten Menschen oder Autor, und wenn Sie das alles können, macht es Sie in meine Augen auch nicht zu einem besseren. Sie denken so, nicht ich, und Sie teilen danach den Rest der Welt ein. Damit unterscheiden Sie sich nicht von geschätzten Kollegen, die ich aber darum ebensowenig für begehrenswert halte, ganz egal, wie viele Literaturpreise sie noch auf sich versammeln. Für mich musste ein Mensch noch nie etwas leisten, dass ich ihn mag, das scheint in diesen Zeiten sehr schwer zu begreifen zu sein. Ich hingegen merke, bei Menschen, die mich nur deshalb mögen, bin ich bodenlos enttäuscht, wie ich sie selbst enttäuschen muss, auch wenn ich mich frage, wieso eigentlich.
      Manchmal frage ich mich, ob einige einfach besser von Respekt leben können als von Liebe, und ich glaube, das ist so, weil man sich Respekt immerhin noch irgendwie selbst verschaffen kann, Liebe hingegen nicht, möglicherweise. Ich habe Menschen erlebt, die mit einem großen Respekt von den Leistungen ihrer Liebsten berichteten, dass ich mich fragte, gibt es da noch etwas anderes, und was bedeutet es, wenn man sich nur auf diesem Wege zusammentun kann und mag für eine Gesellschaft.
      Ich habe eine langjährige Freundin, die könnte ich manchmal zum Mond schießen, aber sie ist eine der wenigen Personen in meinem Leben, bei der ich mich nicht wegen irgendeiner Leistung gemocht sehe und die manchmal so wenig geleistet hat, dass ich sie überhaupt nicht mehr mögen müsste, aber so funktioniert es eben nicht. Na ja, vielleicht funktioniert es eben auch doch, nur nicht bei mir.

    3. Worum geht es Ihnen eigentlich? Von Liebe war gar nirgends die Rede in meinem Beitrag, auf den Sie sich beziehen. Hab ich für meine Arbeit Liebe erwartet? Erwartet ein guter Anwalt Liebe für seine Arbeit, erwartet sie ein Arzt, ein Forscher, ein Sozialarbeiter, Tischler? Für seine Arbeit wohl eher nicht. Liebe ist etwas ganz anderes als Respekt, aus dem allerdings Liebe werden kann, wie auch aus Bewunderung oder Mitglück.
      Aber zur Literatur. Selbstverständlich lese ich auch Bücher von Autoren, die mehr als fünf geschrieben haben; sonst wären mir Goethe, Wieland, Kipling, Shakespeare, Borges, Dostojewski, Nabokov entgangen. Von manchen dieser Autoren habe ich auch alles gelesen, was irgend zu bekommen war, von den Neuen von Pynchon, zum Beispiel – aber aus Selbstsucht las ich alles, aus Leidenschaft und Begeisterung. Ich bin ein Bücherfresser, wenn ich draufbin. Es konnte auch mal was dazwischen sein, das nicht so meines war, egal, nahm ich das nächste und saß wieder drauf auf der Welle. Faulkner, Pirandello, Poe. Thomas Mann, Katl Kraus, Alfred Döblin. So what! Das müssen Sie nicht lesen, so wenig wie mich.
      Und was heißt “Sie sind ein Bluffer”?, außer daß das vielleicht eine Ehrenbezeugung wie “Eulenspiegel!” ist. Womit bluffe ich? Sagte ich, ich könne alles? Wo? Ich kann gewiß nicht chirurgieren, kann auch kein Flugzeug selber fliegen, nicht einmal den Führerschein Klasse 1 habe ich…
      Aber mal gegengefragt, da die Liebe Sie so umtreibt: Weshalb lieben Sie, wenn nicht aufgrund einer “Leistung”? Wegen des Aussehens? Wegen bestimmter Gesten? Irgend etwas, jedenfalls, ist es, das ist. Oder allein einer Projektion halber? Vielleicht eine Mischung aus allem? Wie kommen Sie auf die Idee, daß man schreibe, um geliebt zu werden? Was, sowieso, hätte man denn von der Liebe der, wenn es gutgeht, Tausenden Leser? Die kann man doch alle nicht wirklich küssen –

    4. Ja, möglicherweise erwartet auch ein Chirurg Liebe, wer weiß. Ist vielleicht spinnert, und ich bin nicht besonders katholisch erzogen, aber auch den Pasolini trieb glaub ich die Figur des Franz von Assisi um, als eine Art antikapitalistisches Gegengewicht, nicht säen nicht ernten, aber drum doch geliebt werden. Und in gewisser Weise erschienen mir Künstler ein wenig wie solche Franze. Das, was sie machen, unterliegt erst mal keinem Nutzwert, durch einen Markt natürlich dann wieder doch. Ich hab auch den ganzen Musil und den ganzen Proust und beinahe auch den ganzen Schmidt gelesen, lesen sie doch richtig, da steht gegenwärtige Autoren, da habe ich zb den ganzen Kling und den ganzen Herrndorf gelesen, gut, letzterer blieb unter 5 Büchern. Und, man kann nicht sagen, warum man liebt, mag Luhmann auch das Gegenteil behaupten und sich ans Ungefähre schon mal ranrobben, es fehlen noch so viele Koordinaten, die erklären, warum sie wen und etwas mögen und etwas und wen anderen nicht, es ist eben mehr als die Summe der einzelnen Teile. Küssen Sie ihre Leser? Ja, es treibt mich um, weil ich mir von Menschen, von denen ich dachte, sie mögen mich, auch schon sehr seltsame Dinge anhören lassen musste, und mir hinterher klar wurde, sie haben die Nähe aus ihren Annahmen heraus gesucht und vielleicht war ich auch mal ganz nützlich, aber sie mögen mich eigentlich nicht. Das schmerzt, wenn man merkt, man kann noch so ein kleines Licht sein, irgendwer wird dennoch deine Nähe suchen wegen dieses bisschens Funzeligkeit. Was immer er oder sie sich auch davon erhofft, solidarisches Mitfunzeln oder unentedeckte Halogenstrahler, mir kommt es total absurd vor.
      Ich glaube auch nicht, dass aus Respekt oder Bewunderung Liebe wird, das wäre ein frommer Wunsch, jemanden mit meinen Büchern zu verführen etwa, halte ich für ausgeschlossen, wie ich selbst es für ausgeschlossen halte, durch Bücher verführt zu werden, vielleicht gibts mal eine Ausnahme, kann sein, aber als ich mich mal in einen Autor verliebt zu haben meinte, bin ich ihm vor seinen Büchern begegnet, dass ich daraufhin seine Bücher nicht ganz blöd fand, versteht sich von selbst, sind sie auch nicht, aber ob ich mich allein aufgrund seiner Bücher für ihn als Autor begeistert hätte, ich konnte mich dran erinnern, als ein Buch von ihm gut besprochen wurde, noch bevor ich ihn kannte, las ich rein und kaufte es nicht.
      Und sie selbst lieben leistungslos und werden leistungslos geliebt, von ihrem Sohn zb, den lieben sie nicht, weil der irgendwas besonders gut kann, sondern, weil sie sein Zuhause sind und er ist ihres, und damit ist nicht das Dach über dem Kopf gemeint.
      Ah ja, und worum es mir dabei geht, um zurück zum Assisi zu kommen, Kunst steht für mich in dieser Tradition, des nicht wie viel du gemacht hast, nicht wie viel du damit verdienst, bestimmt den Wert, sondern sie ist dem besten Sinne nach wertlos, wie es Kinder und Alte sind, die noch nichts und nichts mehr leisten können, das ist der eigentliche Punkt dabei, um den es mir dabei geht.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .