Mit Amseln kurz nach sechs: Das Argo- und Galouye-Journal des Montags, dem 26. März 2012. Pläne.

7.35 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Punkt halb fünf hoch, Latte macchiato, Morgenpfeife, gleich an den Text. Der Computer bleibt noch aus. Um zehn nach sechs geht ein Amselflöten sondergleichen los, durchs sperrangelweit geöffnete Oberlicht, das breit und hoch genug ist, um deutlich Morgenkälte einzulassen. Pullover also, drüber die Alpacajacke, darüber noch der Hausmantel à la Holmes, als argen Stilbruch mein schwafwollnes Palästinensertuch dazu. Leggins und die nackten Füße in Lammfellhausschuhn. So sitze ich und lese. Wobei mich, wie parallel getrennt, die Ähnlichkeit des Grundeinfalls weiterbeschäftigt, von der ich >>>> gestern nacht noch schrieb, der zu Galouyes Simulacron 3. Als suchte ich nach einer Rechtfertigung. Die sich aus der Struktur schon ergibt, und aus der Fülle. Dennoch bin ich mir unsicher. Andererseits: Poetisierung. Galouye bleibt imgrunde bei der Idee stehen, es schafft sich nicht wirklich ausgefeilt Welt. Sollen die Leser entscheiden. Bzw. haben sie’s ja schon, schon THETIS hat weit über den Grundeinfall hinausgegriffen, ARGO variiert und verfeinert. Andererseits: sich selbst aus dem Unbewußten abschreiben, aus einer Jahrzehnte zurückliegenden Prägung durch Literatur; daß sie so weiterwirkte, spricht sehr für Galouye, dessen andere Bücher und Erzählungen aber diese Kraft n i c h t haben, vielleicht aber nur auf mich nicht. Oder ich weiß es noch nicht. Mal sehen, was sich während der Niederschrift des Skripts zum Hörstück ergeben wird.
Die Amseln locken meinen Blick, ich dreh mich rum auf dem Schreibtischstuhl, der kein Drehstuhl, sondern wirklich englisches Stilmöbel ist. Schau durchs Fenster. Noch ist die Sonne nicht zu bemerken, nicht Dämmerung. Aber die Amseln scheinen sie zu spüren, denn zehn Minuten später, 6.20 Uhr, steigt sie herunter. Eine halbe Stunde n o c h später ist es hell, und Tauben fangen zu gurren an, nicht verschlafen aber, sondern massiv. Noch eine halbe Stunde später weck ich telefonisch die Löwin. Lege die Morgenarbeit beiseite. Bis Seite 247 bin ich gekommen. Will auch noch etwas weitermachen, eigentlich, habe indes für Die Dschungel gesondert zu schreiben; auch davon schrieb ich schon gestern nacht, nachdem ich an den Verlag den Jungenroman II hinausgeschickt hatte. Wie sich das Rezeptionsverhalten ändert. Führ ich jetzt nicht hier aus.
Blick auf den Terminkalender, als erstes, nachdem die Computer hochgefahren sind. Zu telefonieren ist. Simulacron 3 ist, am Screen, zuendezulesen. Dann die Exzerpte. Eigentlich könnte ich nun loslegen, habe aber noch zwei weitere Galouye-Bücher bestellt gestern abend, die ich auch noch kennen will, so daß ich wirklich alles von ihm kenne, wenn ich das Hörstück konstruiere. Außerdem der Gedanke: zum ersten Mal die Musik selbst machen, am Cello, weniger Musik als Klang-Design, will das sagen. Andererseits würde für einiges Scelsi passen. Aber das wird das Ziel sein: keine Fremdmusiken mehr, sondern alles aus meiner Hand.
Ein paar Seiten aus ARGO will ich gesondert zusammenstellen und beim Deutschen Literaturfonds einreichen, für eines des Jahresstipendien. Meine Chancen, es zu bekommen, dürften nicht groß sein, aber probieren kann ich’s. Es sicherte ein ganzes Jahr: genau das, was ich zur Fertigstellung von ARGO schätzungsweise brauche. (Und wieder, nach meiner frischen Erfahrung mit Simulacron 3-am-Screen: vielleicht genügt es längst, wenn >>>> THETIS und >>>> BUENOS AIRES und dann eben auch ARGO allein als eBooks zugänglich werden: zugeschnitten auf die Leser der Zukunft; vor allem für THETIS ist das wichtig, weil das Buch kaum noch zu bekommen und eigentlich nur teuer zu bekommen ist.)

Würde zum Lesen gerne heute wieder hinaus in die Sonne. Aber was zu lesen war, ist schon gelesen – bis die neuen Bücher eintreffen werden. Das wird frühestens morgen sein. Simulcron 3 krieg ich innert einer Stunde fertig. Vielleicht skizzier ich dann schon mal etwas. Außerdem, was ich >>>> im DTs noch gar nicht vermerkt habe, muß ich darangehen, die Paralipomena und Notate für die zweite Lieferung bei >>>> etbBooks zusammenzustellen; habe heute morgen >>>> Abendschein deshalb geschrieben. Es wäre mir überdies lieb, käme es auch bei den >>>> Kulturmaschinen nun schnell zu einer eBook-Ausgabe der >>>> Fenster von Sainte Chapelle.

So, formulieren jetzt zum veränderten Rezeptionsverhalten; ich verlink es, sowie ich’s eingestellt haben werde. [Steht >>>> d r i n. Ich hab es aber bewußt knapp gehalten, um einer möglichen Diskussion keine Luft zu nehmen.

: 9.07 Uhr.]

8.35 Uhr:
[Alfred Schnittke, Zweites Concerto Grosso.]
Leider keine Duos gespielt heute; der Junge lernte für die Lateinarbeit, die er morgen schreibt. Auch hab ich nicht so viel wie sonst am Cello geübt, was auch an dem eingeschobenen Fußpflegetermin und daran lag, daß ich bereits die ersten Sätze fürs Hörstück skizziert habe. Auch den Titel habe ich nun: DIE VORHÄNGE DER WIRKLICHKEIT. Thema und Variationen auf Motive des erzählerischen Werks Daniel F. Galouyes. Von dem ich zwei Bücher noch lesen muß, ähm: will. Wobei ich nun meinte, erst auf die Postsendungen warten zu müssen. Dabei war ich mir sicher, „Dunkles Universum“ bereits ergattert zu haben. Doch suchte ich am Wochenende vergeblich. Bestellte noch einmal. Nun werd ich das Buch doppelt haben, denn eben, auf der Suche nach etwas völlig anderem, geriet mir ein noch verschlossener Umschlag in die Hände und darin, ecco, das dunkle Universum. So daß ich meinen Plan, mich heute abend in Döblins Wallenstein hineinzusenken, das ich momentan aber >>>> lieber als eBook läse oder am Laptop, aufgebe und abermals an einen Galouye-Text gehe. Von mehreren Seiten wurde mir jetzt der Kindle empfohlen; ich möchte aber gern ein Gerät haben, das hintergrundbeleuchtet ist – wegen meiner Augen, die bei Helle extrem scharf sehen, aber Dämmerung in Verbindung mit Texten nicht so mögen.
Während ich bei meiner schönen Fußpflegerin saß, las ich immerhin den Döblin schon an: das ist Erholung, was Stilistik anbelangt. Es wird mir guttun, einmal wieder wirklich gute Literatur zu lesen, was eine ist, für die im Mittelpunkt Sprache steht, der Plot aber ist nur das Holz, das über die Sprache seinen tiefen und lockenden Schimmer bekommt. Galouye ist deutlich ideenbetont, wobei es Varianten, immer wieder, imgrunde dreier oder vierer Grundideen sind, die er, weil er sich nicht in die Sprache hineinbegibt, auch nie sehr tief ausloten kann; erzählerisch bleibt es bei referierter Aktion. Allerdings ist das schon nicht wenig.
Gut, dann mach ich mich mal ans Dunkle Universum.

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