Dieses geschah wie unvermerkt. Es ist ein LesePhänomen. Als prägte die tägliche Beschäftigung tatsächlich den Modus der Aufmerksamkeit um.
Zum ersten Mal las ich einen ganzen Roman am Bildschirm, ohne mich nach dem Buch zu sehnen. Das war frappierend, ist es noch; wie so viel näher mir der Text in seiner quasi amateriellen Erscheinung kommt, wie viel quasi unmittelbarer er in mich eingeht, Wörter und Sätze zu Bildern werden, Zusammenhängen, auch logischen Schlüssen, gegen die sich, las ich zuvor in Büchern, allein die fremde Materie sperrte, das fetischhaft Dinghafte. Ja, es hätte mich gestört, wären noch Seiten umzuschlagen gewesen. Das wäre gewesen, als stünde ich in Rom und versuchte, die nicht mehr leicht lesbaren lateinischen Schriften an Säulen zu entziffern oder die nachgelassenen Botschaften Hinterbliebener auf Grabsteinen. – Seltsam, wie sich die Wahrnehmung verschiebt – wie schleichend, in einem, daß plötzlich der, sagen wir, E-Text bedeutsamer erscheint als einer in Druckform. Wobei der am Bildschirm erscheinende (!) Text in der Tat näher an der religiösen Idee des Wortes ist, als der in einem Buch. Das Buch ist immer auch Goldenes Kalb, um das die Aaronscharen tanzen, ist Götze, der zur Ware verkommt, wenn ihm nicht, wie die Alchemiker taten, ein Geheimnis beigeflüstert wird, das sich nirgends manifestiert: also eben das Wort ohne Bild wieder. In diesem Sinn wird in >>>> Wolpertinger und >>>> Thetis die Diskette verwendet; gerade deren technische Überkommenheit – zu der gehört, daß es kaum noch Lesegeräte für sie gibt oder bald mehr geben wird – verleiht ihr eine Aura, die vordem das Buch immer wieder umkreist hat: geheimes Buch, unsichtbares Buch, zu entschlüsselndes Buch, Necronomicon, Kabbala usw.
Interessant ist aber erst einmal das pragmatisch Nüchterne der neuen Leseerfahrung: wie wenig Buch als Konkretes sie noch braucht, ja daß das Konkrete sie stört, sich zwischen den Text (die Dichtung) und den Leser (mich) stellt, um ihn vom „Eigentlichen“ abzulenken. Daß die Befreiung vom Sentimentalen, das jeder Fetisch hat, tatsächlich als Befreiung erlebt wird und nicht als Verlust von Gefühl. Dabei hänge ich am Buch, sehr. Kann aber nun erst recht nicht umhin, sein Ende zu konstatieren – als Ende nicht nur eines Informationsmittels, sondern als Ende des Mediums von poetischem Gesang. Der mußte allerdings ohnedies immer aus den Büchern erst wieder herausübersetzt werden. Vielleicht fanden sie ihr Ende schon da, als man vergaß, daß sie allein Partituren sind. Als die Menschen also vergaßen, daß man sie übertragen muß in Laut: wie man Gedichte rezitiert.
Der Vorgang ist aber im Grunde banal: Gewohnheit nämlich. Indem ich seit Jahrzehnten lange Texte am Bildschirm bearbeite, ist der Einwand, „man“ lese nicht lange Texte im Netz, längst obsoletevoliert. Es werden, eventuell, ältere Leser den Schritt nicht mehr machen, jüngeren aber wird bereits morgen der elektronische Text näher als der gedruckte sein. Anders als dieser, s c h w i n g t er.
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Zum ersten Mal las ich einen ganzen Roman am Bildschirm, ohne mich nach dem Buch zu sehnen. Das war frappierend, ist es noch; wie so viel näher mir der Text in seiner quasi amateriellen Erscheinung kommt, wie viel quasi unmittelbarer er in mich eingeht, Wörter und Sätze zu Bildern werden, Zusammenhängen, auch logischen Schlüssen, gegen die sich, las ich zuvor in Büchern, allein die fremde Materie sperrte, das fetischhaft Dinghafte. Ja, es hätte mich gestört, wären noch Seiten umzuschlagen gewesen. Das wäre gewesen, als stünde ich in Rom und versuchte, die nicht mehr leicht lesbaren lateinischen Schriften an Säulen zu entziffern oder die nachgelassenen Botschaften Hinterbliebener auf Grabsteinen. – Seltsam, wie sich die Wahrnehmung verschiebt – wie schleichend, in einem, daß plötzlich der, sagen wir, E-Text bedeutsamer erscheint als einer in Druckform. Wobei der am Bildschirm erscheinende (!) Text in der Tat näher an der religiösen Idee des Wortes ist, als der in einem Buch. Das Buch ist immer auch Goldenes Kalb, um das die Aaronscharen tanzen, ist Götze, der zur Ware verkommt, wenn ihm nicht, wie die Alchemiker taten, ein Geheimnis beigeflüstert wird, das sich nirgends manifestiert: also eben das Wort ohne Bild wieder. In diesem Sinn wird in >>>> Wolpertinger und >>>> Thetis die Diskette verwendet; gerade deren technische Überkommenheit – zu der gehört, daß es kaum noch Lesegeräte für sie gibt oder bald mehr geben wird – verleiht ihr eine Aura, die vordem das Buch immer wieder umkreist hat: geheimes Buch, unsichtbares Buch, zu entschlüsselndes Buch, Necronomicon, Kabbala usw.
Interessant ist aber erst einmal das pragmatisch Nüchterne der neuen Leseerfahrung: wie wenig Buch als Konkretes sie noch braucht, ja daß das Konkrete sie stört, sich zwischen den Text (die Dichtung) und den Leser (mich) stellt, um ihn vom „Eigentlichen“ abzulenken. Daß die Befreiung vom Sentimentalen, das jeder Fetisch hat, tatsächlich als Befreiung erlebt wird und nicht als Verlust von Gefühl. Dabei hänge ich am Buch, sehr. Kann aber nun erst recht nicht umhin, sein Ende zu konstatieren – als Ende nicht nur eines Informationsmittels, sondern als Ende des Mediums von poetischem Gesang. Der mußte allerdings ohnedies immer aus den Büchern erst wieder herausübersetzt werden. Vielleicht fanden sie ihr Ende schon da, als man vergaß, daß sie allein Partituren sind. Als die Menschen also vergaßen, daß man sie übertragen muß in Laut: wie man Gedichte rezitiert.
Der Vorgang ist aber im Grunde banal: Gewohnheit nämlich. Indem ich seit Jahrzehnten lange Texte am Bildschirm bearbeite, ist der Einwand, „man“ lese nicht lange Texte im Netz, längst obsoletevoliert. Es werden, eventuell, ältere Leser den Schritt nicht mehr machen, jüngeren aber wird bereits morgen der elektronische Text näher als der gedruckte sein. Anders als dieser, s c h w i n g t er.
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Möglicherweise. Wird es dazu kommen, daß überhaupt keine Bücher mehr gekauft werden, sofern man sie nicht auch als eBook erhält.
(Nachgetragener Gedanke, der wie ein Instinkt eben aufschoß.)
Loblied auf das Ebook Mir geht es schon so: Ich gebe seit Weihnachten 4x soviel für ebooks aus wie für gedruckte Werke. (Und ich bin bestimmt eine, die einen relativ großen Teil ihres Einkommens in Literatur steckt.). Den Kindle (mein Weihnachtsgeschenk) habe ich immer dabei. Die ganze Schlepperei fällt weg. Da ich immer sehr verschiedene Texte parallel lese und oft am Morgen nicht weiß, woran ich weiterlesen möchte, sondern das sehr spontan und nach Situation entscheide, kommt das meinem Leseverhalten sehr entgegen. Der Bildschirm am Laptop dagegen wäre dafür nix, zu schwer das Ding und zu langsam beim Hochfahren. Man sollte da eh mal mehr drüber nachdenken: Die Unterschiede zwischen solchen, die ihre Texte diktieren oder im Stehen schreiben (Goethe), am Schreibtisch, auf den Knien, mit Tastatur oder Bleistift, Kuli oder Tintenfüller sind genauso interessant wie die zwischen Stehend-Lesern und Liegend-Lesern etc. (Darüber wollte ich mal habilitieren, aber dann wurde ich faul und Mutter.)
Trotzdem: Ich denke Sie übersehen da etwas (und zwar für Sie, der aus dem Klang, der Musik schreibt, typisch). Der “reine” Klang, den die erscheinende Schrift am Display (wieder) evoziert, konkurriert mit dem Schrift-Bild. Rezitat u n d Kalligraphie sind Verluste, die durch den Druck entstanden. Beides kann (und wird) in neuer Form wieder erscheinen: Der “bessere” Kindle hat schon eine MP3-Funktion und einen Lautsprecher, man wird sich das Buch, das man liest, also zugleich vorlesen lassen können. Man wird auch über Links Musikstücke aufrufen können, die der Text “anruft”. Ebenso wird man Bilder, viel mehr als jetzt, in die Texte integrieren. Noch steckt das alles, all die Möglichkeiten, in den Kinderschuhen. Es wird eine Kunst der Gestaltung von ebooks geben, die derjenigen der Buchgestaltung in nichts nachsteht. (Natürlich wird es auch weiterhin das billige, in 10min hochgeladene ungestaltete ebook der Amateure geben – und warum nicht?) Gegen diese Multimedia-Effekte werden Reinheitsbewegungen entstehen: reiner Text, reiner Ton, reines Bild (und aus diesen, durch diese auch wieder besondere gedruckte Werke, denke ich). Es braucht eine Reflexion dieses neuen Mediums, erst dann wird es seine auch künstlerischen Möglichkeiten entfalten. Dazu einen Anstoß zu geben, statt in das kulturpessimistische Gejammer einzustimmen, finde ich verdienstvoll.
Was auch zu klären sein wird, ist die Frage des Urheberrechts. Ich denke, wir sollten uns daran erinnern, dass es von Künstlern eingeklagt wurde, weil sie Teilhaber sein wollten und mussten in der Lockeschen Eigentümergesellschaft, die als Ideal immer noch Grundlage unseres Gesellschafts- und Rechtssystems ist. Es gilt zu begreifen, dass sie überwunden werden kann und muss. Der Bürger wird in einem neuen Gesellschaftsvertrag nicht mehr Eigentümer sein, sondern…? Marx lesen? Rousseau? Ich weiß es noch nicht. Aber radikale Veränderungen verlangen auch ein radikal neues Denken.
>Mein Loblied auf das Ebook: Ballast abwerfen!
Das ist sogar wahrscheinlich. Nur eben ist die Frage, wie lange sich das herkömmliche Buch noch hält. Die Ölförderung wird ja auch schwer und schwerer.
@tom & Melusine, sowie Schlinkert. Das herkömmliuche Buch ist an die letzten Generationen gebunden, die wiederum sentimental an “das Buch” gebunden sind. Nicht nur sentimental, sondern auch machtökonomisch. Deswegen sind die von Melusine angesprochenen Fragen entscheidend für die Geschwindigkeit, mit der neue Medien sich durchsetzen. Sie gewinnen meist erst dann an umfassendem Einfluß, wenn die Mächte nach Kapitalinteresse in die meist alten Hände umverteilt worden sind. Deshalb sehe ich auch das Urheberrecht denkerisch noch nicht renoviert: da es viel weniger eines, wie gedacht war, der Produzenten, als der Verteiler, also des Handels, ist. Vermittels Veträgen, auf die der Produzent angeweisen ist, ist er in den meisten Fällen gezwungen, seine Urheber-Eigentumsrecht durchaus nicht nach eigenem Interesse weiterzugeben. Das verschärft sich dahingehen, daß, je weiter jemand von der Produktion entfernt ist, er (sie) um so weniger verdient. Darin sind Verlage mittlerweile schon eingeschlossen: tatsächlich am meisten verdienen die Handelsketten. Das entspricht der hochkapitalistischen Logik und wird von jenen unterlaufen, die noch das Netz als freien Rahmen gebrauchen – solange sie’s noch können.
Das führt nun aber von der Diksussion weg, die mich eigentlich interessiert: dieses Gefühl von neuer Freiheit-zum-Wort entgegen dem Gebundenen eines Buches.
Ich würde jede Wette darauf eingehen, daß es das Buch als solches, sofern es sich um Belletristik im weiteren Sinne handelt, bald schon in Kombination mit dem E-Book geben wird, etwa so, daß das “richtige” Buch einerseits zu einem normalen Preis angeboten wird und andererseits zu einem etwas erhöhten, in dem aber der E-Text + bunte Bilder oder “Buchmusik” beinhaltet ist. Dann kann man zuhause gepflegt das Buch lesen, beschnuppern und betasten, unterwegs aber e-booken, bis der Akku aufgibt. So wirds kommen, natürlich ohne daß die Autoren da irgendetwas von haben.
@ANH und Schlinkert Ich habe mich offenbar nicht klar ausgedrückt, denn ich widerspreche sowohl ANH als auch Schlinkert. Weder führt der “elektronische Text” aus meiner Sicht zwingend zur “Reinheit des Wortes” (oder Klanges) zurück, noch gibt es für mich einen “Inhalt” von Texten, der unabhängig von dem Medium wäre, in dem sie erscheinen. Mich interessiert das neue Medium und ich sehe seine auch künstlerischen Chancen gerade in der Möglichkeit multimedialer Funktionen.
Das ganze Gejaule über das Verschwinden des “richtigen” Buches interessiert mich dagegen kaum. Ich bin vom Typ her kein Sammler und werde lieber Dinge los, als dass ich sie behalte.
Ich schreibe auch kaum mehr mit dem Stift und nie mehr mit einer Schreibmaschine – und ehrlich: ich vermisse das Geklapper gar nicht.
@Melusine Sie haben sich schon klar ausgedrückt, wenngleich ich jedenfalls davon ausgehe, daß das Medium letztlich nicht von Wichtigkeit ist, wenn der Text den Leser berührt, ihn oder sie “entführt” in die Welt, die verlebendigt wird, was ja nicht zwingend etwas mit dem “Inhalt” zu tun haben muß. Ich habe vor ein paar Tagen mit street-view die beiden Gegenden besucht, in denen ich in Hamburg gewohnt habe – heute wußte ich für einen kleinen Augenblick nicht, ob ich nun wirklich in Hamburg gewesen bin oder nicht. Das neue Medium birgt also neue Möglichkeiten und auch Verwirrtheiten – warum also sollte man dem skeptisch gegenüberstehen? Wahrscheinlich könnte ich mich nach einer Weile nicht mal mehr erinnern, ob ich einen Text in Handschrift oder gedruckt oder als E-Text gelesen habe, w e n n ich mich denn erinnere. Ich sammle nämlich auch nicht Materie, sondern “Anti-Materie”.
Der Text – da rührt das Missverständnis, denke ich, her. Ich habe die Vision, dass der Text im neuen Medium nicht mehr für sich existiert, sondern verknüpft ist mit Bildern und Tönen…Dann wird das wahrhaftig etwas Anderes sein – nicht “ein Buch” in einer anderen Form. Darauf warte ich.
Für mich macht es einen großen Unterschied, wie ich die Texte gelesen habe. Neulich las ich Orlando auf dem Kindle wieder und es war ein ganz anderer Text. Ähnlich wie die Erfahrung ANHs: Er war durchscheinend geworden. Es haftete ihm nichts mehr an (der Mief der verstaubten Fischer-Ausgabe). Er löste sich auch von der Fotografie der Frau, in die ich mich mit 16 verliebt hatte. Da ging etwas verloren, ja, aber ich gewann auch etwas: Ich war frei für Prinzessin Sascha. 🙂
Auch meine Unduldsamkeit ist geringer bemi Ebook: eine fürchterliche Übersetzung von “Jane Eyre”, katastrophale Zeilenumbrüche – ein gedrucktes Buch hätte ich in die Ecke gefeuert, beim Kindle lösche ich einfach und bin ganz ruhig.
Es gibt z.B. wunderbare Illustrationen zu den Werken Jules Vernes oder Edgar Allan Poes, doch habe ich diese für die Erstlektüre gemieden, weil ich mir meine Phantasie nicht beschneiden lassen wollte. Im jugendlichen Alter war ich da sehr empfindlich und bin es noch. Was Sie aber ansprechen ist eine Möglichkeit für die Zukunft, Text, Bild und Ton von vornherein als Eins zu konzipieren, ohne zu doppeln und ohne Bevormundung des Lesers, eine Art neue Kunst, changierend zwischen Literatur, Film, Theater, Hörspiel und Musik – darauf kann man gespannt sein! Von alten Texten gibt es übrigens fast immer auch neue, schöne Ausgaben, wenngleich ich letztens die lieblose und eng bedruckte Taschenbuchausgabe des Zauberbergs noch einmal las, ohne zu leiden, denn der Text ist stark genug, die Umstände zu negieren.
und mit dem Buch stirbt dann auch die Kulturförderung, keine Stipendien mehr, keine blödsinnigen Ausgaben für Hörspiele, alles gibts kostenlos..Hurra
@MelusineB. Mir geht es völlig anders. Was ich >>>> gestern nacht genoß, war die Abwesenheit jeglichen bildlichen Elementes. Das ging so weit, daß ich alle Werkzeuge meines Laptops zum Verschwinden brachte, so daß nur noch der Text blieb und ich – sowie ein elektronischer Notizzettel, auf den ich meine Exzerpte tippte. Alles übrige, abgesehen vom Text, war schwarz. Das hat mich ungeheuer konzentriert. Mehr noch: ich konnte sogar die Satztype auf meine persönliche Vorliebe umstellen, etwa waren mir die Zeilendurchschüsse viel zu groß (ich habe ja immer Schwierigkeiten bei zu locker gesetzten Büchern).
Also, jedenfalls. Ich brauche einen eBook-Reader, der aber mit dem Laptop kompatibel sein muß, damit ich von einem Gerät auf das andere zugreifen kann. Denn jener bleibt mein Arbeitsgerät; nur, wenn ich unterwegs bin, brauche ich die Alternative, weil tatsächlich der Laptop für überall zu schwer und zu träge ist.
@ANH – Satztype Das ist ja auch ein visuelles Erleben! (Mache ich auch, mir eine eigene Schrifttype aussuchen.)
Ich kenne beide Empfindungen: Bei “Orlando” hatte ich dieses Erlebnis des Durchscheinenden einer “reinen” Erfahrung des Textes, der sich plötzlich löste von allen Anheftungen (wie ein Buddhist das nennen würde). Und in anderen Fällen freue ich mich an den “unreinen Bastarden”, die Bild und Wort mischen (Wie ich selbst es gern tue. Dabei mag ich kein “illustrierendes” Verhältnis beider zueinander, sondern eher ein emblematisches.)
Kompatibel sind die ebook-Reader alle über USB-Kabel mit dem Laptop. Man kann auch Seiten aus dem Netz, die man später auf dem ebook in Ruhe lesen will, über ein Tool wie Instapaper o.a. auf den Reader schicken. Notizen kann man auch machen, das ist aber mühsam, finde ich.
Ich habe ohnehin nie oder fast nie in meine Bücher gekritzelt. Ich schreibe ab – das tue ich immer noch und immer noch mit der Hand. Die Kopf-Hand-Koordination hilft mir zu verstehen oder wenigstens bilde ich mir das ein. Es gibt Bücher, die ich fast zur Hälfte abgeschrieben habe. Das werde ich wohl auch tun müssen, wenn ich fast nur noch auf dem Reader lese.
Es wird in Zukunft sowohl das eine wie das andere geben, weil es in der Gegenwart bereits so ist. Eine Weile wird vielleicht das portable Lesegerät als solches noch etwas Besonderes sein, als “schöne” Materie nämlich, dann hat man sich auch daran gewöhnt wie jetzt schon an den Bildschirm. Und wenn die Entwicklung des E-Textes dazu führt, daß überhaupt keine häßlichen Bücher mehr hergestellt werden, sondern nur noch solche, die gut aussehen, gut in der Hand liegen, sich überhaupt gut anfühlen, gut riechen, schöne Geräusche machen – umso besser. Am Ende kommt es ohnehin auf die Qualität der Texte an, die sich ja schließlich auch auf eine Schriftrolle drucken ließen, denn eigentlich ist das Lesen am Bildschirm ja eng verwandt mit dem Lesen von Schriftrollen.
Ich habe mir vor geraumer Zeit angewöhnt, meine Bücher mit Randnotizen vollzukritzeln. Dem ebook stehe ich deshalb skeptisch gegenüber, weil ich die Haptik der umgeblätterten Seite nicht missen möchte und auch meine Randnotizen.
Aber interessieren würde es mich schon, ob denn das ebook grundsätzlich über die Funktion verfügt, an beliebiger Stelle Notizen in den Text ( oder an den Rand ) einzufügen.
und doch,… … schwingt nicht bei diesem loblied auf das unkörperlich “schwingende”, “geistige” des elektronischen textes (der es übrigens nicht ist, sondern eine immer noch an gedruckte lettern gekoppelte repräsentation dessen, was bis vor kurzem noch zwischen zwei deckeln begegnete: Sie alle lesen ja nicht quellcodes und kopfeinträge mit, nehme ich an); schwingt bei dem, frage ich, nicht ein hauch(!) von ressentiment gegenüber dem dinglichen, ja: dem buch.körper mit? all der staub, der sich sammelt, das vergilben der seiten, eselsohren, buchskorpione… uäh! dagegen: ein reiner(!) text auf dem bildschirm, dem staubfreien. — dokumente, ja: monumente der zeitlichkeit gestern, heute die ewigkeit “des” textes.
ich zumindest kann nicht umhin, in diesem strang eine art neuneuplatonismus in sachen buch auszumachen, eine abwertung des haptischen, die mich gerade beim erklärten nicht-platoniker und anti-monotheisten herbst schon überrascht. dagegen halte ich am buchkörper (mit allen seinen ausscheidungen) fest. erst recht an einem so herrlichen frühlingstag, der anno revolvente aufzeigt, wie schön körper doch sein können.
@Aikmaier. Das ist mir selbst aufgefallen, wiewohl ich tatsächlich so wenig mit Unkörperlichkeit, ja sogar A-Körperlichkeit zu tun habe. Dennoch. Ich hatte während der Lektüre genau die Empfindung, von der ich schrieb: ungemeine Leichtigkeit der Lektüre, aber nicht wegen der Anspruchslosigkeit, sondern einer bemerkenswerten Nähe wegen.
(Ganz von der Hand weisen kann ich freilich nicht den Aspekt einer sehr persönlichen Hoffnung: nämlich auf die eBook-Weise auch meine großen Texte wieder verfügbar machen zu können, ohne daß es der riesigen Kapitelmengen bedarf, die etwa ARGO verlangt – Hauptargument bisher der Verlage, das Buch nicht verlegen zu können, also derer, die es gerne herausbrächten. Die Angst vor Remittenden – also enormen Lagergebühren -, die besonders bei 1000seitern groß sein muß, löst sich quasi im kybernetischen Raum auf.)
@aikmaier Ich gebe das unumwunden zu: Mir graut vor der Fülle der Dinge, wie sie sich um mich stellen und auftürmen, wie sie mir die Luft zum Atmen rauben. (Dieser Alptraum begleitet mich seit ich denken kann: Eine Armee aus toten Dingen, die mir langsam die Brust zudrückt.)
Vielleicht kommt das, weil ich chaotisch bin und der Dinge nicht Herrin werde. Ich will sie immer los werden. Die viel geschmähte Wegwerf-Kultur ist mir grade recht. Mit leichtem Gepäck möchte ich reisen und doch sammelt sich immer was gegen meinen Willen an. Ich habe auch nie so viel Angst vor und soviel Wut auf Menschen wie gegen Dinge. Und es sind immer die Dinge, die mich zu Gewaltausbrüchen bringen –
“die Sache hat uns in der Hand” wie der Mann ohne Eigenschaften feststellt; ich glaube fast, es ist der Protest gegen diese Feststellung, der mich mehr als alles andere antreibt.
(Deshalb vielleicht auch sind mir die Fetischisten so verdächtig und fremd.)
@Melusine: ich weiß, ich weiß. kenne das, werfe selbst gerade mächtig ballast ab, indem ich einfach mal meinen wohnraum um zwei drittel verkleinert habe. da muss ich mich einfach, und auch von vermeintlich oder tatsächlich liebgewordenem trennen.
andererseits: “asmus omnia secum portat” leuchtet mir auch nicht zur gänze ein. dafür gibt es einfach zu vieles schöne, vornehmlich zwischen zwei deckeln oder in vinyl geritzt. das ist eben die spannung, mal ist man herrin, mal knecht der buch- und klangkörper rings um einen. dabei muss es nicht immer gleich ein fetisch sein, der ja stets ersetzung oder verschiebung impliziert.
allein mit der marble mouse vor einem riesigen glatten bildschirm, bereit für “reinen” text, klang und bild? alles verfügbar? chaosfrei und staublos? — nö, danke. das hat auch mit geschichte zu tun, doch die wird ja ohnehin mehr und mehr zur bête noire, oder eher: zum aenigma für die öffentlich meinenden und die schaltenden stellen.
es ist immer wieder etwas an anhs these, das privateste sei oftmals das politische oder ihm zumindest familienähnlich.
und was macht ihr alle mit Eurem Loblied wenn dem Ebook die Elektronik flötern geht?
Elektronik… … ist austauschbar.
Dieses hier, Selexyz, gehört ganz sicher in Ihre Diskussion. Lesen Sie bitte ——> dort den Artikel des BuchMarkts.
D.
Vieles an der Befürwortung neuer Technologie in diesem Bereiche halte ich für richtig. Nur ein klitzekleiner Affekt blitzt in diesen Disskusionen um das Neue, von manchem unbemerkt, immer wieder auf.
Günther Anders (geboren als Günther Siegmund Stern) richtete diesen Affekt mit dem Satz: “Reaktionär ist heute, wer sich schämt ein Maschienenstürmer zu sein.”
Diskussion, sorry
…und was soll aus mir werden?