14. Februar 2025
Karlsruhe
“Briefe nach Tiest”
ANH erzählt und liest
Circus 3000, Alter Schlachthof 13a, 19 Uhr
18. Februar 2024
Berlin
In der Reihe “Das Werk” des Literarischen Colloquiums (LCB)
Eine ANH-Werkschau. Mit ANH und (Moderation noch nicht klar).
LCB, Am Sandwerder 5,
Berlin-Wannsee, 19 Uhr
Thomas Mann: Weistu was so schweig.
Nämlich unerachtet jener Interpreten – sie haben eine eigene, und bedeutsame, Auslegungstradition -, die den Doktor Faustus als eine Parabel in allererster Linie verstehen, die auf das sogenannte Dritte Reich geht, habe damals ich das Geschehen um Adrian Leverkühn völlig konkret, ja naturalistisch verstanden. Darin schließe ich das große Gespräch mit Samuel ein, der Leverkühn, nachdem er sich einer von jenem, auch Mefistofeles genannt, ausströmenden Kühle wegen, zu der es nur noch eine einzige Entsprechung gibt, im Schneekapitel des Zauberbergs nämlich, den Wintermantel geholt hat und das Plaid, das nun dem Komponisten auf den Oberschenkeln liegt, einen Vertrag offeriert, von dem der gar nichts wußte.
Das nämlich ist das erste Ungeheure, das Thomas Mann dem alten Mythos hier an Neuem gibt. Es wird ein zweites, noch Ungeheureres folgen. Das ist ein Dichter, der es schafft, einen Mythos nicht etwa umzuschreiben, und so erbärmlich klein, wie es >>>> die Wolf tat, aber verständlich natürlich im Rahmen der pragmatischen und rechtkorrekten Denkungsart, sondern ihn aufzuladen neu mit einem ganz neuen Bild, das mit dem alten dabei gleichzieht, als hätt es drauf gewartet – ganz so, wie jedes Erkennen Liebender, sagt Bloch, Anagnorisis sei: Wiedererkennen.
Was für ein Roman! Und daß das Roman i s t. Der zugleich seine Handlung nicht verrät, die der Schein der schönen Melodie wär, wann man das vergliche. Wie bring ich‘s überein? zumal mit meinen einundzwanzig, damals –
Das hätte ich freilich hier noch beiseitelegen können. Aber dann fügt Thomas Mann dem Mythos noch ein Zweites Neues bei, legt es hinzu, amalgamiert es ein für alle Male: Nie darfst einen Menschen du lieben. Nicht die eigene Seele ist der geforderte Tribut, einzuholn nach vierundzwanzig Jahren, sondern die des Menschen, den man liebt –
Furchtbareres ist nicht zu denken und zu fühlen.
So sitzt das nun und bleibt.
Und spät, so spät wie Ada, erreichten mich die >>>> Josephsbücher, die nun schon Bücher nicht mehr sind, sondern Wunder, wie es nur eines ist, von dem ich >>>> hierauf sprechen möchte. Jene aber wurden mir tatsächlich in ihren Erstausgaben, die noch in Stockholm erschienen, in die Hand gegeben:
(Aber ich lege diese Sinfonie nun für mein zweites Hören auf.)
(Und n o c h ein Nachsatz:
Lieber >>>> Manfred Hausmann, Sie mögen sich mit Thomas Mann sehr schwer zerstritten haben. Doch nach dem Ende der Menschen, die wir waren, liegen wir manchmal beieinander. Und wirken dann gemeinsam. )
Entdeckung Großartig, genau diese Ausgabe des Doktor Faustus entdeckte ich soeben im Bücherschrank meiner Tochter, ein Erbe ihres Großvaters, mit einer Widmung aus dem Jahr 1949: “Zur Erinnerung an den ersten Geburtstag nach Krieg und Gefangenschaft, 1. Juni 49, Dein Freund Erich.” Werde wohl in den nächsten Tagen auf der Spur dessen, was ANH geprägt hat, in dem Buch so manche Stunde herumschmökern, mit der Aussicht, auch zum Werk des ANH und zur zeitgenössischen Musik einen noch besseren Zugang zu finden.
Bis heute @Cellofreund wünsche ich mir, daß meine Bücher eines Tages genau in diesem Satz gesetzt sein werden; immer habe ich das gewünscht: diese Type, diesen Durchschuß, diesen Satzspiegel. Zum Beispiel für den >>>> Wolpertinger. Das ist allerdings komplett unrealistisch. Er hätte sonst nämlich nicht tausend, sondern zweitausend Seiten.
Aber schon für >>>> Thetis wäre es gegangen.
Aber vielleicht später einmal, im Alter, wenn mein letztes großes Projekt geschrieben ist, der Friedrich-Roman. Für den ich mir viel Zeit nehmen will. (Aber auch an Anderswelt sitze ich ja seit nunmehr achtzehn Jahren. Der Wolpertinger brauchte nur zehn,)
Friedrich- Roman Friedrich- Roman? Ein biographischer Roman? Über welchen Friedrich? Darf man das schon erfahren? Vielleicht haben Sie darüber schon geschrieben und es ist mir entgangen.
Friedrich zum Cellofreund. Ganz sicher nicht der Preuße. Wer also bleibt?
Ich weiß den ersten Satz schon. Er ist wie Ismaels.
Friedrich Der Stauferkaiser, dessen Sarkophag im Dom von Palermo steht- 1995 war ich dort. Und der erste Satz- vielleicht “Nennt mich……….Federico??” Schade, daß Sie den Roman erst im Alter schreiben wollen.
“Nennt mich Federico.” Zu sanft für ihn. Der Mann ist viel normativer. Er s e t z t.
Friedrich wohl eher den I., Barbarossa oder Nietzsche. Schiller nehme ich nicht an.
(@profi zum Instinkt, der ausgeprägter bei Freunden der Violoncelli ist:)
Wollte jemand ihn abgeben, Schiller, bei Ihnen?
Nö, der wurde bereits bei der Schulbibliothek abgegeben.
1. Satz des Romans Nein, weiter komm ich nicht? Verraten Sie ihn uns?
Das wäre, Cellofreund. zu früh. Zu öffentlich einfach weggegeben.
Zu früh Ja, das versteh ich. So bleiben das Warten, die Neugier und die Spannung- und die Hoffnung, die Lösung des Rätsels noch zu erleben. In Gedanken werde ich sicher oft weiterraten.
Langer Weg nach Davos Thomas Mann haben wir in der Schule gelesen: „Felix Krull“. Sonderlich beeindruckt war ich nicht. Lag sicher an mir. Wie hier ja zu lesen, war der junge Alban H. anscheinend in der Entwicklung bereits weiter gewesen als ich damals. Ganz lustig, der Krull, mehr erinnere ich nicht, bis auf die endlos langen französischen Passagen, die ich nicht verstand.
Machte mir nichts. Mein Gott in der Jugend war Hermann Hesse. Und wenn mich etwas mit Büchern geprägt hat, dann das Er-Fahren, das ewige Abgleichen von Natur und Geist, von Saft und (Geistes-) Kraft, die „zwei-Seelen-wohnen-ach- in-meiner-Brust“, Leben und Denken, Märchen und Wirklichkeit im „Narziß und Goldmund“. Das hatte mich zerrissen – und vorsorglich habe ich in das Buch auch nie wieder hineingeschaut. Ähnlich, etwas anders, aber ähnlich bestimmend, wenig später und unter ganz anderen Vorzeichen, Nikos Kazantzakis mit dem Alexis Sorbas. Aber nicht Thomas Mann, viele Jahre nicht. Ich las alles von Hesse, von Mann nichts.
Wollte ich zwar gerne. Ich war häufig in Davos. Ich mochte die Bilder von Ernst Ludwig Kirchner. Ich wollte auch den Zauberberg“ mögen. Hab‘ ich aber nicht. Langweilig. Abgebrochen. Mehrmals.
Das änderte sich erst im reifen Erwachsenalter. Über den Umweg der Märchen von Hans Christian Andersen, die ich auch erst las und liebte, als ich längst erwachsen war. „Neues vom Zauberberg“ hieß da plötzlich ein Sachbuch. Und dessen Autor Michael Maar erläuterte über hunderte von Seiten in einer sensationellen Beweisführung, dass der „Zauberberg“ eine komplette zweite Ebene hatte, auf der die Märchen von Andersen neu gespielt wurden. Der verschwundene Buchstabe bei der Séance. Joachim Ziemßen als „Der Standhafte Zinnsoldat“, beide mit den Beschädigungen im Unterleib. Kai und Gerda im Schnee. Der Bergwanderer Rudi geht über die Terrasse des Zauberbergs, es ist fast so wörtlich von Andersen übernommen, man fasst es nicht.
Mit Andersens Märchen auf den Knien habe ich sodann den „Zauberberg“ verschlungen. Und seit dem die meisten der anderen Romane und Geschichten auch. Unvergesslich „Wälsungenblut“, der Rausch, die Ekstase, in die die Geschwister versinken, der Ehemann wird beschimpft; letztes Wort: „Goy“. Der Streit der Buddenbrock-Brüder über die auferlegte Selbstdisziplin des einen, während der andere die Zügel loslässt, jetzt, im Angesicht des Todes – „und Mutter liegt nebenan!“ tadelt Tony – bricht alles heraus.
Heute ist mir ein Leben ohne die ständige Begleitung von Thomas Mann (und einigen wenigen anderen) kaum vorstellbar. „Denkbar, aber sinnlos“, wie der Scherz über ein Leben ohne Hund geht (ist aber wohl doch nicht aus „Herr und Hund“!?). Heese ist versunken. Aber oft blättere ich in den TM’s „Betrachtungen über Große Meister“. Oder erinnere mich, wie auffällig unauffällig sich Joseph nach dieser Schönen am Brunnen erkundigt, aufgeregt, fahrig fragt nach dieser, wie heißt sie noch, ja, Rahel, so wohl …. Oder lese respektvoll erschüttert wieder in den Erzählungen.
Nur die Geschichte um Tonsetzer und Teufel, die habe ich noch vor mir. Und ausgerechnet nun dieses Buch, nur dieses, hatte SIE geprägt, lieber ANH – in so jungen Jahren! „Alles autonome Musik“ schreiben Sie. Na, ich bin ja `mal gespannt. Ich erinnere gut ein bewegendes Musikkapitel weiter hinten im „Zauberberg.“
Beste Grüße
NO
weistu was so schweig Es ist ein Roman, der schwierig ist für die, die Adorno nicht kennen, die Zwölftonmusik nicht und nicht Alban Berg, und die die Deutschlin-Entwicklung nicht mögen und nicht den Nationalsozialismus im Kridwiß-Kreis, die mit der Biographie von Nietzsche nicht vertraut sind und nicht mit Mahler, die keine Musiker sind und nicht vertraut mit Komponieren, nicht mit Luther-Deutschland und den Tischreden.
Mithin haben mich – vom grandiosen Teufelspaktkapitel abgesehen – im Wesentlichen erst die letzten 250 Seiten gepackt, erst das letzte Drittel, als die Tragödie der Rodde-Schwestern sich entwickelt. Mord, Selbstmord, Auftragsmord, verbranntes Menschenfleisch, der Tod der Liebenden zusammenkomponiert, Hanno Buddenbrook II, da kommt schon Tolles zusammen! Auch die unterschwellige Andersen-Motivik ist wieder da, diesmal allerdings deutlich ausgesprochen. Auch die Scham, über die wir beide einmal diskutierten im Zusammenhang mit Deutschsein und Yad Vaschem.
Eigenartig: „Pädophiles noch“ habe ich nicht herausklingen hören. Aber ob Zeitblohm, der sonst immer von seiner Helene nur als seiner „guten Frau“ spricht, bei Leverkühn aber immer aus dem Häuschen ist und dessen Nähe braucht, ob der nicht auf Schwertfegers (oder Mann’schen) Spuren wandelt – der Gedanke kam mir häufiger!
Was für ein Roman – ja! Ja, aber doch ein bisschen aus der Zeit gefallen mittlerweile.
Das, lieber Dr. No: ein bisschen aus der Zeit gefallenkann ich nicht beurteilen, auch nicht aus meiner persönlichen, mit den musikalischen Aspekten ja einigermaßen vertrauten Sicht. Ich habe das Buch lange lange nicht mehr gelesen, sondern >>>> in dieser Reihe von Büchern geschrieben, die mich als ganz jungen Menschen geprägt haben, was wiederum bedeutet: die auf die eine oder andere Weise Quellen meiner Arbeit gewesen sind und so darin weiterwirken, bis heute gewiß, was Ihr Zitat belegt. >>>> Dort drin gibt es ein Variationsstück, das eben mit diesem Zitat umgeht, es noch ein weiteres Mal verwandelt und neu setzt, eine meiner ersten Erzählungen, übrigens.
(Ich habe auch noch Exemplare selbst hier, falls Sie Interesse haben und ein autographiertes haben sollten).
Schön, wieder von Ihnen zu lesen, der Sie mich zudem daran gemahnen, daß ich die Reihe noch abschließen muß.
Conan Doyle, Freud und Fix und Foxi Der Vertrag über, selbstverständlich, 24 Jahre. Ich nehme an, d e r Deters-Deal ist gemeint oben. Falls nein, nehme ich gerne den Erstling. Aber bei Deters lese ich von Ihrem Apotheker-Vater und denke Zeitblohm. Und aus Bremen kamen die Roddes. Und TM schreib immer an eine Agnes. Gut, gut! Die „sexuellen Bänglichkeiten“, die treffen Leverkühn wie den frühen Herbst, wie man ja den Prägungen entnehmen kann. Und dann auch nicht mehr, man muss die Bänglichkeiten ja nur englisch lesen.
Der Vertrag, der Sie band, ist ausgelaufen! Sie könnten also die Fix-und-Foxi-Sache richtig stellen, denn davon lese ich in den PRÄGUNGEN nichts, stattdessen lese ich: Tarzan.
Ja, es wäre schön, wenn Sie sich der Prägungen bei Gelegenheit wieder annähmen!
Beste Grüße
NO