JesuSeiDank!: keine große Musik… – Calixto Bieito inszeniert Francis Poulencs „Gespräche der Karmelitinnen” an der Komischen Oper Berlin. 26. Juni 2011 (Premiere).

[Fotos: >>>> Monika Rittershaus
(Erstes Bild von ANH/IPhone).]

Der ausgestoßene Seufzer hat Grund. Wir hätten nämlich sonst, wie bei Wagner, Pfitzner und Strauss, ein Problem: es wäre andernsfalls unumgänglich, sich wieder und wieder mit dem Werk auseinanderzusetzen. Poulencs Stück indes bleibt letztlich nur ein Ärgernis… – wenn man, jedenfalls, nicht wie Tristan Tzara reagiert und das Opernhaus bereits im ersten Akt mit höhnischem Gelächter verläßt, zu dem man sich eckenpissend entleert. Neben dem Ärgernis gibt es freilich eine bedenkliche Auffälligkeit: Man muß die Frage stellen, weshalb Poulencs Oper solch eine Renaisseance erfährt – allein in Berlin hält sie sich seit 1994 ununterbrochen auf dem Spielplan, >>>> an der Deutschen Oper nämlich. Vor sieben Jahren schrieb ich fürs Opernnetz darüber. Ich stelle, >>>> in Kommentarform, meinen damaligen Text hier noch einmal drunter; das ist insofern sinnvoll, als daß die Interpretationsrichtung der Regisseure eine so verschiedene ist. Bieito macht eine Befreiungsoper aus dem Stück, eine Frauen-Emanzipationsoper gar. Und das geht gründlich schief.Vorweg indessen dies:
Nicht nur sind die Leistungen der Sänger wunderbar – grandios die leider nur kurze Partie Claudio Otellis, herzklemmend innig Erika Roos’ Madame Linoine und wie sie plötzlich, der Idee des Dienens verpflichtet, gegenüber der fanatischen Mutter Marie ihre Stirn zeigt; restlos glaubwürdig Julia Giebels so menschliche Constance und bitter, sehr bitter in ihrem Sadismus, die Kapo-Arien Irmgard Vilsmaiers -,
– nicht nur spielt das Orchester unter Stefan Blunier einen, so weit die allzu zivilisierte Partitur das zuläßt, expressiven Abend,
– nicht nur sehen wir ein erschreckend bis in scharfe Lagerscheinwerfer aus Stahlbettgerüsten zur seelischen Kälte erbautes Bühnenbild (das Karmeliterkloster ist eben nicht ein Zufluchtsort, sondern ein modernes KZ, das manches von Natalis >>>> Cube hat) -,
– – sondern vor allem sind Bieitos Regieeinfälle immer wieder hinreißend: sei es der fast nur gehauchte Seufzer der Erleichterung, der Mutter Marie entfährt, als die alte Priorin endlich gestorben ist, nach sich ständig vollkackendem Todeskampf mit hysterischen Visionen und losgeschrieenen Krämpfen der Angst; sei es, daß Bieito eine der Nonnen leise an der Klostermauer eine Zigarette rauchen läßt, sei es der Übersprung des Hysterischen auf die an sich völlig gesunde Constance, deren Darstellerin tatsächlich schwanger ist, was eine Wahrheit in die Inszenierung hineintut, die Bieitos Interpretationsansatz gleichsam de natura überführt: Nonnen kamen ja durchaus nicht alle freiwillig ins Kloster; viele sogenannt gefallene Mädchen waren darunter, nach Beschluß ihrer Familienvorstände, und massenhaft Frauen unterm Machtkalkül… –

– so hilft es alles nichts: Poulencs Nonnenoper als Befreiungsstück aufzuführen, muß schiefgehen. Tatsächlich nämlich flieht die pathologisch schwer gestörte Blanche nicht nur vor dem Jakobinerterror, sondern insgesamt vor der äußeren Welt in den religiösen Terror der inneren, der ganz derselbe ist, nur internalisiert. So auch ließe sich das Stück mit etwas Erkenntnisgewinn vielleicht inszenieren: als das Drama einer objektiv kranken Seele, für die es seinerzeit noch keine therapeutische Hilfe gab. Weshalb sich das Kloster als ein wenigstens möglicher Schutzraum anbot, auch wenn bereits die erste Begegnung Blanches mit ihrer künftigen Priorin von einer Kälte starrt, die ein Licht auf eine ganz andere Oper – aber eine wirklich-große – wirft: auf Pendereckis „Die Teufel von Loudon” nämlich. So daß man sich fragt und fragen muß, weshalb nicht sie statt dieses poulenc’schen Schmocks auf die Bühne gebracht worden ist, wenn man denn schon ein Nonnenthema will. Jedenfalls bestärkt sogar das Ende der Karmeliterinnen den Spiegelcharacter der Terrorformen, der exogenen und der internalisierten: Denn die schon in >>>> Gertrud von le Forts Novelle zum Freitod der Nonnen mythisierte Schlachtung affirmiert nur das Urteil des Nationalkonvents. Dies als Selbstbefreiung auszugeben, ist nicht nur absurd, sondern politisch sogar skandalös, wenn man weiß, daß die moderne Frauenbewegung in der französischen Revolution nun wirklich nicht im Kloster, sondern mit der Déclaration des droits de la Femme et de la Citoyenne von 1791 ihren bis dahin wohl wichtigsten Anfang nahm. Und sowieso. Die Klöster mögen bisweilen ein Ort caritativer Selbstfindung gewesen sein, ganz sicher aber nicht ausgerechnet der Karmeliter-Orden, der in nicht wenigem an die >>>> psychopathologischen Gemütlosigkeiten des Calvinismus erinnert. Tatsächlich ist, was uns gezeigt wird, von einer enorm faschistoiden Energie, die nur jemand nicht spüren kann, der diese Tatsache abwehrt, weil sie ihm in den eigenen ideologischen Kram nicht paßt. Dieser ideologische Kram ist bei Bieito „die unterdrückte Frau” – für die er in nahezu allen seiner Inszenierungen einsteht. Das funktioniert, wie >>>> in seiner Butterfly, dann großartig, wenn eine Oper einen machistischen Motor hat wie bei Puccini, der das in großer Gefühlsaktivierung verdeckt. Dort inszenierte Bieito gegen den Strich; für die Karmeliterinnen ist auffällig, wie brav der Katalane mit der Oper umgeht – vielleicht spürte er, daß andernfalls gar nichts geblieben wäre und daß man, um dieses Ding überhaupt auf die Bühne zu bringen, es kräftig stützen muß. Jedenfalls stellt er eine Verbindung zu den >>>> Dreizehn Rosen her, die aber nun alles andere als Nonnen waren. Wenn zumal, wie intern zu vernehmen, Bieitos Inszenierung „eine Verbeugung vor allen Frauen” sei, die für eine Idee in den Tod gegangen sind, gilt das wohl auch für die Eva Brauns dieser Welt und für die Meinhoffs und Ensslins wie für die radikalen Islamistinnen, die ebenfalls mit ihrem Leben, und für den Terror, einstehn. Der Gruppensuizid steht zugleich für die Psychopatholologie von Sekten, woran insgesamt die in dem Stück vorgeführte Klosterverfaßtheit erinnert. Ist >>>> Jim Jones’ People’s Temple denn wirklich vergessen? 921 Menschen, darunter 276 Kinder, gingen in den Tod oder wurden „freiwillig” zu Tode gebracht – ja, Bieito soll sogar ein inzestuöses Verhältnis, also einen Mißbrauch, habe nahelegen wollen, den Vater und Bruder an der armen Blanche verübt – die dann wohl deshalb seelisch erkrankt sei. Das wäre dann so richtig modern in den Zeitgeist gefaßt, auch wenn das Libretto für so etwas wirklich nichts hergibt, auch nicht >>>> Bernanos und erst recht nicht Le Fort. Und sowieso: Diese Frauen werden im Kloster sadistisch zerbrochen, sofern irgend etwas an ihnen noch heil war.

Nein, sie ist abwegig, diese Inszenierungsidee. Sie feiert, ohne das freilich zu wollen, die Unmenschlichkeit, ganz abgesehen davon, daß sich grundsätzliche theologische Fragen auftun, weil die kirchliche Büßer-Idee an sich der mystischen Kraft des Kreuzestodes grob widerspricht: christlich gesehen, ist sie ein Verrat am Erlöser. Denn wären wir alle Sünder-von-Geburt, wäre Christus tatsächlich nicht Christus gewesen. – Doch das ist anderswo zu diskutieren. Hier interessiert einzig noch, wenn schon die Szene versagt… sie versagt aber nicht, denn Rebecca Ringsts Bühnenbild spricht gegen Bieito die Wahrheit… – hier interessiert einzig noch, was die Musik uns hinzutut.
Wenig.
Bisweilen kommt Poulenc den Menschen nah, aber nur selten, etwa in der Szene Blanches und der Priorin an deren Sterbebett oder wenn der Bruder die Schwester beschwört, das Kloster wieder zu verlassen. Jedoch meistens zerfließt sie sich flach im Akkordischen oder beult sich hohl auf. Wo aber Poulenc thematische Einfälle tatsächlich hat – sie erinnern zuweilen an Janáček -, da fehlt ihm dessen kompositorische Kraft und vor allem die Imagination, wirklich etwas daraus zu machen; so versickern sie und gehen in eine Art Schönklangsbrei ein, der Melodie höchstens mal halb wird. Oder die Musik ist grob-demagogisch, vor allem am Ende der Oper, das den Schaffott-Tod vorführt, mit guillotinescharfen Schlägen in den Musikfluß, wenn das Beil fällt. Das funktioniert zwar, doch ist das pure Rhetorik. Deshalb berührt es nicht. Man vergleiche einmal eine dramaturgisch ähnliche Partie, nämlich den Dritten Akt von Puccinis „Manon Lescaut”, worin – wie hier die Namen der zu Köpfenden – einer nach dem anderen die Namen der verbannten Kurtisanen aufgerufen werden. Puccini beläßt es da bei der demagogischen Musikführung nicht, sondern legiert sie thematisch mit einem Liebesduo von berührtendster Schönheit: genau das setzt der Demagogie eine persönliche Utopie entgegen, und es ist eben das, was dann sogar aus den Aufrufen der Namen, ja aus den Namen selbst, deren meisten uns anonym bleiben, die Menschlichkeit herausstrahlen läßt. Sie kann nun immer nur eine persönliche sein. Das Persönliche aber fehlt dem Kloster, das sogar auf die Auslöschung des Individuellen angelegt ist und auf die Auslöschung des Namens. Darin ist es genau wie das Schaffott.

Dennoch gibt es große Momente dieser Aufführung. Es sind die des langen, langen Schweigens, etwa während der stummen Totenwäsche. Es sind die Momente, da die Musik verstummt, weggewischt von Bieito wie etwas Störendes, das sie eben auch ist. Seinetwegen, des Schweigens wegen, lohnt sich der Besuch. Und weil man nachher fast endlos diskutiert: was ein Mensch denn sei und was s i e ist, die Freiheit. Und vielleicht sogar einmal werde.

Gespräche der Karmelitinnen
Oper in drei Akten von Francis Poulenc
Libretto vom Komponisten nach Georges Bernanos
Deutsche Textfassung von Peter Funk und Wolfgang Binal 

Musikalische Leitung … Stefan Blunier. Inszenierung … Calixto Bieito.
Bühnenbild … Rebecca Ringst. Kostüme … Ingo Krügler. Dramaturgie … Bettina Auer.
Chöre … André Kellinghaus. Licht … Franck Evin

Claudio Otelli – Maureen McKay – Dmitry Golovnin – Christiane Oertel
Erika Roos – Irmgard Vilsmaier – Julia Giebel – Caren van Oijen – Elisabeth Starzinger
Peter Renz – Thomas Ebenstein – Hans-Peter Scheidegger – Carsten Sabrowski.

Die nächsten Vorstellungen:
26., 30. Jun.
03., 09., 16. Jul.
08., 16., 29. Okt.
03. Nov.

>>>> Karten.


16 thoughts on “JesuSeiDank!: keine große Musik… – Calixto Bieito inszeniert Francis Poulencs „Gespräche der Karmelitinnen” an der Komischen Oper Berlin. 26. Juni 2011 (Premiere).

  1. Repertoire: Gestoßene Entsagung. “Dialoge der Karmeliterinnen” von Francis Poulenc an der Deutsche Oper Berlin.

    (Text vom Juni 2004 für das Opernnetz).

    Keine Frage, >>>> diese seit 1994 gespielte Inszenierung gehört fürs Publikum zu den Schlagern der Berliner Opernhäuser. Ich frage mich allerdings, warum. Es ist wahr, die Aufführung besticht durch enorme Bildkraft, der Gang zum Schaffott der sich selbst opfernden Nonnen nutzt die gesamte riesige Bühne aus und gehört sicher zu den eindrucksvollsten Ideen der Aufführung. Auch hat Günter Krämer seine Personenführung bis in die genaueste Einzelgeste durchdacht. Allerdings leidet unter dem Detailblick die interpretatorische Linie insgesamt. Musikalisch wiederum findet sich alles auf höchstem Niveau, nicht was die Komposition selbst anbelangt, wohl aber ihre Interpretation. Einem enorm starken Damen-Ensemble, zu dem unbedingt der Chor hinzugerechnet werden muß, stehen wenige, aber höchst lyrisch gestaltende Männerstimmen gegenüber… nichts ist unpassend hier, alles fügt sich, ja selbst die notwendigerweise hysterischen Nonnen sind irgendwie im Rahmen; bisweilen hat die Komposition Rüschen an den Noten, bisweilen fällt eine Zähre Puccini, dann wieder überkommt eine Art „russischer“ Melancholie das Melos… doch letztlich tut es niemandem weh und nimmt keinem den Atem. Selbst das donnernde Pathos hat etwas, ich möchte sagen, Zitiertes. Wir bleiben insofern völlig zivilisiert.
    Das Hauptproblem besteht aber wahrscheinlich in der dramatischen Anlage des Stückes selbst und darin, daß Krämer keinen Ansatz findet, der die Widersprüche …. nein, nicht auflöst das wäre unangemessen, aber mindestens aufeinander bezieht. Die ersten sechs Bilder fokussieren sich mehr oder minder individuell um die Frage, ob man es hier möglicherweise mit einer (verschobenen) Mißbrauchsgeschichte zu tun habe. Der zweite Teil des Abends aber gestaltet eine große politische Allegorie, die Figuren – also auch ihre Leiden – verschwinden im Metaphorischen, auch im Massenhaften… wozu die gemeinschaftliche Opferszene nicht wenig beiträgt. Beide Teile für sich sind plausibel, wenn mich der zweite auch ziemlich irritiert, da doch der zwanghaften Männerwelt nicht etwa ein befreiendes Frauenleben, sondern die jetzt sozusagen als Gruppenindiduum gestaltete nicht minder zwanghafte Gemeinschaft von Nonnen gegenübergestellt wird, die ihrer Mutter nicht einmal einen gnadenvollen Tod erlauben, sondern sie zwingen, sich im Zeichen der Selbstzucht aufs viehischste von dannen zu machen… Die Priorin schreit denn auch und zu Recht vaterlos wie Elektra. Damit will der zweite Teil des Abends das Publikum identifizieren. Es ist, als hätte Krämer Angst gehabt, sich auf das immer mitlaufende Thema von (christlichen) Perversionen wirklich einzulassen, obwohl es immer wieder inszenatorisch aufklingt. Erst unter der großen, aufs Leben verzichtenden Massen-Begeisterungs-Szene wird das endgültig verschüttet. Wer also da nur ein wenig nachdenkt, den überkommt das Schaudern. Und sowieso der Schmock. Die standing ovations dieser 17. Aufführung verleugnen ihn und es.
  2. Danke für diese – wieder einmal – aus der Fülle heraus geschriebene Einladung in eine Welt, die ich gerade erst zu entdecken beginne. Schade eigentlich. Bis mein Rezeptionsvermögen auch nur annähernd so ausgebildet sein wird, dass ich begreife, was Sie da schreiben, wird einige Zeit vergehen. Ich lese sie trotzdem immer mit großer Neugier, Ihre Kritiken.

    1. neugier ist immer gut.
      aber zu glauben, dass das man sich das antun müsse, um ‘alles’ begreifen zu müssen, ist irgendein komischer druck, vielleicht ein irrglaube..
      sie sind doch an anderer stelle sehr integer unterwegs.
      glauben sie nicht, dass sie irgendwie verpflichtet wären, das hier verstehen zu müssen. vielleicht ist es einfach total aufgeblasener quatsch.
      könnte sein, dass sie sind in ihrer eigenen wahrnehmungs- und denkwelt ganz einfach auf der richtigen (ihrer) seite sind.
      vielleicht ist das hier einfach ausdruck einer ganz persönlichen, andersartigen konstellation. ??

    2. @Impostor Nein, kein Druck, einfach eine Sogwirkungt. Ich erlebte vor einiger Zeit meine erste Oper i n der Oper, nicht aus der Konserve. Das war danach für mich kaum in Worte zu bringen: Eine Durchdringung. Wollte unbedingt darüber schreiben, schaffte es aber nicht. Vielleicht beim nächsten Mal.
      Nein, kein Bildungsdruck ist das, keine Verpflichtung zu irgendeiner Art von … wie nenne ich das jetzt … bürgerlicher Vollständigkeit, sondern eine Ahnung von Wucht und Unmittelbarkeit, die mir sehr, sehr reizvoll erscheint. Fast, als könnte man danach süchtig werden.

    3. @ Impostor Wieso soll das aufblasener Quatsch sein? Mich interessiert sehr, was du meinst. Also erstmal, dass das Quatsch ist. Warum? Und warum ist es aufgeblasen? Ich finde, dass ANH ganz grade argumentiert, was ich aber bei dir vermisse. Du unterstellst was, das mit dem, was ANH geschrieben hat, gar nichts zu tun hat. Außerdem, was ist die richtige Seite? Ich habe da für mich selbst oft Zweifel.
      Bisher war das immer so, dass das ganz toll für mich war, wenn ich einer Empfehlung von ANH gefolgt bin. Ich habe immer das Gefühl, dass mit ANH ganz neue Räume aufmacht. Aber dazu muss man natürlich in Berlin sein. Was ich nicht verstehe ist, dass das Leute wie dich agressiv macht. Wobei das mit dem andersartig natürlich stimmen kann. Aber warum soll das was sein, das schlecht ist? Es könnte doch sein, dass das gleichartige schlecht ist. Außerdem erinnert mich dein Wort an abartig und das erinnert mich an entartet. Und dann fange ich an zu erschrecken.

    4. ich wollte ihnen auch nicht reinreden.
      sog ist gut, sog muss sein.
      ich habe z.b. vor jahren eher zufällig eine jazz-nummer im netz runtergeladen – genial. brach aber leider mitten im track ab – ich wusste aber sofort: her damit! gabs aber nur als japan-import, habe also herzzerrissen fünfzig euro dafür hingelegt. danach sofort gebrannt und meinem damaligen drummer geschenkt – schließlich spielt gadd ja mit. und das erste, was er gesagt hat, war: weisst du was, impostor, das ist das, wofür wir musik machen.
      das ist jetzt fünf jahre her.
      und jedesmal, wenn ich den drummer treffe, sagt er: kannst du mir die noch mal brennen? offenbar verschenkt er die cd jedesmal, wenn er betrunken ist.
      dabei ist es gar nicht die cd – es ist nur eine einzige nummer, die so unglaublich ist. aber die ist wirklich unglaublich!
      ich glaube, ich hab ihm die cd inzwischen ca. 20mal gebrannt (wir spielen gar nicht mehr zusammen) und freue mich jedesmal, dass irgendeiner, den ich nicht kenne, jetzt diese wunderbare nummer zu hause hören kann. denn diese eine nummer ist wirklich eine offenbarung!
      und heute hab ich ich bei you tube gestöbert und eine aufnahme von ’59 gefunden, die ganz klar die vorlage für die besagte nummer ist. das hat mich wirklich umgehauen: seit 40 jahren grassiert eine idee/ein thema/ein arrangement derart überzeugend umher, das ihr große und auch kleine (wie ich) einfach folgen müssen. das ist sog!
      also lassen sie sich ruhig ansaugen, aber seien sie bitte wirklich angesaugt.
      und nicht einfach freundlich, bemüht oder höflich. mehr wollte ich nicht sagen.

    5. Wenn der Herr We-Sommer merkt, dass hier einer die Oper nicht würdigt, ist aber der Teufel los! Sogwirkung?! Hat ja wohl auch ne 8erbahn, so’ne Sogwirkung, oder? Adorno rotiert im Grab.

    6. @Phyllis/HansImGlück/Impostor/Gitarre – Vom losgelassenen Teufel kann in diesem Kommentarbaum die Rede an sich nicht sein. Wo haben Sie seine Hörner denn gesehen oder gar seinen spitzen Schwanz? – (Wer ist der Herr We-Sommer?)

      – Solche Momente der Musik kenne ich auch und, wie Sie, nicht nur in der Oper. Ich denke etwa an eine grandiose Improvisation auf “Nude Ants” von Jarrett/Christensen/Garbarek/Danielsson aus dem Jahr 1979. Aber ich kenne diese Momente vor allem in der Oper, nicht freilich als Improvisation da, aber eben als Interpretation. Da diese Interpretationen mehrpolig sind, nämlich zur Musik auch die Szene und das Bild hinzukommen, ergibt sich etwas, das Frau Phyllis offenbar mit “unmittelbar” meint. Selbstverständlich ist es eine Schein-Unmittelbarkeit, da sie ja hergestellt ist. Die Herstellung ist, neben Partitur und Libretto, Gegenstand meiner Kritik, bzw. meiner Diskussionen der Herstellung. Es geht mir um Auseinandersetzung mit dem Stoff, wobei ich die Zeit dafür selbstverständlich nur deshalb aufwende, weil mich mit dem Medium Oper Leidenschaft verbindet.
      Diskussionen sind dann sinnvoll, wenn sie nicht nur über die Wirkung sprechen, die ein Stück auf den (Be)Schreibenden hat, sondern wenn eine Inszenierung zugleich in Zusammenhänge gestellt wird. Dazu braucht es Bildung. Wer sie nicht hat, versteht dann vieles nicht. Das ist aber nicht nur hier so, sondern in allen anderen Bereichen der Kunst ebenfalls. Die Unterstellung “möglicherweise aufgeblasener Quatsch” zeigt mir, daß Ihnen die Bildung – speziell in diesem Bereich, wohlgemerkt – fehlt. Das ist nicht schlimm, mir fehlt ebenfalls Bildung in vielen Bereichen, jedem von uns fehlt sie in manchen Bereichen, das geht gar nicht mehr anders. Aber da kann man dann mit Neugier reagieren und sie nachholen, oder aber man äußert sich nicht abwertend gegenüber jemandem, d e r sie hat.

      – Ich glaube nicht, Frau Phyllis, daß das etwas mit Ihrem Rezeptionsvermögen zu tun hat, das noch ausgebildet werden müssen; jedenfalls nicht oder nur wenig für diesen Text, der eine Handlung diskutiert und ihre ideologische Interpretation. Auf die Handlung habe ich oben bereits verlinkt und tu es >>>> hier noch einmal. Musik der Oper verstärkt die Handlung, nahezu immer (zuweilen allerdings kommentiert sie sie auch oder distanziert sie).

      – Es ist bezeichnend, Gitarre, daß Sie auf Ihre Fragen keine Antworten bekommen. Die von Ihnen aufgegriffenen Aussagen Impostors wurden nicht getätigt, um sie zu diskutieren. Sondern sie sollen herabwürdigen, damit n i c h t diskutiert wird.

    7. @Impostor Meine Aussage war, ich interessiere mich für die Oper und ANH’s Kritiken. Dann sagte ich, mein Rezeptionsvermögen sei da noch nicht besonders ausgebildet, sodaß ich so ein Erlebnis zwar genießen, aber nicht vergleichen und deshalb auch differenzierte Äußerungen zu einzelnen Inszenierungen nicht wirklich nachvollziehen kann. Dann sagte ich noch, ich läse ANH’s Texte trotzdem mit Neugier. Und sprach von der Sogwirkung eines Erlebnisses.
      Es war nun mal das, was ich sagen wollte (und danach, dachte ich, auch präzisierte): um das Ereignis genießen zu können, muss eine „Antenne“ nicht geschult sein, doch um dafür Worte zu finden, die es in Bezug setzen, schon. Anders, wenn jemand mit Leidenschaft und Kenntnis eine Buchbesprechung schreibt: ob ich dieses spezielle gelesen habe oder nicht, spielt keine Rolle, ich hab’ tausend andere im Kopf und kann meist mühelos beurteilen, was mit der Kritik ausgesagt werden soll. Das kann ich bei einer Opernkritik eben nicht. Gut, dann hielte man sich eben zurück und schriebe gar keinen Kommentar. Fände ich aber schade. Dann überließe man das Terrain den Spezialisten. Ich glaube nicht, dass der Autor sich das wünscht.
      Ein letztes: „Also lassen sie sich ruhig ansaugen, aber seien sie bitte wirklich angesaugt und nicht einfach freundlich, höflich oder bemüht.“
      Die Haltung hinter diesem Satz irritiert mich. Was unterstellen Sie mir da? Da Sie offensichtlich auch bei mir lesen und sich mit Ihrem Nick auf meinen >>> Text zum Impostor beziehen: Ich sehe da keinen Zusammenhang. Eine Unkenntnis zu benennen hat mit dem Impostor und seinen Auswirkungen nichts zu tun. Andere Baustelle.

    8. @ANH Wechselwirkungen zwischen blogs sind ja wünschenswert, aber gerade dieser Bezug schien mir ein absichtliches Missverständnis. Was lässt Sie denn so desolat sein? Immer noch kein Arbeitsjournal…

    9. Der Herr W. Sommer? Das ist der, der vor Wochen so vehement drauf bestanden hat, dass Kunst nicht genossen werden darf. Der hieß doch Sommer, oder? Oder ist der eine Erfindung vom Herbst? Jedenfalls ist das einer, der wohl den Missbrauch der Kunst durch die Nazis zu Recht anprangert, dann aber selbst allen anderen vorschreibt, wie sie sich der Kunst, es ging da um Musik, gegenüber zu verhalten haben. Das ist dann auch Missbrauch, durch selbsternannte Gutmenschen, denen absolut nicht zu trauen ist.

    10. @Hans im Glück. Nein, dieser Sommer war nicht meine Erfindung; doch immerhin… ich hatte ihn ganz vergessen.

      Über das Wort “Gutmensch” und seinen – ich bin davon nicht frei – schnellen Gebrauch sollten wir allerdings gelegentlich nachdenken.

    11. Hallo Phyllis,
      offenbar ein Mißverständnis. (Ich kenne das von Ihnen angestoßene Impostor-Thema natürlich).
      Einen derartigen Abrutsch wollte/würde ich Ihnen unterstellen. Ehrlich.
      Wissen Sie was: Ich liebe Oper, Mozart im Notfall auch, mehr aber Verdi bis Wagner. Ich kann sogar im Handstand zwölftönig komponieren (wirklich!), liebe Britten, von H.W. Henze ganz zu schweigen – bin aber dann – was für ein Glück! -im Jazz abgeblieben.

      Was ich nur ausgiebig kenne, ist dieses vorgeheuchelte Interesse ‘Aha, das ist ja interessant’. Das ist für mich immer das Zeichen eines annahenden persönlichen Kulturtods gewesen.
      Eine ganz persönliche Empfindlichkeit. Schließen Sie bitte daraus nichts Persönliches. O.K?

      Und Sie, Gitarre?
      Sie sind einfach nicht richtig gestimmt? Oder?
      Sonst könnten Sie mal einen EIGENEN Auftritt hinlegen, und müssten sich nicht wieder kläglich an das Solo vor Ihnen anhängen. Ironische Zitate – ganz ohne eigene Phrasierung – das ist unter Jazzmusikern: Unter aller Sau!

    12. Wie absurd! Halt!
      Vor dem ‘unterstellen’ da oben fehlt ein: “niemals”

      Lustig. Diese “Kommunikation”.

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