[Arbeitswohnung.]
Um Viertel vor fünf auf. Mein Junge schläft wieder hier, der um etwa sieben Uhr zum Hauptbahnhof gebracht werden muß und möchte, da er heute auf Klassenfahrt an die Ostsee geht; also Wecken um sechs. So daß ich einmal wieder ein paar Minuten für ein Arbeitsjournal habe. In den vergangenen Tagen hatte ich keine Zeit dafür, jedenfalls keinen Nerv; auch zum Sport kam ich zwei Tage lang nicht. Ich bin zu tief >>>> in den Tönen und der Schneidearbeit des >>>> Innenhotels drin: immer wieder war noch einmal vom Schreibtisch aufzustehen und mich hinauszubegeben, um weitere >>>> Stimmen zu sammeln. Zwar hatte ich schon einen neuen Beitrag mit „Stimmen sammeln (2)” betitelt und auch dem ersten die (1) angefügt, aber in ihm von meinen weiteren Begegnungen auf der Straße und im Park zu erzählen, bekam ich dann doch nicht hin – sondern senkte mich, sowie ich zurück war, ja gleich wieder in die Schnitte. Die kompliziert sind, fast immer, zum einen, weil es ja Laien sind, die sprechen, zum anderen wegen der oft sehr deutlichen Hintergrundgeräusche – vor allem, weil gestern das Wetter völlig umschlug; es ist nicht nur kühler geworden und regnete dauernd, sondern vor allem machte mir bei den Außenaufnahmen der Wind sehr zu schaffen. Wind auf Mikrophonen ist mißlich; man bekommt ihn, wie Hall, nicht wirklich mit den Filtern weg. Außerdem habe ich jetzt schon die Montage-selbst bis zur zwanzigsten Minute (von 55 Minuten) vorangetrieben – das bisherige Ergebnis ist noch relativ grob, selbstverständlich, aber macht doch schon ziemlich klar, was das für ein Ding werden wird. Und gestern nacht bekam ich dann auch die gesamte Titelei hin; ich will auf sie gesondert für >>>> die Hörstücke eingehen.
Latte macchiato, Morgenpfeife.
Mit meinen hellen Anzügen ist’s, scheint’s, erstmal vorbei. Schade vor allem für meinen Jungen, dem ich Hitze an der Ostsee wünschte. Die wird’s nun wohl nicht geben. In einem Monat werden wir sie dann haben; Neapel ist ziemlich sommersicher. >>>> Solfatara wieder, einzwei Tage Tom vielleicht, >>>> parallalie in Umbrien dann und danach noch einmal Giglio. So unser Plan. Am 15. 7. wird’s losgehen, am 5. 8. will ich zurücksein. Diesmal will ich den Laptop wieder dabeihaben, da auch im Urlaub zu arbeiten ist; die zwei Wochen zwischen Abgabe des neuen Hörstücks und seiner Ausstrahlung und dem Antritt der Italienreise werde ich zur Zusammenstellung der >>>> Essays für die Kulturmaschinen brauchen, sowie zur Bearbeitung des Lektorats der Kleinen Blogtheorie für >>>> etkbooks; dann muß ich mich gleich an den zweiten Jungenroman setzen, für dessen Niederschrift ich gerade einen Monat habe.
Ein Freundin von früher schrieb – entsetzt, verstört – vom Selbstmordversuch ihres Kindes. Ich weiß, was sowas heißt, kenne es von der anderen Seite: in der >>>> Verwirrung des Gemüts habe ich, wenn auch nur am Rande und gegen Ende des Buchs, darüber geschrieben. In meiner Pubertät war der Gedanke allgegenwärtig; Göttin sei Dank war ich als Junge zu sentimental, um ihn wirklich umzusetzen. Einige Texte, die ich damals schrieb, spielen mit ihm herum: vielleicht war auch das ein Schutz.
Ich habe diese Texte nicht mehr; so bin ich nicht versucht, sie als Material zu benutzen.
Es regnet. Ich stell dies ein und wecke meinen Sohn. Um acht das Treffen am Hauptbahnhof, wohin auch seine Mama kommen will; nach acht die S-Bahn zur Friedrichstraße, weil ich um 8.30 Uhr wegen Nachaufnahmen noch einmal im >>>> ARD Hauptstadtstudio sein muß; zweidrei Aufnahmen werden dort auch Kavita Chohan, Simone Barrientos und Leander Sukov einsprechen; Kleinigkeiten, mit denen ich die O-Töne unterfüttern kann, falls mal ein Schnitt wirklich nicht klappt; auch ich selbst werde zweidrei Absätzchen sprechen.
10.58 Uhr:
So, zurück. Am Bahnhof noch O-Töne (Geräusche) aufgenommen, die ich dringend füt eine Szene des Hörstücks brauchte; dann sicherheitshalber das Gerät noch an und in der S-Bahn Hauptbahnhof bis Friedrichstraße mitlaufen lassen. Das Stückerl zu Fuß ins Studio rüber, Barrientos und Sukov waren noch nicht da. Also meinen eigenen Part eingesprochen: die Ansage und vierfünf Leitmotiv-Sätze.
Zuerst erschien Chohan, aber nicht nur sie, sondern alle drei Sprecher hatten durchtanzte Nächte hinter sich. Also ging die Angelegenheit… ich muß sagen: meditativ vor sich. Die Zeit, insgesamt, war gut bemessen, obwohl ich doch gedacht hatte, es sei diesmal viel zu viel; nun muß ich selbst noch die Schnitte der Partien machen, weil’s für den Techniker dafür zeitlich zu eng wurde. Dies ist u.a. eine Antwort auf >>>> das da.
Nachher einen Kaffee in einer genial offenen Raucherkabine des dem ARD-Hauptstadtstudios angeschlossenen Cafés. „So weit krieg ich meinen Mund heute früh noch nicht auf”, spöttelte, sehr milde, Chohan, als Sukov in ein belegtes Baguette biß, von dem auch ich den Eindruck hatte, es sei signifikant breiter als lang. Nein, er hat es n i c h t von der Seite angebissen!
Jetzt an die Schnitte, danach noch mal ans Am Terrarium rüber, weil da noch jemand ein paar Sätze aufsprechen wird. Dann zum Sport, dem ein Ausflug nach >>>> Mitte Meer folgen wird, von wo’s wieder schreibtischwärts gehen soll, aber erst einmal an die ersten Nahrungsmittel dieses Tages: Früchte, Haferflocken, Joghurt. Und dann beginnt die eigentliche Produktionsphase; ich h a b jetzt alles, was ich brauche.
Etwas gekocht wird erst später am Abend.
Herr Herbst, verplempern Sie um Himmels Willen nicht so viel Zeit mit der Technik. Wozu gibt es Techniker? Bessere als Sie es jemals sein können/werden. Und überhaupt: diese albernen Collagen. Nutzen Sie Ihre Lebenszeit für Originäres, schaffen Sie was Eigenständiges. Das über „zweidrei“ selbst gesprochene „Absätzchen“ hinausgeht. Mensch, reissen Sie sich zusammen.
Missgunst: Der Zustand zwischen zwei missglückten Versuchen, etwas Eigenes zu schaffen.
@Grassmann. „Kunst braucht 5 % Inspiration und 95 % Transpiration“ heißt es zu recht: Verkennen Sie mir also das Handwerk nicht. Ohne seine Beherrschung ist die allerbeste Inspiration – verloren.
Eine zweite Antwort gab ich eben >>>> im Arbeitsjournal um 10.58 Uhr. Und was schließlich das „Originäre“ anbelangt, um das ich mich (be)kümmern sollte, so wissen Sie doch, daß ich noch niemals in meinem Leben etwas veröffentlicht habe, das nicht abgeschrieben wäre. Was mich umgibt, ist>>>> ready made und jiepert auf meine Romane. Von all diesen mir zugestreckten, gierig mir zuger e c kten Händen erhole ich mich mit Collagen. Sie aber möchten mir noch nicht einmal dieses Aufatmen gönnen.
da steht virtel für fünf… Alban!
„Viertel für fünf“ stand da. Hab’s korrigiert. Danke.