Wir erfassen die Magie eines Textes nicht, indem wir über ihn referieren; schon gar nicht können wir sie vermitteln. Sondern müssen sie klingen lassen, und zwar in anderem Zusammenhang, der von uns selbst hergestellt wird. Das ist wie eine Betonung, die von der Handlung verdeckt wird und erst die fremde, in diesem Fall eigene Perspektive gibt. Wobei die Perspektive ein Hallraum ist. Musiken klingen je nach den Sälen, in denen sie aufgeführt werden, verschieden, dasselbe gilt für Hörstücke. Aus diesem Grund zog Gustav Mahler für Aufführungen seiner Sinfonien >>>> Alfred Roller bei, den man anstelle einen Bühnen- einen Klangbildner nennen kann.
Solche KlangbildnerImInnen sind wir alle für uns selbst, aber vermittels unbewußter Prozesse meist. In dem Moment indes, in dem man beginnt, sich mit Klangbildung zu beschäftigen, vor allem, wenn das ein wesentlicher Aspekt des Berufes wird, ist es nötig, diese Prozesse, zu denen eben auch die Perspektivenverfremdung gehört, ins Bewußtsein zu heben. Dies bedeutet aber auch eine Verabschiedung vom Dokument-als-Darstellung-des-Realen. Das Dokument ist immer auch die Darstellung seines Urhebers, bzw. der hinter seiner Veröffentlichung stehenden Interessen. Im Fall meiner Hörstücke sind sie ästhetischer Art.
Solche KlangbildnerImInnen sind wir alle für uns selbst, aber vermittels unbewußter Prozesse meist. In dem Moment indes, in dem man beginnt, sich mit Klangbildung zu beschäftigen, vor allem, wenn das ein wesentlicher Aspekt des Berufes wird, ist es nötig, diese Prozesse, zu denen eben auch die Perspektivenverfremdung gehört, ins Bewußtsein zu heben. Dies bedeutet aber auch eine Verabschiedung vom Dokument-als-Darstellung-des-Realen. Das Dokument ist immer auch die Darstellung seines Urhebers, bzw. der hinter seiner Veröffentlichung stehenden Interessen. Im Fall meiner Hörstücke sind sie ästhetischer Art.
…jedoch sollter der Unterschied zwischen einer Partitur und einem literarischen Text nicht ausser Acht gelassen werden?
@lutz: … ebenso wenig, wie der Unterschied zwischen einer Partitur und einer anderen Partitur. Da stimme ich zu.
…das Fragezeichen sollte ein Punkt sein, sorry.
Es kommt mir allerdings vor, als entfalte sich der poetische “Kern” einer Partitur in einer ganz anderen Region als der eines literarischen Textes. Viele Literaten haben auch zugegeben (Bachmann gegenüber Henze z. B.), dass die Musik eine andere, resp. “höhere” Ebene des Poetischen repräsentiere.
@lutz zur “höheren Ebene” des Poetischen. Das “Problem” der Literatur ist ihre Semantik: die zur Musik vergleichbar deutlichere Botschaft. Diese läßt sich aber auflösen und in Klangstrukturen überführen, bzw. lassen sich ihr Klangstrukturen hinzutun. Stellen Sie es sich vor, wie in asiatischen Sprachen: je nach der Tonhöhe, in der ein Wort ausgesprochen wird, kann es eine komplett andere Bedeutung annehmen. So etwas läßt sich auch für ganze Sätze erreichen. Aus diesem Grund favorisiere ich die Collageform. Ein Readymade ist im Museum nicht n u r deshalb ein Kunstwerk, weil es ironisch in den Widerspruch zu seiner Funktion geht.
Wie verschieden die Aura eines Textes wird, wenn man ihn liest oder ihn gut vorgetragen hört, läßt sich mit geradezu derselben (gefühlten) Unmittelbarkeit vorführen, wie wenn Sie einem Musikstück lauschen, d.i. ihm konzentriert zuhören. Der “Plot” eines Buches ist hingegen immer derjenige Teil, der zur Unterhaltung oder Belehrung dient. Die Sprache aber transportiert vieles jenseits davon: darauf konzentriere ich mich oder versuche es doch.
Klangbildung Aber die meisten Menschen haben ja leider keine Ohren! Gott inclusive, wie B. meinte.
Darum werden Bücher über den Plot verkauft.
Das mit der Semantik sehe ich ebenfalls. Ich sehe auch eine von dieser semantischen Struktur ausgehende Zentrifugalkraft. Das Gewicht des literarischen Materials scheint mir größer denn das des musikalischen. Der Plot ist nicht das Problem; denn dieser, indem er die semantischen Klippen überspringt, macht es uns leicht.
Der Plot. I s t eine semantische Klippe.
Zur Metapher „semantische Klippe“
Die Handlungsebene zieht doch den Leser, und nicht nur den dummen Leser, der wenig auf die Sprache achtet und nur nach der Handlung giert, der Plot zieht den Leser nolens volens über die Spitzen und Spalten, über die `sema` des Textes hinweg. Nicht zum Genießen gemacht (mindestens nicht im avancierten Bereich), ist ein Plot dem Genießen jedoch vorausgesetzt. Unter die Lupe genommen ist die Handlung natürlich wieder mit der semantischen Struktur verzahnt und es tun sich Abgründe auf, da gebe ich Ihnen dann wieder Recht..
Vielleicht nicht gerade Abgründe, aber doch Risse, Sprünge, seltsame Ver(z)ahnungen, Unsicherheiten, auch Freiheiten. Und auch das ist zum Genießen gemacht. Ich habe nichts gegen den Genuß, aber es gibt Genüsse, die der unmittelbaren Triebabfuhr dienen (etwa, Nahrung in sich hineinzustopfen), und solche, die den Trieb noch anheizen, damit er um so eruptiver sich erfüllen kann. Die Lust, von einem Berg hinabzuschauen, den wir selber erstiegen, wofür wir Arbeit aufgewandt haben, ist eine unvergleichlich größere, als sähen wir vom selben Gipfel hinab, wären aber mit der Seilbahn aufgefahren. Beide Ausblicke sind qualitativ nicht vergleichbar, wohl aber quantitativ, das heißt: über den Plot.
Das ist dann die Spanne zwischen einem genüsslichen Relaxen und einem drüber erhabenen “Glück”?
@lutz. Die Antwort geben Sie selbst in der Verwendung des diminutiven Adjektivs sowie eines Leihworts, das die Muße ersetzt hat; sprachkritisch gesehen, verwenden Sie nach der Konjunktion eine distanzierende Ironisierung, also Herabsetzung. Ich frage mich bei solchen Konstruktionen immer: warum?. Unter welche Zwecke haben Sie sich gebeugt, und wessen?
Die ironisierende Distanz, die Sie in dem Satz ganz richtig feststellen, ist bei mir einem Ekel geschuldet.
Aber der Schwerpunkt des Satzes liegt in der Ansprache eines „erhabenen Glücks“. Die Frage ist, ob mit seiner imaginierten Möglichkeit Glück schon kassiert werden könne, oder ob intellektuelle Redlichkeit vom Autor eine weitere Distanz verlange. Die Vermutung ist, dass es ein leichtes Umschiffen der „semantischen Klippe“ nicht geben kann ohne im Zirkus zu landen.
Die Ihrer hälftigen Satzanalyse angehängte psyschologische Vermutung ist wage genug.
Erklären Sie mir wohl bitte, was Sie meinen, daß ich es psychologisch vermutete? Ich habe eine Frage gestellt und rhetorisch eine mögliche Ursache formuliert, nämlich im Reflex auf die von Ihnen betriebene Ironisierung. Ganz einig bin ich mit Ihnen darüber, daß sich der Ausdruck “erhabenes Glück” nicht mehr oder nur unter großem Konstruktionsgeschick in einem literarischen und auch sonstigen Text verwenden läßt, ohne in die Fallen des Kitsches zu geraten; Sie werden deshalb bei mir dergleichen kaum zu lesen bekommen (mit dem Wort Glück allein ist es noch anders); dennoch ist so etwas wie erhabenes Glück denk- und vorstellbar, und ich habe den Instinkt, daß wir dafür ziemlich dankbar und bemüht sein sollten, wieder eigene Wörter dafür zu finden, die es auf eine neue Weise aussprechbar machen, in der die alte, noch ungeschundene, erhalten bleibt: aufgehoben in hegelschem Sinn.
Gegen Leihwörter, die aus immer derselben anderen Sprache kommen, hege ich einen politischen Verdacht; dies wäre anders, liehe sie unsere Sprache – und integrierte sie – aus vielerlei Sprachen. Aber etwa der hohe Anteil türkischer Deutscher hat im Deutschen so gut wir keinen Reflex gefunden, ebenso wenig wie in den 50/60ern der der Italiener und Griechen; da freilich sprach man noch von “Gastarbeitern”.
Das Leihwort (ich nehme an, Sie meinten Relaxen) habe ich verwendet, weil es auf einen universellen und an keiner Landesgrenze Halt machenden Zustand der passiven Verblödung passt. Ich hätte auch „Rumhängen“ schreiben können. Ihre Meinung zu Leihwörtern finde ich mindestens interessant.
Ich halte Ihre Auffassung hinsichtlich einer – man verstehe mich nicht falsch! – „Rettung“ des Glückes in der Literatur für beachtlich und bedenklich zugleich.
Indem Sie nun fragten, unter welche Zwecke ich mich persönlich bei der Formulierung meines Kommentares „gebeugt“ habe, mussten Sie sich doch darüber klar gewesen sein, dass ein sich Beugen im Sinne von Niederknieen oder Kleinbeigeben usw verstanden werden kann. Das ist ein psychologischer Sachverhalt.