Buchmessen-Nachbereitung. Das Arbeitsjournal des Montags, dem 21. März 2011. Mit Einar Schleef, den Bamberger Elegien und, zu Anfang, einer Anprache an die Leser: Liebe Leser,

was ich >>>> dort so zuversichtlich angekündigt habe, hat sich in diesem Frühjahr nicht verwirklichen lassen: Ihnen lockere Berichte zu erstatten von all den mir auf der Buchmesse widerfahrenden Geschehen. Anders, als Sie meinen oder gar befürchtet haben mögen, waren es nicht einmal Erotereien, die mich hinderten auf ihr sanfte oder auch unsanfte Art, sondern schlichtweg – Termine. Nicht nur, daß ich fünf Auftritte mit Eigenem hatte, es waren auch zwei noch hinzugekommen, auf denen ich nachgelassene Texte Einar Schleefs vortrug. Was mir, übrigens, einige Lust bereitet hat und woraus möglicherweise – mit anderen Arbeiten Schleefs – eine CD entstehen wird: ANH liest Einar Schleef. Ich habe ja vor vielen vielen Jahren schon öfter „Fremd”texte vorgetragen und davon eine Zeit lang sogar gelebt – nun holte mich das ein. Und zwar war Jörg Aufenanger, der >>>> dazu das Nachwort schrieb und den ich seit dreizehn Jahren auch persönlich kenne, derart erkrankt, daß er die Präsentationen des >>>> Elfenbein-Buches nicht mitbestreiten konnte, so daß ich spontan eingesprungen bin. Die Texte sind extrem kalt erzählt: ein Spiegel des empathischen Unvermögens ihrer Protagonisten, die es aber spüren und um so aggressiver sind, wie auch die Welt es ist, in der sie leben, bzw. lebten. Harter Realismus jedenfalls, der auch die Gewalt des Vortrags erzwingt. Ich warf mich hinein.Im übrigen die beiden ersten öffentlichen Lesungen aus den >>>> Bamberger Elegien, die ich heute oder morgen, wie die nun ebenfalls erschienenen >>>> Fenster von Sainte Chapelle, eigens annoncieren will. Ob ich heute noch dazu komme, vermag ich nicht zu sagen; es ist einiges an Nachbereitung zu tun, und dann will ich, und muß es, irgendwie wieder in die laufende Arbeit finden. Nach vier derart angefüllten Tagen fällt mir das schwer; als ich gestern abend hier ankam und dann auch noch in ein kleines Chaos mit berlinischem städtischen Schienenersatzverkehr geriet, konnte ich grad noch ein vietnamesisches Gericht im Soupanova zu mir nehmen, dann fielen mir, quasi bereits auf der klirrend kalten Straße, meine beiden Äuglein zu. Erst um sechs stand ich wieder auf. Kalt ist es noch immer, aber strahlendster Sonnenschein. Den Morgen verbrachte ich damit, mich einigermaßen zu orientieren, bezüglich Fukushimas, bezüglich auch Libyens, für das ich mich schon während zweier Messe-Frühstücks darüber geärgert hatte, daß Deutschland zwar in Afghanistan steht, wo es schleunigst hinausgehört, aber es will ja sogar das Engagement dort verstärken; bei Libyen aber kneift es, obwohl dort wirklich Grund bestünde, ein menschlicher nämlich, zu kämpfen.
Gut, bzw. schlecht. Aber schon mal ein paar Briefe geschrieben; außerdem muß ich mich noch um zwei avisierte Lesungen kümmern, eigentlich um drei, weil ich auch für Die Fenster von Sainte Chapelle eine Idee habe. – Aber noch mal zur Buchmesse: „Hast du mein Geschenk an dich gesehen?” fragte Verleger Držečnik. Ich wußte nicht, wovon er sprach. „Dann schau Dir mal den Bindefaden an.” Ich wußte nicht, wo, er blätterte auf S. 24, dann 56… brach, dachte ich, das Buch… „das bricht nicht, so ist es ja gemacht, du kannst es knicken, wie du willst.” Zum Vorschein kam dann dieses:Wozu Arno Schmidts genialer Buchgestalter >>>> Forssman nachher sagte: „Meine Güte, da stimmt sogar der…” wieder vergessen, was er sagte, aber ich verstand „Stich-Spiegel” und laß das so jetzt auch stehen. Wiederum Držečnik war fast beschämt, als er von Forssmans Kompliment hörte, mit dem ich zwei Pfeifen rauchte zu Rauschenbachs samtigem Wein aus Schulpforta. Überhaupt hatte das mit dem Rauchen auf dieser Rauchverbotsmesse gut funktioniert; nur zweimal gab’s Zurechtweisungen, einmal von einer höchst unangenehmen Kapo-Frau der Messe, die uns wirklich nicht nur anpfiff, sondern anfeldwebelte, so daß ich zurückwebelnd fragte, was sie denn wohl vor zwanzig Jahren so getrieben habe… aber ich grinste dabei und folgte einem Vorschlag des Profis: „Sag ihr doch, daß du eine der zehn Raucherkarten habest, die von der Messeleitung ausgegeben worden sei. Helmut Schmidt hat Nr. 1, du hast Nr. 5.” – „Sie wolln mich wohl verarschen”, sagte die Kapo und verwendete auch wirklich dieses Gesäßwort. Da mich weder dieses noch jenes interessierte, sprach ich höflich: „Sie haben gewiß Übung im Denunzieren. Deshalb sein Sie doch so lieb und holn einen der Ordner heran, dem ich meine Karte dann zeige.”
Sie wich nicht von der Stelle.
„Wie lange möchten Sie noch hier stehenbleiben?” fragte ich.
„Ich habe Zeit.”
„Ich auch. Möchten Sie vielleicht etwas trinken?”
Sie drehte sich um und drohte:
„Ich komme wieder!”
„Dann bekommen Sie einen Grappa.”
Daraus, daß sie dann fernblieb, schloß ich auf vorangeschrittenen Antialkoholismus und war’s denn zufrieden. Wobei Schleef, hätte er und nicht ich seine Texte gelesen, das sicher mit brennender Zigarre getan hätte; er hat ja autoritäre Strukturen g a n z besonders geliebt.

Zu dieser ersten Ausgabe meiner Bamberger Elegien werde ich sowieso noch einiges schreiben; ich hab da eine Idee, brauch aber erst etwas Abstand und Ruhe. So ganz glaub ich’s nämlich noch nicht, daß ich sie wirklich als Buch in der Hand hab. Aber sie liegen hier, auf meinem Schreibtisch.

: 12.27 Uhr.

20.07 Uhr:
[Vagn Holmboe, Erste Sinfonie.]
Müde. Plötzlich sehr müde. Ich denke, ich fahre nun doch nicht in die Bar, sondern gehe besser früh schlafen. Aber diesen Triumph da, nach all den auch in Der Dschungel geführten Auseinandersetzungen um die Elegien, hab ich >>>> da doch noch formulieren wollen. Ohne ihn zu formulieren. Es hat bisher noch keine meiner Arbeiten gegeben, um die während ihrer Entstehungszeit so heftig gestritten worden ist.

2 thoughts on “Buchmessen-Nachbereitung. Das Arbeitsjournal des Montags, dem 21. März 2011. Mit Einar Schleef, den Bamberger Elegien und, zu Anfang, einer Anprache an die Leser: Liebe Leser,

  1. Abgeschirmt Habe mich gestern auf der Rückfahrt von der Messe im überfüllten Zug bereits für einige Zeit von den Elegien absorbieren und gegen das umgebende Geräusch aus so vielen Mündern abschirmen lassen. Die strenge Form ist dafür sehr geeignet, weil es den sonst so herumhoppsenden Affen des Geistes an die Zügel nimmt. Werde ab Mittwoch wieder rangehen – ein wirklich schönes Buch übrigens, man möchte andauernd dem Gefühl des Papiers unter den Fingern nachspüren. Dem Elfenbein-Verlag sei es gedankt.

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