Zurück nach Berlin. Das Arbeitsjournal des Donnerstags, dem 13. Januar 2011. Mit einem Rückblick auf Heidelberg. Judith Leiß folgt Rindlisbacher.

8.50 Uhr:
[ICE Mannheim-Berlin. Beethoven, Diabelli-Variationen.]Das war ein schönes Beieinander gestern abend nach dem letzten „Real”seminar meines nach nun zweieinhalb Jahren ausgelaufenen Lehrauftrags an der Heidelberger Universität. Ins Seminar war wieder „der Kern” gekommen; diese Studenten waren im vergangenen Halbjahr zu Gastsemestern auswärts gewesen, nun aber zurück. Drei Texte nahmen wir uns vor, die >>>> im virtuellen Seminar bislang unlektoriert geblieben waren, das trotz des Endes meiner Heidelberger Lehrtätigkeit am Netz bleiben wird und sich „von sich aus” ausweiten kann. Ob das geschieht, hängt allein davon ab, ob die Studenten die Site weiterhin beleben werden. Ich meinerseits werde dort immer mal wieder lektorieren. Die Strenge, mit der Beiträger als Contributoren und nicht nur als Kommentatoren dort bislang zugelassen sind, werde ich allerdings lockern. Wer Beiträger dort sein möchte, wende sich über >>>> fiktionäre Kontaktformular an mich.
Hinterher beisammen im Knösel. >>>> Phyllis Kiehl, die ich, nachdem ich von den Freunden wieder aufgebrochen war, auf einen Kaffee traf, entschied sich spontan, nach Heidelberg mitzukommen; sie gibt selber Seminare zum kreativen Schreiben, ist darin sogar sehr viel versierter als ich und entsprechend neugierig auf möglicherweise andere Lehransätze, als es einer der ihre ist. Schon wiederholt haben wir diskutiert. Ich habe ja nicht den geringsten pädagogischen Antrieb, allein schon deshalb, weil meine Positionen immer Entstehende sind, oft aus dem Experiment einer Arbeit oder für sie zeitweilig eingenommen. Aber auch, weil für einen poetisch vergleichsweise frühen Entwicklungsstand der Teilnehmer solcher Seminare, eine fortgeschrittene, gar Avantgarde-Ästhetik kaum angemessen ist. Genau das hat in den vergangenen zweieinhalb Jahren auch immer wieder zu kleinen Spannungen zwischen mir und den Studenten geführt. Das oft gehörte Argument „Thomas Kling macht das aber genauso” mag richtig sein, hilft aber Anfängern wenig oder gar nicht, ihr Handwerk zu entwickeln.
Komisch, wie schnell Afrika immer schon gleich wieder weg ist. Immerhin deckte mich die Löwin den ganzen gestrigen Tag über mit SMS’en. Offenbar langweilt sie der Kunsthändler enorm, und auch die übrigen Wellnessis scheinen nicht ihr Fantasie zu inspirieren. „Nie mehr Sauna!”, etwa, lautete eine dieser mobilen Kürzestnachrichten. Der Reim drauf ließ sich gut selber machen.

Gegen eins werde ich zurück in der Arbeitswohnung sein und erst einmal wieder meinen Kachelofen einheizen; gegen halb zwei wird mein Junge fürs Mittagessen aus der Schule kommen. Bis dahin möchte ich ein Gutstück weiter mit dem Jungenroman sein, der wegen meiner Rückreise aus der Serengeti und der Vorbereitung und Weiterfahrt nach Heidelberg nicht mehr so arg gediehen ist, den ich aber bis Ende nächster Woche insgesamt fürs Lektorat fertighaben will. Nach Heidelberg brachte mir, übrigens, E. zu >>>> Judith Leiß’ Heteronomie-Buch eine nächste wissenschaftliche Arbeit mit, worin neben Büchern Calvinos und Süßkinds meine ästhetische Position dargestellt und diskutiert wird; während Leiß das Anderswelt-Projekt untersucht, hat >>>> Corinna Rindlingsbacher vor allem Wolpertinger oder Das Blau im Blick. Mit ihrer Auswertung kann ich zufrieden sein.

Ah! da bin ich doch glatt eingeschlummert. Und wie ich aufwache, sitzt ein neue Passagier in dem vorher, abgesehen von mir, leeren Abteil. Geweckt hat mich aber Svjatoslav Richter:

[Beethoven, Klaviersonate Nr. 27, „Appassionata” – und wie!
Svjatoslav Richter nämlich).]

: 10.32 Uhr.

14.42 Uhr:
[Arbeitswohnung. Klaviersonate Nr. 24 (viel verspielter: Gulda).]
Zurück. Gutes Gefühl, daß der Schreibtisch derart gepflegt ist. Mittagessen mit meinem Jungen. Er wird heute abend hier schlafen, weil seine Mama auf einem Konzert ist. Hätt sie mir freilich vorher sagen können; andererseits, ich bin ja auch immer glücklich, wenn der temperamentvolle Bursche bei mir ist. Und er war eben glücklich, als er hereinkam. „Papa, Papa! Da bist du wieder!” Und fällt mir in den Arm. So dann allgemeines Glück. „Weißt du, Papa, wenn ich groß bin, ziehe ich hundertprozentig nach Italien. Dann habe ich ein Haus mit einem großen Fenster. Das ist wenigstens drei Meter breit und geht bis zur Decke. Daraus gucke ich direkt aufs Meer. Sollte ich Schauspieler werden.” „Willst du denn Schauspieler werden?” „Hm, das weiß ich noch gar nicht. Aber C.”, seine Freundin, „weiß das eigentlich auch noch nicht. Wer weiß das schon in unserem Alter? Obwohl sie natürlich Schriftstellerin werden will.” – Das sind so Erzählungen, die mir, der ich an dem Jungen/Kinder-Roman sitze, ganz wunderbar gelegen kommen. Immerhin hab ich während der Fahrt zwei/zweieinhalb weitere Seiten geschafft, was etwa fünf Buchseiten entspricht. Allerdings ist es insgesamt natürlicherweise noch nur ein Entwurf.

Neben mir liegt jetzt ziemlich viel neue Post, die noch zu öffnen ist. Außerdem gehen die Mails wegen nächster Lesungen hin und her. Die Leipziger Messe nimmt gute Gestalt an. Aber ich will jetzt erstmal eine Stunde schlafen, dann mit dem Jungenroman weitermachen.

7 thoughts on “Zurück nach Berlin. Das Arbeitsjournal des Donnerstags, dem 13. Januar 2011. Mit einem Rückblick auf Heidelberg. Judith Leiß folgt Rindlisbacher.

    1. @Phyllis. Trotzdem schade, schöne Frau, daß sie aus dem Knösel schon so früh wieder wegsind. Und glauben Sie mir: das habe nicht nur ich bedauert.

      (NB: Ihre hingenudelten Gebrauchsgedichte sind mitunter >>>> vortrefflich, zum Beispiel, daß dem Wolf die Sätze zerreißen die Lefze. Neenee, auch davon kann man lernen. Zum Beispiel, nicht auch noch >>>> das letzte Geißlein aus dem Uhrenkasten spammen zu müssen.)

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