Vielfach stellt man sich die Seele als bewegtes, luftähnliches Gebilde vor, weshalb ihr plötzliches Entweichen Wind erregt. Darum kehren die Seelen der Verstorbenen als heftiger Wind wieder. Deshalb weht an Allerheiligen ein starker Wind, der Allerseelenwind, in dem die a. S. umziehen. Ein Bruchstück eines alten Gebets gegen Fieber und das böse Wetter (Andr. Gryphius Horribilicr. S. 768) lautet: »Das walte der es walten kann. Matthes gang ein, Pilatus gang aus, ist eine a. S. draus.« »A. S., wo kommst du her?« »Aus Regen und Wind, aus dem feurigen Ring«). Mit der Vorstellung der im Wind lebenden Seelen berührt sich eng die Anschauung, daß die Geister der Abgeschiedenen im wilden Heer und Gefolge alter Götter erscheinen. Auch in den dunklen Elben sah man die Seelen verstorbener Menschen).
(vgl. HWA Bd. 1, S. 588)]
Gurre 4 (Die dritte Probe) <<<<
Karoline von Günderode: Die Töne Ihr tiefen Seelen, die im Stoff gefangen
Nach Lebensode, nach Befreiung ringt;
Wer löset eure Bande dem Verlangen
Das gern melodisch aus der Stummheit dringt?
Wer, Töne, öffnet eurer Kerker Riegel?
Und wer entfesselt eure Ätherflügel?
Einst, da Gewalt den Widerstand berühret,
Zersprang der Töne alte Kerkernacht,
Im weiten Raume hier und dort verirret,
entflohen sie der Stummheit nun erwacht,
Und sie durchwandelten den blauen Bogen
Und jauchzten in den Strum der wilden Wogen.
Sie schlüpften flüsternd durch der Bäume Wipfel
Und hauchten aus der Nachtigallen Brust,
Mit mut´gen Strömen stürzten sie vom Gipfel
Der Felsen sich in wilder Freiheitslust,
Sie rauschten an des Menschen Ohr vorüber,
Er zog sie in sein Innerstes hinüber.
Und da er unterm Herzen sie getragen,
Heißt er sie wandelnd auf der Lüfte Pfad
Und alles den verwandten Seelen sagen,
Wie liebend sie sein Geist gepfleget hat.
Harmonisch schweben sie aus ihrer Wiege
Und wandeln fort und tragen Menschenzüge.