Arbeitsjournal. Montag, der 15. Januar 2010. Mit Straßburgs Tristan.

6.31 Uhr:
>>>> „Nero will man sprechen hören”, ich dachte: der Moment des Todes rückt näher, was mich zugleich unbeteiligt läßt, nicht, weil ich an ein Leben nach dem Sterben glaubte; der Gedanke daran ist mir so fern wie die Furcht davor – welches ein sehr mehrdeutiger Satz ist. شجرة حبة sagt: „Männer um die Fünfzig…”, und ich, meinerseits, werde die kleine Falle, die ich gestern legte, betrübt darob schließen, letztlich keinen Fang gemacht zu haben, der es auch verlohnte. Sondern es b l e i b e n die Verse in ihrem Trotz. Der ein guter ist. Man führt den Delinquenten ab, er behält die Haltung. Ich kündige das alleine deshalb an, damit man nicht auch noch auf die Idee kommt, mich für ein >>>> Frollein Hegemann zu halten.

Um sechs Uhr auf, immerhin, will ich bis acht Uhr weiterlesen, dann wird hier Ordnung geschaffen am Schreibtisch, in der Küche, auch in der übrigen („dann noch übrigen” – Auflachen) Arbeitswohnung. Ans Cello (die Kuppe des linken Zeigefingers tut bei Druck etwas weh)., einkaufen fürs Mittagessen, meinen Jungen bekochen und speisen, mit ihm plaudern, evtl. im Berlin Verlag vorbei, um von DS die letzten lektorierten Typoskriptseiten >>>> der Erzählungen abzuholen, dann eine Stunde schlafen. Nachmittags: weiterlesen. Dann anfangen, mich auf das Gespräch mit >>>> Zagrosek über Krauss vorzubereiten, das am Donnerstag zu führen sein wird. Dazu nochmals die Musik hören; vielleicht lerne ich ja, was ihn dran reizt. Spätabends in >>>> die Bar.

11.18 Uhr:
Und während ich Ordnung und auch den Beginn von Sauberkeit schaffe (Schreib- und zweiter Arbeits- und Mitteltisch sind bereits fertig), höre ich Peter Wapnewskis sehr schöne Vorlesung zu und aus Gottfrieds Tristan, in acht Tonbandcassetten, die mir zum 55. Eisenhauer mitgebracht hat, wie ahnend, wie sehr ich das a u c h noch brauchte. Etwa zu lernen, daß der alte Sinn von „elend”/„elend sein” ist: in der Fremde sein, „ohne Land sein”, kurz: heimatlos.

13.41 Uhr:
Daß es die Impotenzlinge nicht lassen können; manche, die kein Licht abkriegen, wollen sich wohl wenigstens im Schatten suhlen. Weshalb schaffen sie nichts Eigenes? Ganz einfach: weil sie nicht können. Wie heißt es >>>> an einer Stelle von Hüon? „Er schrumpelte rübenartig ein.”
18.27 Uhr:
Dann lief, nach dem Mittagsschlaf, der Tag etwas aus dem Ruder, weil meine Cellolehrerin anrief, daß ihr in der Musikschule hier nebenan eine Stunde ausgefallen sei, ob ich da hineinspringen möge. Mochte ich. Es spart am Donnerstag anderthalb Stunden Fahrtzeit. Nur bin ich so nicht zu Hoseph Martin Krauss gekommen. Obendrein ist M. aus Südafrike zurück; wir fahren dann gegen 20 Uhr gemeinsam in die Bar, wohin auch der Profi kommen wird. Eventuell geh ich deshalb heute mal n i c h t zur Familie hinüber, sondern erledige meine Post. Ist einiges Dringende dabei.
Schön, so ein aufgeräumter exakter Schreibtisch; nur geputzt werden müßte dringend mal.
شجرة حبة in Skype. Wunderbar. Das nimmt den Drohbriefen ihre Unbedingtheit, gibt ihnen sogar etwas Komisches. Aus Heidelberg kam die Nachricht, mein Lehrauftrag sei abermals um nun sogar gleich zwei Semester verlängert worden. Und >>>> Volltext möchte für den Vorabdruck der einen Erzählung aus >>>> „Selzers Singen” ein Foto von mir haben; ich muß wieder so Privatdinger raussuchen, habe aber auf >>>> Susanne Schleyer verwiesen, die für alle meine offiziellen Fotografien „zuständig” ist.

Also doch zur Familie, etwas essen, die Kleinen zu Bett bringen, dann gleich, sowas nach acht, weiter zu U-Bahn, Treffen dort mit M., gemeinsam >>>> zur Bar, dort auch der Profi. Nachts wieder hier.

17 thoughts on “Arbeitsjournal. Montag, der 15. Januar 2010. Mit Straßburgs Tristan.

  1. Peter Wapnewski erfüllt sämtliche Tatbestände eines Germanisten, wie übrigens auch Peter von Matt – ich hab das auch mal studiert, aber irgendwann mal den Nerv unauffindbar verloren. Schade, eigentlich!

    1. @walhalladada. “Tatbestände” ist nett (aber ich sehe gerade, >>>> Betty B. hat sich schon geäußert).

      Etwas klug-symphatisch Professorales hat Wapnewski in der Tat auch in seinen Kommentaren, dabei aber eben das, was man einen pädagogischen Eros nennen kann, und zwar gegenüber Erwachsenen; immer unaufdringlich, gleichzeitig von enormem Wissen – das G u t e der Autoriät.
      Ich kann diese Cassetten >>>> wirklich nur empfehlen.

    2. Daß Eros dem Menschen, dem erwachsenen zumal, entgegenkommt, daran glaubt auch Wapnewski, das ist die Theologie der Autorität. Versteckt unter – sinnbildlich und gewollt provozierend – der undurchsichtigen Burka der Unaufdringlichkeit, beseelt vom kluftfreien Wissensvorsprung findet er stets den Richtigen und stets könnte er auch ein anderer sein. Fein gewebte Enormität allein führt bekanntlich nicht in ein Land, in eine Zeit, in dem bzw. in der Milch und Honig fließen. Deshalb, lieber walhallada wäre zu wählen: Peter W. oder Peter von M.. Wahlfreiheit jedenfalls, lieber Herr Herbst, “schadet eigentlich” nicht!

    3. lolitatismus weiß gott, der mensch ist nicht der herrscher über sein material. aber nach mehrmaligem lesen bin ich mir sicher: das ist sprachlicher karneval!!!!

    4. unter outsidern kursiert das gerücht, der vatikan betreibe in konnex mit der pornoindustrie einen supercomputer dahingehend, aufmüpfige litblogs, welche allzusehr der fleischlichen lust zusprechend (prop)agieren nachhaltig destimulierend aufzumischen, sprich in keusch-onanistisches hinein mit mächtig lexikalischer content-schau bewegen zu wollen.

    5. “litblogs, welche allzusehr der fleischlichen lust zusprechend (prop)agieren”: Sie scheinen anzunehmen, liebe Lotti, es handele sich auch bei den Litblogs, “aufmüpfigen” jedenfalls, um – Geschöpfe. Das wäre dann ein Gedanke, dem ich Sympathie entgegenbringen kann, auch wenn ich ihn nicht teile, seinen Glauben.

  2. Vom Bestand der Tat – Germanisten auf Abwegen Viele empfinden Tristan als reaktionäres Rührstück und werfen Gottfried vor, er lasse gezüchtete Orchideen der Leidenschaft in der Burka eben christlicher Sittsamkeit aufblühen. Nicht als ein Mißvwerständnis. Tatbestände erfüllen? Nein. Allenfalls dem Verklärten gemischten Gefühlen gegenüberstellen. “Elend sein” ist nun wirklich keine Tröstungsreserve, “ohne Land sein” eben auch keine Methapernaufschüttung. Tatbestände erfüllen? Sie sollten schon sorgsam unterscheiden: das Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft. Sterben mag eine Verpflichtung sein. Der Spaß stellt sich aber nur bei der Erfüllung ein. Tatbestände erfüllen? Wenn ich das schon lese.

    1. @Betty B. Ein reaktionäres Rührstück ist diese Dichtung eben gerade nicht, da haben Sie recht. Wapnewski stellt das aber auch deutlich dar. Der Tristan ist geradezu revolutionär in der Welt des Mittelalters, da er mit sozialen Normen bricht, und zwar auf höchstem poetischen Niveau. Die Strahlkraft ist so enorm, daß sie sogar mich als Vierzehnjährigen erfaßte – lange bevor Wagner das tat, der dann noch den Schopenhauer drumrumlegte und mich damit, ja, band.

    1. meinerseits nichts – nur was ergänzen in dem moment wo eine erfühlung sich erfüllt hat ist sie ein tastbestand, egal ob ein weiteres sämtliches oder samtenes betreffend.

    2. So nicht. beifügender – sondern so : Eine Erfühlung kann sich nur am Tastbestand erfüllen, egal ob ein weiteres sämtliches oder samtenes betreffend.

    3. gut roger lassen wirs um den angebahnten dialog von walhalladada und betty b.nicht zu stören beim nun angedeuteten besonderen bewenden, ich schnappte ja nur was von spass und sittsamer christlichkeit auf.

    4. ein n wäre schon zu ergänzen. muß es es nicht “neben sittsamer christlichkeit” heißen. eben? kaum zu glauben, in welche himmelsrichtungen locker getragene burkas so flattern. nichts sehen, aber alles ertasten und erfühlen, erotische möglichkeiten gibts also wie sand am meer(e), ihre erfüllung aber läßt doch auf sich warten.

    5. @beifügender ergänzender. “ihre erfüllung aber läßt doch auf sich warten” – Ist das bei Ihnen so? Nun, auch wenn Ihnen das mein Bedauern sicher, hat das hier nichts zu suchen. Weitere solche Bemerkungen, die nichts zur Sache beitragen, werden gelöscht.

    6. @ ergänzender ich vermute den tippfehler bei “nicht als ein missverständnis” – da fehlt dem nicht womöglich ein s – also korrigiert insofern > nichts als ein missverständnis.
      “burka christlicher sittsamkeit” klingt in meinen ohren interreligiös versöhnlich.

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