>>>><% file name="Krenek-Folder" %> Ernst Křenek im Konzerthaus Berlin.
__________________________ERSTER AKT.
ERSTE SZENE.
Eurydike sitzt im Vorbau ihres Gartens. Sie schaut auf die Gebirge hinüber.
Auf dem Boden ein Korb mit Nähzeug. Auf dem Finger der einen hat hat
Eurydike einen Ring mit dem Bilde Orpheus’, dessen Inschrift sie liest.
Ein Wagen rollt an. Man hört die Schellen läuten.
Orpheus kommt von der Straße herein. Der Übergang vom Grellen in den vom
üppigen Laub beschatteten Vorbau blendet ihn. Er greift ins Leere. Stößt mit
dem Fuß das Körbchen um, aus welchem ein Kinderball rollt. Erydike lacht leise.
Orpheus wirft den Ball Eurydike in den Schoß, küßt sie auf die Stirn, indes er
ihren Kopf zart nach rückwärts beugt.
Eurydike fast vorwurfsvoll. Du bist zurück? So bald?
Orpheus Und du? – wie nicht allein? als dächtest du was zu Ende?
Eurydike Wie dieser Ring zusammenschmiedet Orpheus und Eurydike,
so ewig eines Glück im andern. Ich hab dir nachgeschaut, wie du im
Wagen, ohne Gruß, heut morgen vorbeigefahren bist. Nichts als an dein
Glück, an dich gedacht? Für sich: Nein, ich kann nicht so fremd
vor ihm tun. Laut: Du lang Erwarteter! Dein Kopf sich neigte
in der Fahrt zurück, für Grüße ich’s genommen hab! Dein Augenpaar
auf glatter Vogellinie traf mich, du schöner Blick! Wenn ich mich
nimmer sattsehn könnt! Schmilzt der Vergrämtheit Reif nicht durch ein
Sonnenpaar? Du! Wenn ich dich vergessen könnte?
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Oskar Kokoschka. © Gladys Křenek
ERSTE SZENE.
Eurydike sitzt im Vorbau ihres Gartens. Sie schaut auf die Gebirge hinüber.
Auf dem Boden ein Korb mit Nähzeug. Auf dem Finger der einen hat hat
Eurydike einen Ring mit dem Bilde Orpheus’, dessen Inschrift sie liest.
Ein Wagen rollt an. Man hört die Schellen läuten.
Orpheus kommt von der Straße herein. Der Übergang vom Grellen in den vom
üppigen Laub beschatteten Vorbau blendet ihn. Er greift ins Leere. Stößt mit
dem Fuß das Körbchen um, aus welchem ein Kinderball rollt. Erydike lacht leise.
Orpheus wirft den Ball Eurydike in den Schoß, küßt sie auf die Stirn, indes er
ihren Kopf zart nach rückwärts beugt.
Eurydike fast vorwurfsvoll. Du bist zurück? So bald?
Orpheus Und du? – wie nicht allein? als dächtest du was zu Ende?
Eurydike Wie dieser Ring zusammenschmiedet Orpheus und Eurydike,
so ewig eines Glück im andern. Ich hab dir nachgeschaut, wie du im
Wagen, ohne Gruß, heut morgen vorbeigefahren bist. Nichts als an dein
Glück, an dich gedacht? Für sich: Nein, ich kann nicht so fremd
vor ihm tun. Laut: Du lang Erwarteter! Dein Kopf sich neigte
in der Fahrt zurück, für Grüße ich’s genommen hab! Dein Augenpaar
auf glatter Vogellinie traf mich, du schöner Blick! Wenn ich mich
nimmer sattsehn könnt! Schmilzt der Vergrämtheit Reif nicht durch ein
Sonnenpaar? Du! Wenn ich dich vergessen könnte?
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Oskar Kokoschka. © Gladys Křenek
@ANH >>> D a s sollten Sie lesen. Besonders Punkt 12 und 42 – 47, aber auch alles andere ist sehr wichtig, wenn man Kokoschka verstehen will. Ich hab seit einigen Jahren die Vorstellung einer verschlungenen Inszenierung des “Der brennende Dornbusch” mit “Orpheus und Eurydike.” Aber eher indirekt, so… wie bei Britten auch immer Schubert im Hintergrund auf der Bühne steht. Sicherlich gäbe das ein Erdbeben, kaum zu ertragen für Otto-Normalverbraucher.
Zum Beispiel Kokoschkas Ungeheuer Alma. Ein Gegensatzpaar — als das Primärste zumeist Mann und Frau — wird herausgegriffen, Kräfte widereinander getrieben, die ihrer Art nach sich zu befehden scheinen und die doch wiederum aus einem tieferen Grunde zusammengehalten werden. Polarität ist zwischen ihnen, ein Abstoßen und ein Anziehen zugleich. Der Künstler selbst nimmt in diesem Konflikt nicht Partei. An ihm ist es nicht, sich für die eine oder die andere Seite zu entscheiden. Er ist wie das Auge über dem Mikroskop ; er beobachtet, er stellt fest, wieviel an Triebkraft da und dort zur Auswirkung gelangt und an welchem Punkt etwa es zum Ausgleich kommt. In Kokoschkas Dramen gibt es keinen Schuldbegriff. Die Menschen treten an nach dem Gesetz ihrer Natur. Sie sind durch ihre Wesensart eingestellt in bestimmter Richtung. Sie sind nichts anderes, nichts besseres als die andere Natur. Sind wie der Sturm, der die Woge peitscht, wie das Feuer, das an dem Dornbusch zehrt. Urelemente, die nur diese eine Art der Expansion haben und für die es eine Entscheidung zwischen sittlichgut und sittlichschlecht nicht gibt. Wie das Feuer fressender Brand ist, das nicht reflektiert über das Holz, das in seiner Glut verkohlt, so ist in diesen Menschen Trieb, Gier, Liebe, Haß, Männlichkeit, Weiblichkeit. Ihr Fühlen, ihr Wollen und Handeln ist triebhaft. Ihr Lebensrhythmus schwingt in bestimmter Richtung, das ist die Ursache zu allen Verstrickungen, in die sie hineingezogen werden. Der Konflikt begibt sich nicht in ihnen, durch innere Entscheidungen wird ihr Handeln weder bekräftigt noch gehemmt. Aber durch ihr So-und-nicht-anders-sein, durch die Richtung ihrer Bewegung geraten sie in Widerstreit mit jedem zweiten Element, das aus anderer Richtung bewegt wird. Mann und Frau prallen aufeinander lediglich, weil in ihrer Geschlechtsnatur die unversöhnliche Gegensätzlichkeit gegeben ist.