Traurig die Schönheit, wenn sie verachtet. Sie leckt noch an dem Geschmack währender Blutung. Den Herpes hat ihr mein Kuß in die Unterlippe gestanzt und er läßt Dir den Schmerz, Amphitrite, Dir und den Deinen. Wir sperren ihn ein in die Form. Haltung, die schöne, erträgt es. Das ist der Grund und nicht Leere, die zu große Schönheit, behauptet der Neid, in Wahrheit verberge, ein dummer, der eigenes – minderes – Aussehn mit innerem Glänzen glorifiziern will und nicht begreift, was sie, die Schönheit, zu tragen verflucht ist. Wie nämlich sie von dem Steinmetz in Formen gebannt wird, bannen die Formen der Schönheit den Schmerz. Ihn hält sie inne. Wie, Amphitrite, das wütet in Dir! Aber Du lächelst, bist arrogant aus Vollendung und zu voller Stolz, um die Wollust, die ihn Dir nähme, zu bitten. Kühl bleibt die Schulter, meerhaft und fern ist der Blick nach dem Mann, der Vergessenheit wert wär. Zu groß war der Schrecken, Du sahst ihn als eigenen Ursprunges Zeugin, den blutigen Schaum, Kastration Deiner Väter, ihr Zeugungszeugs Stücke salzig im Toben des Gischtens, so troff es vorm Maul Deiner Mütter, siebenen Meeren. Die Allegorien stehn auf der Mauer und starren zur Regnitz.
Von denen, den Meeren, die Wirbel und Chaos davon und alles ein einziges Weh, zahlloses Wehtun im losen Schaum, der sich ausflockt und immer aufs neue nach Bindungen sucht, und er fand Dich, Du stiegst, Aphrodite, heraus, wie wenn die Schönheit der elementaren Selbstrettung diente: Ausformung eigenen Elends, das zu unerträglich ist, um sich fortgesetzt stumm zu ertragen. Die Kräfte begehrten rein gegen sich selbst auf. Dein, Anahit, schönes Erscheinen erscheint als Bewußtsein, das sich anders nicht aushält und umkehrt. Schönheit verklärt ihren Ursprung genauso wie Kunst, das Ungestalte gestaltend, das unter der Haut ist. Sekrete, die tiefseits der Labien rötlich zucken im nässenden Glanz. Zieh sie ein wenig heraus, streiche sie je zu den Schenkeln. Das ist das All. So geht’s hinein. So wieder geht es heraus. Glas ist nicht fruchtbar, der Schlamm ist‘s. Die Schönheit versteckt’s nur diskret, und sie soll das verstecken. Denn schließt, Amphitrite, einer dich auf? Wollte Pygmalion erfahren? Wie schreckt’ er zurück, als sich das Standbild ihm aufschlug! War ihm so wenig gewachsen, der Mann, wie es Alphonse de Peyrehorades der Venus von Ille war. Bemann mich! das rief sie und: Nimm mir die Haltung, den Willen! Sie ruft um Beschmutzung und Schläge, damit es sich endlich heraushaut aus ihr, die schwere, formale, besonnene Leuchtkraft, ihr Götziges, endlich. Will doch nur auch wieder Tier sein und parasymphatikoton sich ausruhen dürfen. Doch das zerbricht dich uns, Venus, ach Venus von Ille.
aus ganzem herzen danke
Herrlich! Wirklich schön!
@waugh. Ui, jetzt wird mir komisch zumute. Ich kann mit Gegnerschaften einfach besser umgehen als mit Zustimmung, also wenn sie irgendwo geschrieben steht. Persönlich ist’s was anderes, auch auf Lesungen ist’s was anderes. Veröffentlicht aber mißtraue ich dem wie ein zu oft geprügeltes Kleinkind, das später keiner Umarmung mehr glaubt, obwohl sie ihm guttut. M e i n e Macke, ganz zweifellos… ich schreib’s hier hin, damit man merkt, wie ich ticke. Bei Gegnern fühl ich mich sicher.
Schon der erste Satz! Kann mich nur anschließen: wunderschön! Weiter so!
Ich denke: d e r Durchbruch.
Kann Sie nur ermuntern, so weiter zu “stanzen”. Gerade die starken Wörter geben Ihrer Elegie aufrichtige Kraft und Aufrichtigkeit. Man spürt das W o l l e n.
@Gehrmann. Bei Ihnen, Bischofslinki, ja. Spürt man.
(Was verstehen Sie unter “Aufrichtigkeit”? Seltsam moralische Kategorie. Sie schätzen leise Wörter, sonst hörte man Sie nicht. Aber wir hören die Spatzen auf den Dächern.)
@Herbst / Gehrmann Sie haben Recht. Dort wurde fast im gleichen Wortlaut schon dasselbe geschrieben. Es ist genau derselbe Tonfall:
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Unverständnis Was Sie unter “spüren” verstehen, verstehe ich nun wieder nicht. Ihre Klammerreplik ist mehr als berechtigt, wählte ich doch eine unsinnige Doppelung von “aufrichtiger” Kraft und “Aufrichtigkeit”. Nehmen Sie meine Formulierung als “aufrichtig” im Sinne von “truthful”, auf gar keinen Fall im Sinne von “honest”. Ihre, ja, ich muß es sagen, Ihre donnernde Kraft, Worte als Elegie dem Leser entgegenzuschleudern, ist – eben – “truthful”. Akzeptieren Sie das als Lob, denn als L o b möchte ich meinen Beitrag gelesen wissen.
man spürt die absichtliche verstimmung http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=899&kapitel=6&cHash=e8191ea0722#gb_found
Bamberger Elegien Ganz sicher bin mir nicht, ob hier überhaupt Freudiges erwünscht ist. Aber als Bamberger muß ich mein Wohlgefallen ausdrücken dürfen. Bei aller Schwere und bei allem Formalen, die auch immer einer Elegie geschuldet ist, berückt mich die besonnene Leuchtkraft Ihrer Sprachbilder. Sie ermöglichen dem Leser ein parasymphatikotonisches Ausruhen. Und das allein ist in der deutschen Gegenwartsliteratur nunmehr kaum zu finden. Sie sind auf dem richtigen Weg. H. Göttsche, Bamberg
@H. Göttsche. Ich ziehe aus dem K ö r p e r meine Schlüsse. Alles andere kommt mir zweitrangig vor.
Endlich ein Baum ohne Beschmutzung und Schläge. Ich vermute, die Hölderline usw. usf. sind schlicht sprachlos angesichts der Wucht dieser Elegie. Drüben (und damit meine ich drüben) wird der “Schenkel” ja auch völlig mißverstanden, hier aber wird “je zu den Schenkeln gestrichen”, was sich bekanntlich ohne Emperie bleibt, Erfahrungen also, die sich den Laboratioriumshörigen entziehen müssen. Zur elementaren Selbstrettung gehört auch, wohlige Bangigkeit einzugestehen und zu hoffen, daß Ihre Verdienste, geschätzter Herr Herbst, hier schattenlos weiterleuchten können.
Der Sinn – und das gilt für Psalmen wie für Gedichte – wird durch die göttliche Spiegelung der Worte selber heraufbeschworen. Man wird guttut, sich dieses Satzes unseres Papstes zu erinnern, wenn man sich einer Elegie wie dieser nähert, die auf den ersten Blick dunkel verrätselt erscheint. Was ist dieses “Zeugungszeug”? Es ist, so will uns der Autor wohl sagen, das Glück eines einmaligen Augenblicks, empfunden als unwiederholbar, aber dauerhaft geworden durch diese Elegie und die Musikalität ihrer Rhythmik. Sie erschließt sich leichter, wenn man sich diese Elegie laut vorspricht. Allein das Wort “Zeugungszeug” zeichnet noch einmal die Auf- und Abwärtsbewegung des Ganzen nach und verharrt dennoch in schwebender Bewegung. (Nun auf zum Kirchgang, der mich an der Regnitz entlang”ver”führt. Und noch in der Bank
werden meine Gedanken segeln auf den “siebenen Meeren”, natürlich nur allegorisch gemeint. Allen einen friedvollen Sonntag)
@Eischinger. Wenn Sie genau lesen, lesen Sie “-zeugs”, nicht “zeug”. Der Ton ist eben n i c h t päpstisch; was das “Zeugungszeugs” sei, ergibt sich leicht aus der griechischen Mythologie. Von “Glück” kann nicht gesprochen werden, weder für die Szene selbst, noch für die Grundaussagen der Elegie. Schönheit aus Notwehr ist sicher nichts, über das man glücklich sein sollte, auch wenn die Schönheit selbst Glück erzeugt. Aber ich nehme Ihren Kommentar sehr gerne als einen ironischen an. An friedvolle Sonntage glaube ich nicht.
Ihr Sie wo auch immer entlangverführender
ANH
HERBST & DETERS FIKTIONÄRE
Gerade noch Ihren Wahlaufruf gelesen. Das hätte ich nun wiederum nicht gedacht. Ihre Worte sind immer so göttlich oder zumindest gottesnah. Ich bitte Sie, noch einmal Ihre Entscheidung zu überdenken. Das Christliche – im Sinne des Entschiedenen, des Entschlossenen – müßte Ihnen viel näher liegen. Wählen Sie also: glaubhaft.