Pop

Voll vom Gewimmel
ich scheiß doch auf dich!
tut er’s an auf hinausgestellten Stühlen
mit türkischem Akzent der Sprache
draußen an
der Theke, wo Handtaschen den Abend
nach freien Spesen durchsehn
im Schritt die Erwartung auf High Heels
hängen feingestreifte dunkelblaue Zwirns
drinnen um
legère aus den Konten des Tagwerks
gelockerte Körper
zu Make up und in Cocktails
quittierter getunkter Markt>Kkultur
getunktem Kult


48 thoughts on “Pop

    1. @Herbst, gut dann sag ich es eben jetzt seriös: Ich finde ihr Gedicht hat so ein paar Worte drin, die so dahin geschrieben sind.
      Sie können doch in so einem Gedicht nicht das Wort “Kultur” verwenden. Was wird denn das dann: Enui, Kulturkritik oder womöglich beleidigt sein, dass andere Leute Geld für Cocktail und Mädchen ausgeben, denen sie damit vielleicht auch ein Gefallen tun. Na und?
      Und dann weiß ich auch immer noch nicht, was der türkische Akzent der Sprache zu bedeuten hat. Man könnte beinahe glauben, sie haben was dagegen…
      So sieht’s aus.

    2. @Joula. Ich habe auf Ihre (gefärbte) Lesart bzgl. der türkischen Sprache längst geantwortet. Sie haben darauf nicht ragiert. Meinungen werden durch ihre Verdoppelung nicht besser.
      Im übrigen, wenn Sie so an pc hängen, ist das Ihre Sache, nicht meine. Sie dürfen mich jetzt gerne einen Rassisten nennen oder doch einen Anti-Türken, wenn Ihnen das so gefällt. Außerdem “finden Sie”, daß da so ein paar dahingeschriebene Wörter (meinen Sie doch, oder? Oder meinen Sie wirklich Worte?) drinstehen. Gut, d ü r f e n Sie finden. Auch finden darf jeder.

      [Klasse Grammatik, nebenbei: “denen sie damit vielleicht auch ein Gefallen tun”. Ich bin beeindruckt.]

    3. @Herbst ich hatte ihre Erwiderung nicht verstanden, weil sie was schrieben, von ..”was einem da angetan wurde…” oder so ähnlich. Also ich habs nicht verstanden. Wollte aber auch nicht nachhaken, weil es ja vielleicht was privates ist, aber trotzdem fand ich diesen Hinweis aufs Türkische unerklärt und versteh es jetzt immer noch nicht.

  1. allgemeines und besonderes auf dem weg mir frische croissants zu besorgen traf ich gerade x.
    er wohnt in einer kleinen einraumwohnung, lebt anscheinend sozial völlig isoliert
    und zwischen geschlossener abteilung und “freigang” auf tabletten.
    ich wage es schon gar nicht mehr ihn anzusprechen weil er äusserst anstregend
    ist – er überfordert völlig mein hirn.
    trotzdem fragte ich ihn kurz wie es ihm geht.
    nach einer minute völlig zusammenhanglosem gequatsche seinerseits, was aber wie lyrik sang ( er ist voller worte ) musste ich abbrechen und weitergehen.
    menschen welche gerne missverständliche texte interpretieren empfehle ich,
    sich ehrenamtlich mit solchen psychatrischen fällen zu beschäftigen, denn :
    interpretieren lässt sich alles und dann hätte so ein wirklich armer mensch wenig-
    stens das gefühl, sozial etwas aufgehobener zu sein.

    @ herbst :

    also ich verstehe ihren schritt, das wort nachtbar ( ausschnitthaft ) durch das wort pop ( leerer allgemeinbegriff ) auszutauschen nicht.
    der ausdruck poop statt pop würde das eigentlich noch verstehbare bild des
    obigen gedichts konkretisieren und einen zusammenhang mit der verwendeten
    besatzersprache ( high heels / make up / cocktails ) herstellen.

    1. @slipvisitor. 1) Weshalb ich “Nachtbar” ersetzt habe, ist in einem der Links erklärt, die ich genau deshalb unter das Gedicht gestellt habe. Muß ich also nicht n o c h mal erklären.
      2) Pop ist kein leerer Allgemeinbegriff, sondern eine gebräuchliche Gattungsbezeichnung für ein kulturelles Marktphänomen. Ob nun dazugehörende Einzelwerke tatsächlich dazugehören, eben immer nur einzeln zu bestimmen. Pop ist zugleich ein machtvolles Massen-Integrationsphänomen, das ganze Bewegungen steuert und genau dafür auch verwendet wird; möglicherweise – im kapitalistischen Bezugsfeld – das unterdessen mächtigste überhaupt; es wird von Kapitalinteressen angetrieben. So unscharf der Begriff bezogen je aufs Einzelwerk auch ist, spielt er als Begriff unterdessen nicht nur kulturpolitisch eine solche Vormachtrolle, daß man es in keinem Gedicht mehr rechtfertigen muß, wenn man ihn verwendet.

    2. Herbst, ich dachte, sie wollten mit dem türkischen Akzent der sprache ne typische Berliner Atmosphäre ausdrücken, ist doch nichts gegen einzuwenden, deshalb hatte ich mein spontanes gedichtchen dazuassoziert. Das sie gelöscht haben.
      Jetzt will ich aber immernoch wissen, was sie mit “angetan” meinten. Sonst versteht man iht gedicht überhaupt nicht.

    3. @ herr herbst ad pop so etwas müssen sie mir schon dazuschreiben weil es wohl eine art insiderinterpretation des wortes pop darstellt.
      ich sagte das oben schon, für mich ist der ausdruck pop erst einmal völlig leer
      und beliebig.
      ginge es an den ausdruck populäre kultur, so spräche ich vor allem von
      von massenkultur.
      ganz allgemein :
      wenn jemand an einer kultur aktiv teilhat so rede ich nicht mehr von einer kompletten ausgeliefertheit sondern von einer teilausgeliefertheit welche kultur
      stets miterzeugt, gegebenenfalls erweitert.

    4. @slipvisitor. Unser Dissenz bzgl. des Pops ist bekannt und muß nicht immer wiederholt werden. Für mich steht er auf der Seite dessen, was Adorno “industriellen Verblendungszusammenhang” nennt. Das Wort “Verblendung” hat er sicher nicht grundlos gewählt. So gesehen, sind Sie für mich ein “Verblendeter”, d.h. ich nehme Ihnen Ihre Haltung nicht übel, zumal sie eine Haltung der großen Mehrheit ist und sich dadurch selbst immer wieder bestätigt. Dagegen besteht meine, wenn Sie so wollen Aufgabe darin (vor allem ist es eine Haltung), hier immer wieder Stacheln zu setzen. Pop ist längst Establishment; auch das schrieb ich schon oft; wer glaubt, er trage noch “Widerstand”, irrt.

    5. pc, Herbst ich muss jetzt wirklich beinahe denken, dass Avatar Pamuk irgendwie richtig liegt mit seiner Vermutung, und sollte das so sein, finde ich das Gedicht nicht pc, sehr richtig, weil sie jetzt auch noch den pop als Überbegriff nehmen und ihn dann mit der ablehnung des sprachtürkischen irgendwie in Verbindung setzen und dies alles schließlich in den cocktail einer allgemeinen Ablehnung tauchen.

    6. konsequenterweise herr herbst sollten sie SO dichten.
      also nicht von trauben, zwetschgen, birnen etc reden in literarischen texten
      sondern immer nur von obst.
      oder von feldfrüchten geht es um kartoffeln, mais oder gerste usw.

      dann würde sich theorie und praxis vereinen.

      ich habe doch nun überhaupt kein problem mit gattungen aber sie haben eines
      und zwar ein gravierendes, ein absolutes.
      sind sie auf der suche nach absolutem ?
      und finden sie absolutes nur innnerhalb der gröbstmöglichen verallgemeinerung ?
      dann sind sie vermasst par excellance !
      willkommen in der masse !

    7. @slipvisitor. Mir schon klar, daß Sie Ihre Heimat verteidigen müssen. Mich wundert bei alledem nur, was Sie eigentlich in Der Dschungel noch suchen. Es zwingt Sie doch niemand, sich das alles immer wieder anzutun. Es scheint Sie aber etwas zu treffen, womit wir wieder bei der Verteidigung wären.

    8. herr herbst soll das jetzt eine antwort sein oder der versuch eines erstellens eines verblendungszusammenhangs ?

      ich beantworte aber gerne noch ihrern kommentar.
      was ich eigentlich in der dschungel suche ?

      wirklich gute diskussionen ohne polemiken.

    9. nicht Nachtbar, voll nicht Pop, dann lieber ganz ohne Titel, oder einfach Bar und die quittung am schluss dafür, sind ja auch die konten noch drin.
      tunkkultur geht gar nicht, allenfalls als nachoismus der kinodipimkinoverteiler.
      aber so ein cocktail muss schon ein sehr zäher cocktail sein, wenn man da was tunken will, die meisten sind aber doch flüssig.

    10. @diadorim. Doch. Pop paßt hier absolut (schon weil in solchen Gaststätten nie etwas anderes läuft, oder selten). Und ich schrieb nichts von “Tunkkultur”, sondern von einer, die in Cocktails getunkt wird. Und: Man kann etwas in Wasser tunken, da muß das “Wasser” nicht zäh sein. Wie kommen Sie auf eine Assoziation “tunken” und “zäh”? tunken bedeutet eintauchen, also “etwas in etwas eintauchen”.

    11. hm, aber es steckt doch die tunke drin im tunken und die vielen us, denen man da ein ständchen bringt: http://www.youtube.com/watch?v=UGyFG4QFWOs
      stippen geht aber auch nicht gut. und egal ob tunken oder stippen, in cocktail gestippte kultur oder marktkultur, was soll das sei? beim quittieren blieben sie in den bildern von spesen und konten, das ist viel viel besser, finde ich.
      alles zurück auf anfang.
      das passiert oft dabei, wenn andere fragen, wie ist es denn gemeint, dann verschlimmbessert man in richtung deutlichkeit, und wie man glaubt, dass man es selbst gemeint hat. aber meinen ist für das gedicht ganz schlecht, beim gedicht hängt alles am sagen und nix am meinen, kommt mir so vor. hören sie besser nicht auf uns reinpfuscher.

      Nachtbar

      voll vom Gewimmel
      ich scheiß doch auf dich!
      mit Sprache und türkischem Akzent
      beim Hinausstellen der Stühle
      draußen an der Theke
      wo Handtaschen die Bar
      nach freien Spesen durchsehn
      im Schritt die Erwartung auf High Heels
      hängen gut gekämmte Stoffe
      drinnen um
      legère aus den Konten des Tages
      gelöste Körper
      zu Make up und mit Cocktails
      quittierter Stil

    12. @diadorim. Diskutable Variante. Lustig auch wieder der “Türke”. Nein, er stellt die Stühle nicht selbst hinaus. Lacht. Er sitzt auf einem der hinausgestellten Stühle und fährt mit dem Satz “ich scheiß doch auf dich!” mehrmals scharf seinen Sitznachbarn an. Statt es diesem tatsächlich zu tun, tut es aber sein Radebrechen mit der Sprache: auf d i e scheißt er.
      “gut gekämmte Stoffe” geht, glaub ich, so wenig, wie zuvor das feingestreift (des Klischees halber) ging; deshalb bin ich auf “dunkelblauen Zwirn” ausgewichen (der Terminus “Zwirn” wird in Broker- und Bankerkreisen, die ich ja gut kenne, sehr gerne für hochpreisige Jacketts verwendet).
      G a r nicht aber geht hier der “quittierte Stil”… glaube ich. Stil war bei alledem nie die Frage. In Cocktails “getunkte” Kultur gefällt mir deshalb besser, weil inhaltlich Kultur ertränkt wird, und zwar eben in Cocktails, und weil die u-Laute eine Reihe ergeben, die sich hier, so meine Absicht, mit den k-Anlauten schlüssig verbindet, zumal das “u” schon im kurzen “dùrchsehn” und dem über das “au” lang wirkenden “dunkelblau” eingeführt wird.

    13. was mal wieder beweist, man kann dem anderen sein gedicht nicht schreiben oder verbessern, das können sie nur selber tun. ich aber denke nun, teufel noch eins, was ging denn da wirklich vor. ich will ein gedicht, das drei mal so lang ist, und mir einen zwirnträger zeigt, einen türkischen schimpfer, eine handtasche, eine erwartung, einen cocktail. was passierte in der nacht zum freitag auf samstag in der nachtbar mit der kultur, wer war ihr mörder? und schritt herr herbst ein? so, ja, genau. kombiniere.

    14. dazu assoziert durch das wort handtasche wird eine frau auf einen gegenstand reduziert.
      ( im juristischen sinn ist ein tier ebenfalls noch ein gegenstand, eine sache,
      etwas anorganisches pp )
      man kennt solcherart reduktionen von weiblichkeit aus der umgangssprache unter verwendung von worten wie torte / schnitte / dose / quarktasche usw. usf. , welche dabei dann auf weibliches verweisen.
      den ausdruck handtasche kenne ich diesbezüglich noch nicht.
      sogesehen fände hier eine ergänzung eines vokabulars betreffs frauen statt.
      nun im ausschliesslichen hinweisen auf die frau als anorganischem objekt findet
      zuvörderst die kontaktanbahnung zu der sinnlichen erscheinung des wesens frau – in ihrer ganzen möglichen facettenhaftigkeit statt.
      da aber kultur womöglich reduziert indem sie tunkt. dippt, oder stippt, so strippt
      sie unter umständen bis zu einer kompletten freigelegtheit von nackter haut.
      fragt sich ob das sinn machte innerhalb dann welcher kontextualität.

      freie spesen ist eine tautologie

    15. das habe ich auch gedacht, dass freie spesen eine tautlogie seien, aber wenn ausser spesen, nix gewesen ist, nehme ich mal an, hatte man die auch noch selbst zu entrichten, und es war gar nix frei daran. tatsächlich sind es nur auslagen, oder? also ginge ‘frei’ schon.
      na ja, es gibt halt handtaschen und zwirn, beides aus dem accessoirladen des spätexpressionismus. so will es ja das gedicht. und ich will jetzt mal wieder was fora da internetschi tun, under the sun. schönen sonntag allen. bis später.

    16. @diadorim und slipvisitor. “freie Spesen” sind selbstverständlich k e i n e Tautologie, zumal, wenn man in Betracht zeiht (ha! zieht sollte das heißen…), wofür die Damen möchten, daß man sie ausgibt. Armer Slipvisitor aber! Kommt ganz durcheinander mit seiner korrekten Gynophilie (sprich: “-vielje”)! “Handtaschen”! Wir d a r f man? Wie s o l l man! Welch Abwertung des andren Geschlechts-insgesamt! Was für ein Macho! Ah, er ist ein Unhold, der ANH! Dagegen k a n n man nur die “frau in ihrer ganzen möglichen facettenhaftigkeit” setzen, ja m u ß man! Und das “Wesen” muß noch hinzu, sonst hielte man es seiner Facetten(augen) halber für ein – oh!!! – – : Insekt. Dem wollen wir wehren.

    17. klar – aber nicht ausschliesslich wollen sondern ( es – oder individualisierend ) tun. “vielje” gefällt mir – also ich übersetze : viele je ( je im sinne von jemals, sprich bis heute ).

  2. …abgebrochener Stummel als Kommentar Also das Gedicht gefällt mir gut, egal mit welchem Titel – es ist ja auch nur so eine Szenebild, ein „Gelegenheitsgedicht“ hätte man so was früher genannt; der Titel erscheint mir austauschbar wie Titel oft überflüssig sind. Das Sprachbild aber scheint mir etwas einzufangen, es scheint auf der Höhe seiner Anstrengung.

    (Und, scheiß auf pc: Diese Art Türken habe ich gleich vor Augen, weil es sie eben überall gibt, sie hängen auch hier etwa in der „Rio Rita-Bar“ rum: Sie gehören zum Bild, man könnte auch sagen: zum Kolorit. Das Deutsche ist ja oft ohne das Türkische – und das ist eben auch längst oft „typisch“ – oft gar nicht mehr denkbar!)

    Was mich aber mehr an all dem interessiert, ist das Gestammel. (Weniger das nur Missverständliche etwa der Kommentaren, die sich nicht groß um Grammatik kümmern, weil die ihnen bei ihren Sinnbeschaffungsmaßnahmen anscheinend nicht mal einleuchtet: Sie schreiben wie sie sprechen, uneingedenk<>, dass ihre vermeintliche Umgangssprachenbeherrschung selber auch beherrschte Sprache ist, und als mangelhafte sie von daher entmächtigend.)

    Spracharbeit aber ist per se oft „aufklärerisch“. Sogar in ihren Formen der Verwirrung. Also auch manchmal als Gestammel.

    Wie allerdings einer der Kommentatoren es ausführt: Das ist oft nahe am Pathologischen. Allerdings ist das Pathologische kein Argument gegen die Verwirrung, wo diese selber sich an Hellsichtigkeitsgewinnung versucht (oder sich so einsetzen lässt). Da unterscheiden sich Lesarten bzw. Hirn-Wachheiten und poetische Anklangsnerven. Nicht alle Texte können von allen verstanden werden bzw. – uncorrectly more correct – müssen sie auch nicht sämtlichen Nichtverstehenden in die Planformen ihrer Zugänglichkeit werden. „Ein Gedicht ist kein Blindenhund.“ [Kiev Stingl]

    Trotzdem, da Gestammel auch Sprachmächtigeren unterläuft: Wie weit kann man das treiben, wenn in sowohl dem Medium wie dessen implizitem Anspruch es eigentlich auf „Kommunikation“, also auch auf eine „vulgäre“ Verständlichkeit zielt? Die überraschende Wendung, die artifizielle Setzung, sind sie wirklich „Literatur“, wenn sie heute jedermann einfallen können und sich mittels neuer „Sprachspiele“ (L.W.) längst auch die Üblichkeiten erweitern? Oder variieren wir alle immer nur die Chomsky’sche Tiefengrammatik, sind also Gefangene?

    Oder andersrum: Das Schreiben wie Sprechen, wie jeder mag – produziert es wirklich mehr Anschlussmöglichkeiten von Verstehen? Anderer als die „Poesie“ hier (die mir auch eher einer klassischen verpflichtet scheint, als dass sie etwas umstürzt [was sie vielleicht nicht will, aber schätzt, dass man es ihr unterstellt])? Ist jeder Insider-Quatsch noch jedem Außenstehenden vermittelbar zu halten?

    In diesem Blog stört mich oft der mir künstlich hochgelegt erscheinende Widerstand, die Anstrengung, mich um Verstehen erst bemühen zu müssen, da es mir sonst überall doch so leicht gemacht wird. Mir scheint hier und da weniger Eigensinn der Sprache am Werk als nur „elaborierter Code“, zu viel Auktorialität, zu viel Werkcharakter an der Sprache, die auf etwas anderes als bloß „ihre“ Verständlichkeit zielt. So etwas wie „Der Arndt-Komplex“ (zugegebenermaßen einer meiner Favourites) schien mir da auf gewisse Weise, obwohl konventioneller in der Form, doch weiter. Und kann man noch auf „Kunst“ zielen in einem Medium, das (oder eben dessen Benutzer) die Grenzen des Gestammels nicht immer erst einmal wieder genauer zu bestimmen versuchen, d.h. in ihren jeweiligen Auffassungen nicht aneinander vorbei reden? Die Pluralität der Stimmen – franst sie längst oft zu sehr aus?

    Ich bin selber im Zwiespalt: Ich misstraue zunehmend dem Pathos der „offenen Form“. Aber seltsam, auch das geht mir gerade auf: Viel lieber als „Big Sinn“ wäre mir oft nur noch ein einigermaßen inspiriertes Gestammel!

    &nbs;

    1. @ en passant sie schrieben

      “uneingedenk<>, dass ihre vermeintliche Umgangssprachenbeherrschung selber auch beherrschte Sprache ist, und als mangelhafte sie von daher entmächtigend.)”

      was wollen sie denn damit wem unterstellen, en passant.

      mir gefällt alleine schon der von ihnen benutzte ausdruck beherrschung nicht.
      ich ersetze diesen mal durch die wortneuschöpfung > bemenschung.
      man bemenscht dann umgangssprache, man hat also umgang.
      ( >> umgänglichkeit, man kann umgehen / umhergehen o.ä. )

      dem gegenüber abzusetzen wäre fachsprache finde ich.
      aus in der regel allgemeinverständlichen, restringierten codes werden elaborierte
      codes.

    2. @en passant (All)Gemein-verständlicheit der Sprache ergibt sich im gesprochenen Alltag nicht aus der Sprache allein. Eine Vielzahl von nichtverbalen Entäußerungen begleiten den Sprechenden oder das Sprechende. Ein Zucken der Mundwinkel, eine Färbung der Stimme usw… Ausserdem ist Sprechen im Alltag immer eine Bedarfshandlung. Das Sprechen will zumeist auf etwas Naheliegendes hinaus. Zum Beispiel: Gib mir Feuer. Und dabei habe ich schon eine Fluppe im Mund.
      Von dieser Art sind viele Gespräche. Auch wenn sie von Abwesendem handeln, “zeigen” sie auf etwas Naheliegendes und sei es den Zuhörer.
      Wenn ich jetzt einen Text schreibe, der nur in der vom Bedarfssprechhandeln losgelösten Form auf dem Papier existiert, muss ich, um verstanden zu werden einen “Sprachbedarf” plausibel machen. Also warum ein Gedicht schreiben, anstatt schweigen. Das ist die erste Frage, die sich jeder Schreiber zu stellen hat. Die Plausibilisierung der Antwort auf diese Frage macht für mich zu 50 Prozent einen guten Text aus. Wenn diese Plausibilisierung nicht stattfindet, hat es ein geschriebener Text schon schwerer. Also dann müsste er so geschrieben sein, dass er Eigenkitzel entwickelt und man ihn dann aufhebt als sei dieser Text etwas, dass man sehr lange schon vermisst hat, und – jetzt – fällt es auf – man braucht ihn. Für mich sind gute Texte Bedarfsanweisungen.

    3. Mist! Jetzt habe ich mich durch das Fehlen eines einzigen Zeichens – dem Kursiv-Schlusstag hinter “uneingedenk” – selber desavouiert. Gestammel: Performatives Gelingen? Der Sinn sucht sich selber die Wege… (Sorry trotzdem dafür!)

       

    4. Ach ja, zur neuen Version von “Nachtbar” noch: Ich glaube, ohne “Kultur” ist es besser. Obwohl mir gerade die Provokation in der “Kultur” (auch gegen die sich oft besonders maskulin gerierenden “Türken” [“Lesen ist schwul”] gefiel.

      Vielleicht gibt es aber manchmal keine Endversionen, immer nur temporäre “gültige” / Teil-Gelingen?

       

    5. “beherrscht” siehe”Welche Sprachen beherrschen Sie” In der Tendenz wird man sich auf das verlassen, was man zu beherrschen glaubt: “Umgangssprache”.
      In der Annahme der Beherrschbarkeit aber beginnt schon schon das Falsche. Usw.

       

    6. “In der Annahme der Beherrschbarkeit aber beginnt schon schon das Falsche”. Das entbindet aber nicht von dem Anspruch, es zu können (im Sinn von: in möglichst vielen ihrer Möglichkeiten zu s e i n; wozu zumindest gehört, daß man die Grammatik kennt und anzuwenden weiß). Der an sich richtige Satz ist kein Freifahrtschein für Schludigkeiten, auch dann nicht, wenn bewußt geschludert wird.

    7. @ ANH Aber wäre der Anspruch nicht (womöglich gar auf Dauer gestellte) Illusion, vor allem, wenn er – mit ein bisschen Gelingen – dahin verführt, sich auf anfängliches Gelingen zu sehr zu verlassen?

      Klar, das bedeutet erst einmal Lernen, sich des Gelernten zu versichern indem man es anwendet. Aber will es sich dann noch mal verunsichern lassen? (Selbst der Fehler, mit dem man einmal durchgekommen ist, verführt dazu, ihn zu wiederholen.)

      Mit den “Schludrigkeiten” bin ich nicht so sicher. (“lichtung manche meinen lechts und rinks…”) Wenn sie “bewusst” sind, sind sie dann nicht Erweiterung der Souveränität?
      (Wenn auch immer noch nicht Beweis von Beherrschbarkeit. Ich stelle mir immer vor, auch Jandl oder Arno Schmidt sind vielleicht nur durch ihre ersten Vertipper auf einige ihrer Möglichkeiten gestoßen.)

      &nbsp?

    8. @Joula Also Plausibilitätprüfung für ein Gedicht… AUCH ein origineler Gedanke. Nur würde solche Prüfungen unseren Kanon wohl sehr ausdünnen.

      Sind nicht die umraunten “Umnachtungen” letztlich von längerer Halbwertszeit? Das Rätsel führt sicher weiter als die rasch gebrauchs- & abgefertigten Plausibilitäten. Von daher noch mal mein Pladoyer für das “Stammeln” – das eben Lyrik ja oft versucht… aber dann doch nur beim kleinen Sinn der – zwangsläufig? – zu kurz denkenden Plausibilitäten landet.

      Ich glaube Baudrillard schrieb mal, dass das Geheimnis des Schreibens eigentlich darin bestünde, genug Zwischenschritte auszulassen um nicht in der Ärmlichkeit des Aufgehns an Sinn aufzugehen.

       

    9. darauf würde ich sagen, dass ich Plausibilitäten nicht für Verkürzungen halte. Plausibilisierungen sind doch eigentlich weltzeugend, technikzeugend, und damit weltverlängernd. In der Summe sind sie das.
      Ich sage mir, ein Mensch, schiffbrüchig, auf einer Insel, überlebt mit einem Büchlein, womöglich, das ihm sagt, wie man Feuer macht. wenn dieses büchlein dann noch poetisch geschrieben ist, ohne unverständlich zu sein, dann ist das großer Text.

    10. hm, ob mir mondrians broadway boogie woogie wirklich in new york weiter hülfe als stadtplan, man kann da sicher ein paar landmarks eintragen, wenn man vor ort ist, aber, wer weiss, vielleicht ist er auch genauer als der stadtplan je war, enzensberger hatte nämlich ganz und gar unrecht. lernt die bilder lesen, denn die sind genauer als die stadtpläne, wenn man die exaktheit des befindens und nicht die der befindlichkeit meint. (ich sollte was mit sprache machen…)

  3. in cocktails
    getunktem kult

    achtung, kilt im cocktail und fussel im mund!

    Pop

    Voll vom Gewimmel
    ich scheiß doch auf dich!
    sitzt er auf hinausgestellten Stühlen
    mit türkischem Akzent der Sprache
    an der Theke
    durchsuchen Handtaschen den Abend
    nach freien Spesen
    im Schritt die Erwartung auf High Heels
    hängen drinnen gedeckte Zwirne
    um gelockerte Körper
    in Make up und an Cocktails
    nippende Kultur

    (es gibt aber doch auch ganz nette bar- und clubkultur. zuhause trinken kann nicht die lösung sein.
    ich glaube, ich muss da noch mal hingehen und gucken, obs wirklich so schlimm um die bar bestellt ist. allerdings dachte ich auch, nossa, ne echte abschlepperbar, müssen die hotels drumrum sein. aber war doch trotzdem noch nett, die haben ja nur ein bisschen gestört, aber sonst.)

    1. nein, ist nicht mein text, ist eine übermalung.
      wir müssen mal, ganz unter uns, klären, das ein gewisses, alkohogeschwängertes abhängertum noch nicht pop sein muss, kann, aber muss nicht. das geht im prinzip in jeder massenuntauglichen dorfkneipe auch. pop und pop ist ein grosser unterschied, so wie schönberg und strauss ja nun auch. roger. verstanden.
      die hatten alle was an.
      welche trompete? häh?

      oh, ich antwortete einem geist. nun denn, nicht wichtig, egal.

    2. @diadorim. Popmusik. Definition. Ich fasse den Begriff ungefähr so, wie es >>>>> hier ausgeführt ist. Der Vergleich Schönberg/Strauss stimmt so nicht, weil Schönberg, wenigstens seit der 12-Ton-Kehre, nicht mehr unter “Klassische Musik” (das wäre der entsprechende Terminus), sondern unter “Neue Musik” befaßt wird. Ich persönlich halte vieles von dem, was “Klassische Musik” genannt ist, ebenfalls für Pop, und zwar spätestens mit ihrer massenmedialen Verbreitung i n Masse. Selbstverständlich ist im einzelnen zu schauen, was eigentlich gemeint sei; tatsächlich ist “Pop” aber ein politischer Kampfbegriff der Unterhaltungsindustrie, der unterdessen längst Hand in Hand mit politischen Interessen des Establisments geht. Das liegt daran, die die Pop-geprägten Generationen mittlerweile die wirtschaftlichen und politischen Machtpositionen besetzen; sie haben denselben kulturellen Hintergrund – und definieren sich auch über ihn – wie ihre vorgeblichen Gegner. Davon ist ganz unbenommen, daß es innerhalb des sog. Popsegmentes Musiken gibt, die etwas anderes wollen, vielleicht sogar erreichen; ich würde die dann aber nicht mehr in den Pop stecken. Man muß sich darüber klar sein, daß, den Begriff Pop affirmativ zu verwenden, unumgänglicherweise eine Affirmation des Kapitalismus geworden ist., der den Begriff sehr bewußt einsetzt; es geht hier um Industrie. Pop ist ein von ihr restlos okkupierter Begriff für Lebenseinstellung/Lebenshaltung und zugleich für “simpel”, “jedem verständlich” usw. – was für die meisten Pop-Produkte so auch formal gilt. Das meiste dessen, was den Pop repräsentiert, fällt weit hinter die erste Wiener Klassik zurück, besonders in der Harmonik, aber auch, wenn man etwa auf Stavinski und folgende schaut, in der Rhythmik. Auch die soll “eingängig” sein, damit keine Hürden der Rezeption zu überwinden sind.
      Daß es, besonders im Rock, immer wieder geradezu dionysische Ausbrüche gab, darüber müssen wir gar nicht streiten. Allesie wurden aber innerhalb weniger Monate, oft nur in Wochen affirmativ zurechtgefeilt. Für dieses Zurechtfeilen steht “Pop”. Unterdessen ist das spruchfertig, also ein label geworden, etwa “Generation Pop”, “Popliteratur” usw. In diesem Sinn verwende ich den Begriff, bin aber offen dafür, wen mir jemand sagt: “Das meine ich gar nicht, sondern” und entsprechend vorzeigt; dann wäre zu klären, inwieweit das Vorgezeigte aus dem label ausbricht und auch in der Benennung ausbrechen sollte.

      Aber ich muß los…

    3. poptrojaner ‘Für dieses Zurechtfeilen steht “Pop”.’

      hm, für mich stünde pop eher für ein i ll be your mirror einer infra- und suprastrukturell geregelten umwelt, wie vielleicht in star guitar von den chemical brothers und michel gondry, wo es zu jedem beat eine visuelle entsprechung gibt: you should feel what i feel, you should take, what i take. sicher als affirmative losung einer durch geld geregelten daseinsfahrt ebenso lesbar, aber guter pop spiegelt ja nicht bloss, sondern erschafft auch den affirmativen unort erst durch die gespiegelte nachstellung, ist somit vielleicht wie ein sich lösender wirkstoff im aufgehen. das wäre meine utopie des pop, wie ich ihn schätze.
      nicht pop löst sich dagegen nicht, ist sichtbarer widerstand, aber hat unter umständen auch null wirkung, was nicht gegen in spricht, aber auch nicht in jedem fall für ihn.
      http://www.youtube.com/watch?v=Ws_R_GxZX2o

    4. @diadorim. Das Utopische Ihres Gedankens kann ich sehr gut verstehen. Es i s t aber Utopie, denke ich. Vieles ist bei alledem auch eine Frage der (Hör-)Sozialisation und darüberhinaus dessen, wozu jemand gelernt hat, sich zugehörig zu fühlen, und aus welchen Gründen. Die Empfindlichkeit gegenüber allzu Harmonischem ist in uns verschieden ausgeprägt; was einer als unerträglich banal empfindet (so Pierre Boulez über “den” Pop), mag für jemanden anderen bereits die Grenze der akustischen Beanspruchbarkeit bedeuten. Es gibt ja bis heute nicht wenige Menschen, die, wenn sie die immerhin fast 100 Jahre alte 12-Ton-Musik hören, immer noch nichts anderes fühlen als eine gehörte “Kakophonie”; umgekehrt reagieren jene, die das sog. Kakophone als intensiven Ausdruck zu empfinden gelernt haben, auf allzu viel harmonischer Buttercreme mit Übelkeit und auf durchlaufende Beats mit dem dringenden Gefühl, vergewaltigt zu werden. Mir ging das einige Jahre so; unterdessen höre ich mit milderem Herzen.

    5. aber es kann ja auch nicht sein, dass wir immer wieder wie die hasen zurück in den bau hoppeln. prägung, ja, ok, aber das tut immer so, als sei es mir prinzipiell unzugänglich, alban bergs lulu zu mögen, dabei war ich fasziniert, wie man wörter wie exmatrikulieren überhaupt singen kann. ich denke, prägung bewirkt nur, dass man sich nicht zu was anderem äußern mag, weil prägung eben auch kenntnis bedeutet, ich schreibe lieber über das, wovon ich glaube, dass ich mich damit nicht auf totalem glatteise befinde, weil ich ein einigermaßen angefülltes rezeptionsgedächtnis besitze und sie machen eben auch nichts anderes, und beide wissen wir um ein aussen, was ja auch solche gedächtnisse mit sich herumträgt, und gerechtfertigte haue will man nicht für seinen senf beziehen. dabei ginge es schon um eine bewegung in beide richtungen, und die findet ja auch statt. mit coltranes zwanzig minütigem my favorite things live at the village vanguard ist auch für viele die grenze der akustischen beanspruchbarkeit erreicht, für mich nicht, auch bei charles gayle und henry threadgill nicht, darum geht es mir nicht, ich finde das etwas gemein, zu meinen, ich sei ausschließlich auf einfache harmonien geprägt, alles andere ist der fall, aber da hier gerade niemand sich für den pop verkämpfen mag, und sich zu gleichen teilen in meinem cd-schrank indiepop wie jazz befindet, springe ich hier mal ein und sage, halt, nein, so einfach ist es nicht, und wir beide sprechen von werken und komponisten, die es wert sind, dass man über sie spricht, elliott smith ist es wert, genau so wie es schönberg ist. pop, sie sagen es selber, umfasst ja weit mehr als die feine aushorchung des werkes selber, sie müssen immer das echo mit hinzurechnen, um zu begreifen, was er ist, wo er gut ist.
      in diesem sinne ist klassische und neue musik nicht echo und damit in einem bürgerlichen verständnis von kunst eben dieses nichtaffirmative, sondern die eigenweltproduktion, die man aber auch von ihr verlangt und ihr den platz ja genau dafür einräumt, als ganz aus eigenglanz gemachte werke, pop sucht da eher den anschluss an schon vorhandenes. ist arrangeur eher als schöpfer.
      (und ich habe noch nie auf irgendwas mit einem gefühl, vergewaltigt werden zu wollen, reagiert. ich weiss nicht, wer das mal durchgemacht hat, nehme ich an, der weiss für sein leben wohl, dass er kein verlangen danach hegt, ich schätze, denjenigen treiben eher rachegelüste.)
      ich glaube auch, pop braucht ihre milde nicht. aber das hört sich jetzt böse an, so ist es aber nicht, es ist eher ein wenig resignierend, ok, reden wir nicht drüber, sie packen immer wieder die buttercreme aus, und wollens nicht hören müssen. wie sie darauf bestehen ein eigen zu sein, in jeder beziehung, ich bin aber schon teils angelöst. sie werden noch in tausend jahren da stehen und sagen, ich vögel gern, ich lebe gern, ich schreibe große werke. und ich denke, na, ob er tatsächlich immer gern vögelt und immer gern lebt und immer große werke schreibt, und finde sie genau in den momenten groß, wo sie selbst daran zu zweifeln beginnen. aber sie achten schon sehr darauf, dass diese zweifel hier nicht zu groß werden, das ist vielleicht lebens- und schreibensnotwendig für sie, wie für mich der zweifel an der vitalität, gegen die ich aber doch so gar nix habe, und bei der ich mich bei goetz immer freue, wenn sie sich zeigt. ach, ich wollte doch über saint clair cemin schreiben.

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