Arbeitsjournal. Sonntag, der 30. November 2008.

5.51 Uhr:
[Am Terrarium.]
Seit einer halben Stunde auf. Gestern verging ohne Arbeit, ohne Cello, schließlich auch ohne das angekündigte Renovieren der alten Väter-WG, weil ich mich nämlich vorher noch mit dem anderen Freund auf einen Kaffee traf und mit ihm, dessen Sohn so abgerutscht ist, in Kracg geriet; >>>> neulich zu Drei Wochen Jugendarrest ist der Junge verdonnert worden und seither bei uns untergeschlupft; sein Anwalt will in die Berufung gehen, um diese drei Wochen wegzubekommen („das ist s c h ä d l i c h für den Jungen“), aber der Vater will die Berufung nicht, weil der Junge, ein Fünfzehnjähriger, dann doch nicht mehr ‘den Prozeß auf den Schultern’ habe. – Ich bin total ausgerastet und war danach nicht mehr in der Lage, zu Katanga hinüberfahren, um an die Renovierung zu gehen. Insgesamt war ich dann nur noch schlecht drauf, zumal mein letzter Satz an den von da an ehemaligen Freund lautete: „Besorg dir eine Pistole und erschieß dich; dann weißt du, was ich von dir als Vater halte.“ Die Mutter wiederum ist psychisch derart defekt, daß sie nicht einmal in der Lage ist, ihren Sohn auf wenigstens einen Adventskaffee zu sehen; er rief sie gestern von uns aus an, telefonierte fast eine Stunde, wir bekamen große Bruchstücke mit: sie sagte ihm, sie sei zu schwach, um ihn zu sehen, er sei doch gerade erst (!) vor vier Tagen bei ihr gewesen. Es ist zum Kotzen, so ekelhaft. Jetzt hat der Bursche seinen Vater verloren, seine Mutter verloren, „welche Lieblosigkeit“, kommentierte K. bereits letzte Woche. Nach der hin- und hergebrüllten Auseinandersetzung, in der denn auch alles mögliche Tiefere hochkam – bei mir die Erinnerung an meinen eigenen Jugenarrest, da war ich eben auch fümfzehn, bei mir die Erinnerung, ebenfalls keinen Vater gehabt zu haben, der dagewesen wäre, wenn’s schwierig wurde, bei mir die Erinnerung an eine Mutter, die ihren Dreizehnjährigen allein ins Krankenhaus und dann logischerweise auch allein ins Gefängnis gehen ließ; bei ihm der eigene Konflikt mit s e i n e m Vater, bei ihm die innere Schuld, mit der nun umgegangen werden muß, bei ihm der Gedanken: Du hast mich immer schon für einen Versager gehalten, jetzt kommt es nur endlich heraus -, also danach rief ich den Profi an, um mir Luft zu verschaffen; er: Du solltest wenigstens den Anwalt des Jungen informieren, daß er jetzt bei Euch ist, ich: wie denn, es ist Sonnabend? Er: ich übernehme das. Was mich bei der ganzen Sache eigentlich so hochgebracht hat, ist nicht, daß der Vater keine Kraft mehr hat (er ist bezüglich seines Sohnes ausgebrannt, deutlich, die letzten anderthalb Jahre waren durchaus eine Hölle für ihn, für beide, denke ich); er will jetzt ein eigenes Leben wieder haben mit einer neuen Frau und anderen Kindern, die dazugehören; w a s mich aufbringt, ist, daß man auch nur den G e d a n k e n haben kann, sein eigenes Kind ins Gefängnis gehen zu lassen, obwohl das noch zu verhindern wäre. Dieses Ich-will-das-jetzt-lossein erbittert mich nicht nur, sondern schürt einen Haß, der, wie ich genau weiß, mit meiner eigenen Verlassensgeschichte zusammenhängt. Außerdem wittere ich noch >>>> d i e s e n Zusammenhang: hier ist die Liebe zur Mutter seiner Kinder fortgegangen, und die Liebe zum Kind beginnt zu flackern und zu erlöschen.
Tatsächlich ist der Junge jetzt a u c h bei uns, so leben wir in einer Dreizimmerwohnung zu sechst, K. geht bisweilen auf dem Zahnfleisch, es gibt auch immer wieder mal Ärger zwischen uns, weil ich ja meine Arbeitswohnung habe und aus der Enge ausrücken kann, sie aber mit allem allein bleibt, es jedenfalls so fühlt; Hauptvorwurf ist, daß ich nicht von mir aus mal saubermachte, das Bad wischte, aufsaugte usw. Mein Gegenargument ist, daß ich an sowas einfach nicht denke; sie wisse doch, wenn sie es mir sage, dann täte ich’s immer doch gleich, fast immer, okay… aber ich denke wirklich nicht an sowas, mein Kopf ist mit ganz anderem voll, und also mülle ich ja auch in der Arbeitswohnung allmählich ein. Als ich es mir noch leisten konnte, hatte ich eine Putzfrau, die mich fast mütterlich umsorgte und sogar meine alten Medikamente aussortierte und wegwarf, wenn das Verfalldatum überschritten war… langjährige Dschungelleser werden sich >>>> an Elisabeth sicher noch erinnern. Wie auch immer, Haushaltsputzereien, vor allem im Bad, waren schon in meiner Zeit mit Do ein Problem, und vorher mit Regine und d a vor mit … und mit… und mit… C** gestern am Telefon: „Ich habe das auch immer mit meinem Mann. Das ist, glaube ich, ein ewiges Frauen-Männer-Thema.“ Wenn man erst mal so weit ist als junger Mann, daß die Körperpflege zentral geworden ist, während es mein Achtjähriger mal auf den Punkt brachte: „Hauptsache, ich bin schmutzig, Papa“, rückt alle übrige Pflege zurück: man glaubt wahrscheinlich, seinen hygienischen Part in der Welt völlig erfüllt zu haben. Auffällig sauber, übrigens, kommen mir bei alleinlebenden Männern die Wohnungen von Schwulen vor.

Um neun bringe ich meinen Jungen zu einem Geburtstagsfest, dann will ich ans Cello, schließlich mit K., unserem neuen Problemjungen und den Zwillingskindlein über den Weihnachtsmarkt ziehen. Die Arbeit steht wohl noch einmal zurück; allerdings kam ein Auftrag vom WDR herein; das wird erneut etwas Luft schaffen; und im Februar gebe ich ein Wochenendseminar im >>>> Frankfurtmainer Literaturforum; dafür ist noch das Thema zu skizzieren. Also sowas werd ich heute tippen.

7.50 Uhr:

Vorbereitung zum Kakao
für Viere

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