Heidelberger Vorlesung I (2). Arbeit in der sterbenden Schriftkultur ist Arbeit am Sterben der Schriftkultur.

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Form ist ein Rauschgift. Hat man einmal davon gekostet, läßt es sich nicht mehr davon las­sen; tage-, wochen-, ja monatelang nimmt man sie immer wieder ein, bis sie sich erfüllt hat – unter der Voraussetzung, daß sie auf ihren Gegenstand paßt, ihm kompatibel ist, um diesen alten Prozeß modern auszudrücken, und nicht etwa für den Gegenstand passend gemacht wird, wie das etwa ironische Lyrik gern tut. Da drängt sich dann immer das Individuum vor. Das Individuelle bringt die Kunst aber um, die vielmehr einen prinzipiellen Sog ins Allgemeine hat. In dem Sinn schrieb Rilke, ein Liebesgedicht wende sich nicht an die spezielle Geliebte, sondern immer an die Geliebte-an-sich: an eine Idee, die der des Lesers ausgespro­chen verwandt ist. Der Leser/die Leserin sind Archety­pen, nicht Personen. Das hat sich über die Jahrhunderte nie geändert. Es liegt nahe, daraus zu folgern, daß auch der Künstler selbst „nur“ Archetyp ist, daß er vorübergehende Realisierung eines Types und einer Haltung ist, die auf weitere und nächste Künstler nächster Generatio­nen übergeht. Ich verwende für diesen Vollzug sowohl in Hinsicht auf Personen („Träger“, meinethalben „Medien“) als auch auf Handlungsstrukturen wie Inhalte-allgemein den Be­griff der >>>> Allegorie.

Zu >>>> Material wird notwendigerweise jede Erscheinung, die zum Gegenstand eines Kunst­werkes wird. Schon hier ist der amoralische, d.h. überzeitliche Zug überdeutlich. Auch hier greift das Perverse. Selbst Pendereckis den Opfern von Hiroshima gewidmetes >>>> „Threnos“ führt in allem musikalischen Entsetzen die Lust an dem Entsetzen mit sich. Adorno hatte Grund, zu behaupten, nach Auschwitz sei es unmöglich, noch Gedichte zu schreiben, nur daß sein Grund kein ästhetischer, sondern ein moralischer war, der sehr genau wußte, daß ein Übertreten seines rhetorischen Verbotes dazu führen würde, daß Menschen an dem Grauen, das Auschwitz bedeutet, Kunstlust empfinden würden. Wer die >>>> Todesfuge liest, weiß ganz genau, unmittelbar, wie recht Adorno mit seiner Forderung hatte; er weiß aber auch, wie anti-künstlerisch sie konstruiert war, wie jenseits all dessen, was Adorno derart wichtig ge­wesen ist. Wir können aber so seine Ausfälligkeiten gegen die von ihm so ge­nannte „Negermusik“ verstehen, womit er den Jazz meinte: Wenn es möglich ist, daß aus der Erfahrung furchtbaren Leidens solch lustbetonte Musik geschrieben wird, dann ist Auschwitz nicht der Endzustand von Welt gewesen und nicht ein Grauen, über das kein weiteres hinausgeht, sondern nichts anderes als eines unter Tausenden bereits geschehener Grauen und weiterer Tausender noch kommender. Die letzten beiden Jahrzehnte haben gezeigt, daß dem so ist. Ich muß nur an das Völkerschlachten auf dem Balkan und im Sudan erinnern; auch da, im übrigen, haben barbarischste Kulturbrüche stattgefunden, die ihrerseits, wenn ein Dichter sich ihrer annimmt, zur Grundlage der perversen Kunst-Lust, aber eben auch von Katharsis werden können – von Läuterung.

Um diesen Gedanken zuzulassen, muß man den Gedanken der Perversion zulassen und da­mit die aus ihr strömende Lust. Ich habe, um den Begriff an der unmittelbaren Gegenwart zu erproben, in den letzten Jahren immer wieder über die Dynamik der in die Mode geströmten BDSM-Settings publiziert, die ich im übrigen ganz gut aus eigenem Erleben kenne. Daß man sich mit solchen outings innerhalb bestimmter Kreise – und sowieso im Rahmen demokrati­scher Wohlanständigkeit – unbeliebt macht und von daher auch existentiell gefährdet, muß ich nicht eigens betonen. Einer modernen, nach-postmodernen Ästhetik müssen aber gera­de diese Settings nicht nur auffällig sein, sondern sie weisen einen der grundlegenden Wege.

Alles ist Material. Das ist ein inhumaner Satz. Kunst ist inhuman, weshalb sie in menschlichen Belangen – und der Künstler menschlich oft selber – meistens versagt. Materi­al ist die Geliebte, ist das eigene Kind, Material ist das Verkehrsunfallopfer, Material ist die eigene Geschichte, Material sind die Geschichte und die Traumata anderer, auch der nächs­ten, Material ist das Kriegsverbrechen, ist die Vergewaltigung, der Mißbrauch Minderjähri­ger, Material ist der Terroranschlag, der Hunderte Menschen zerrissen hat, Material ist das politische Kalkül, Material sind die eigenen Körperfunktionen, besonders, wenn sie ausset­zen. Guernica war Material für ein Bild, dessen Reproduktionen heute Wohnzimmerwände schmücken, ja Chefetagen multinationaler Unternehmen. Die Leiden der Folteropfer, die Martyrien Gläubiger, sind das Material religiöser Künste und führen Zu­stände gläubiger Verzückung herbei. In Catania wird alljährlich >>>> die Monstranz der Heiligen Agate durch die Gassen prozessioniert. Die Frau hatte sich ihre Brüste für ihren Glauben ab­schneiden lassen. Sie sollten einmal den Jubel der Massen hören. Man trägt, das Urbild der christlichen Glocken, die abgeschnittenen Brüste, voran. Es gibt, unterm Strich, gar nichts, kein Grauen, kein Entsetzen, das der Kunst nicht Material würde. Auch das ist ein Grund dafür, daß in humanistisch-demokratischen oder scheinbar humanistisch-demokratischen Ge­sellschaften die Kunst per Entertainment, das anderen Produktionszusammenhängen ge­horcht, desinfiziert werden soll. Politische Correctness ist prinzipiell anti-künstlerisch. So gesehen, ist jeder wirkliche Künstler ein Verbrecher. Denken Sie in diesem Zusammenhang an die doch sehr auffällige Bewunderung, die >>>> Karlheinz Stockhausen unmittelbar nach 9/11 für 9/11 ausgedrückt hat. Er hatte, künstlerisch, in dieser Sache absolut recht. Schon hier zeigt sich überdeutlich, daß es zwischen U und E einen eminenten, existentiellen Unter­schied gibt. Daß der verwischt werden soll und teils bereits verwischt worden ist, ist ein Aus­druck der moralischen Verfahren und des moralischen Normwillens der demokratischen An­ständigkeit.

Tatsächlich wird in der Kunst jedes Material einem Transpositionsprozeß unterzogen; es wird transzendiert. Das mißachtet das Leid des Einzelnen (leiden tun immer nur Einzelne, behalten Sie das im Gedächtnis) und formt es in ein allegorisches um. Wo dies nicht ge­schieht, verlieren Künste, sowie etwas Zeit verstrichen ist, ihre Bedeutung und werden dann allenfalls noch unter literarhistorischen Gesichtspunkten gelesen, aber als Kunst nicht länger gefühlt. Wie viele vorgeblich große Romane hat es in der deutschen Sprache innerhalb der letzten anderthalb Säkuli gegeben? Fünfzig, sechzig? Und wie viele blieben und entfalten noch heute ihre Wirkmacht? Dabei will ich noch gar nicht mal von der eher ärmlichen Nach­kriegsliteratur sprechen. Schon am Wozzeck ist es doch nicht die spezielle Kritik Büchners, die das Stück so zeitlos macht, sondern die Ausgestaltung eines speziellen Schicksals als ei­nes allegorischen, das anwendbar ist auf Tausende Unterdrückte, deren je persönliche Kon­stitution ihrerseits sie zu Gewaltverbrechen führt. Und wer, der Bergs Vertonung kennt, schauerte nicht jedes Mal aufs Neue, wenn im Duett gesungen wird: „Wie der Mond roth aufgeht!/Wie ein blutig Eisen!“

Der Begriff des Materials künstlerischer Arbeit beinhaltet aber nicht nur Konkreta, sondern auch Erzähltes, indirekt Erfahrenes, Geglaubtes. Seine Eigentümlichkeit, aus der sich vieles erklären läßt, besteht darin, daß zwischen konkreter und abstrakter Information nicht unter­schieden wird. Wie Rönne bei Benn hält der Künstler die aufgebrochenen Schädelhälften in Händen, schaut hinein und sagt: „Das ist die Welt.“ Dem entspricht in der Moderne zuneh­mend die erfahrene und erfahrbare Realität. Was sich vor fünfzig Jahren noch relativ leicht trennen ließ, ist im Medienzeitalter nicht zusammengewachsen, sondern für den Einzel­nen nahezu unlösbar amalgamiert. Streng genommen weiß ja unter uns tatsächlich niemand, ob es den Dreißigjährigen Krieg je gegeben hat; wir glauben ihn; allerdings glauben wir ihn aufgrund von Wahrscheinlichkeiten. Das ist bei politischen Ereignissen der Gegenwart, insbesondere außenpolitischen, ganz ebenso kompliziert. Darüber, >>>> was die deutschen Soldaten in Afghanistan tatsächlich tun, weiß niemand von uns faktisch Bescheid. Unsere Urteile beziehen sich fast durchweg auf Erzählungen, zu denen ich selbstverständlich auch Bilder zähle. Bilder sind sogar diejenige Form der Erzählung, die zunehmend die diskursive Erzählung abgelöst hat. Ausschnitte sind Betonungen. Auch sie sind längst Material, das manipulativ geformt wird – ob nun aus humanistischen Beweggründen oder nicht.

Dem muß eine neue Ästhetik Rechnung tragen, und das tut sie abermals vermittels der Form. Weil Form in einer solchen Situation das einzige ist, was noch Objektivität verbürgen kann. In der Kunst beweist sich an ihr und nicht an der Meinung oder gar vermeintlichen Sendung eines Künstlers der mögliche Realitäts-, in diesem Fall möchte ich lieber sagen: Wirklich­keitsgehalt seiner Kunst. Der Gehalt w i r d durch die Form wirklich, und zwar auf eine Wei­se, die sich von der Wahrnehmungsart übriger Informationen in dem Leser nicht sehr und vielleicht gar nicht unterscheidet. W e n n er aber wirklich wird, kann er ganz ebenso Wider­stand und Abwehr auf den Plan rufen – das ist anders, als beim Kunsthandwerk, von dem im­mer doch zugleich das klar ist, bzw. von dem die öffentliche Wahrnehmung klarhaben will, was meine Großmutter sich und ihren Lieben zur Beruhigung immer sagte, wenn etwas im Fernsehen z u bewegend wurde: „Das ist doch nur ein Film.“ Durch dieses „Das ist doch nur ein Film“ macht Kunst einen Strich. Um weiterhin so streichen zu können, ist wieder Ernst ge­fordert, ja Pathos; der Germanistenfetisch Ironie veruneigentlicht ebenso wie der poststruktu­ralistische Ansatz tat, der >>>> „Alles ist ein Text“ gesagt hat und der imgrunde den kabbalistischen Versuch weiterträgt, die Welt als Gottes Namen zu lesen. Dagegen muß man sich mit der Ge­walt und Gewaltsamkeit des Lebens stemmen, vitalistisch, provokativ und entschieden. Ohne dabei die Formung des Materials, die künstlerische Notwendigkeit seiner Formung, auch nur einen Moment lang aus dem Blick zu verlieren.

Kunst wird immer mit Leid geschrieben. Katharsis ist Erschütterungslust, der die Alten die Fähigkeit der Reinigung bescheingten. Keine Kunstform trägt das gegenwärtig so sehr weiter wie die Oper und der Film, aber auch wie manches im Underground. Also immer ganz oben, nie in der Mitte, immer ganz unten. Das dürfen Sie sich auswendig lernen und allabendlich vorsagen, wenn Sie sich auf Kunst einlassen wollen. Sogar in der Dichtung, das sind mittlerweile überraschende, staunenmachende Momenten, ereignet sich das Kathartische noch – überraschend ist das, weil sie ja tatsächlich keinen anderen Sinnesapparat affiziert als den des begrifflichen Denkens. I h r e Sinnlichkeit ist die vermittelste aller, und diese Vermit­telheit muß sich gegen das scheinbar Unvermittelte, Unmittelbare aller übrigen Künste und Medien behaup­ten. Was ihr in den allerseltensten Fällen gelingt und was sie auf keinen Fall schafft, wenn sie versucht, dem nachzueifern, was nur die anderen Künste können. Zu einer wirklichen Be­deutung kann Dichtung nur noch dann gelangen, wenn sie sich auf das besinnt und es radikal ausbaut, was nur sie allein kann. Womit wir dann wieder bei den Bedeutungshöfen angelangt wären. Filme zum Beispiel, die so etwas nachstellen wollen, scheitern – oder bedürfen der poetischen Intervention, also eines Fremdeingriffs in das Medium. Godard hat vorgeführt, wie so etwas geht: >>>> Je vous salue, Marie.

Erschütterungslust ist pervers. De facto erschüttern wir uns – eine intensive Form des Ver­gnügens – am Unheil, an heftigstem Unheil; schauen Sie sich nur antike Dramen oder die Königstragödien Shakespeares an. Es hat seine Gründe, daß diese Stücke noch nach Jahrhun­derten wirken; einer dieser Gründe besteht darin, daß man sich niemals auf die irrige Ästhe­tik eines der jeweiligen Gegenwart verflochtenen Realismus’ eingelassen hat, sondern immer in das allegorische Strömen gestiegen ist. Das ist nahezu immer blutig, blutig und brutal wie ein Action-Thriller; und immer hat es mit Existenz im emphatischen Sinn zu tun, niemals mit einem Vierzigstundentag. Das ist es, was uns untergründig dahinzieht.
Wir erbauen uns in den Kunstwerken an dem furchtbarsten Elend anderer aber nicht nur, weil wir selber geschützt sind oder das zu sein meinen, sondern weil wir ahnen, es letzten Endes n i c h t zu sein. Genau diese Spannung nährt die ungemeine Lockung und Verfüh­rungskraft vermittels der amoralischen Ausstrahlung, die Kunstwerke grundsätzlich haben und die auch die Dichtung hat. Das hat nach wie vor einiges vom Herbeirufen, vom Beschwören und Bannen sowie davon, den Verbotenen Gott anzuschauen. Weshalb alle Kunst letztendlich heidnisch ist. Das Bilderverbot hat das gewußt. Bis heute führt dieser Umstand, quer durch die Epochen, immer wieder zu Skandalen.

Skandale haben moralische Ursachen – sie geschehen, wenn das Es das Wort gegen das Ich erhoben hat, das deshalb nach dem Über-Ich ruft und ebenso nahezu immer praktisches Recht erhält, ohne doch tatsächlich das Es je in den Griff zu bekommen. Verbotene Kunst­werke scheinen sogar mit einer besonderen Hartnäckigkeit am Leben zu bleiben; vielleicht haben sie sich ein paar Jahrzehnte lang verstecken müssen, aber dann fangen sie wieder und manchmal erst ganz besonders zu leuchten an. Das hat genau diesen Grund. Alle Kunstwer­ke, die es s i n d, sprechen aus dem Es; das meint alle Kunstwerke, die sich nicht vermittels ihrer Intention erklären lassen oder die einen Anteil haben, der sich nicht aus ihr erklären läßt. Etwas zu erklären bedeutet immer, es, indem man es identifiziert, zu desinfizieren. Denn es liegt auf der Hand, daß gerade der amoralische Kunstaspekt – einer ihrer Ontologie – den auf kalkulierbare Vermarktbarkeit ausgerichteten Mechanismen innerhalb einer moralisch-demokratischen Konsensgesellschaft dann grob zuwiderläuft, wenn man ihn nicht als skandalwillig und/oder als bewußte Provokation ansehen kann, die nichts als den Skandal im Sinn trägt. Wenn er sich also nicht in einem angemessenen Rahmen identifizieren läßt, ob nun als Schwulenbuch, als Horrorroman, Porno oder sogenannte ernste Literatur. Publikationen dürfen unterdessen fast alles, nur eines nicht: den Rahmen sprengen, der die Vermarktungsmodalitäten definiert und festschreibt. Das heißt, daß innerhalb jedes Rahmens eigene moralische Gesetze gelten; hält man sich an den Rahmen, kollidiert das nicht mit der Moral. Hält man sich an ihn nicht, schafft man also Kunst, dann folgen die Sanktionen – ob man nun niedergeschrien oder totgeschwiegen wird. Kunst bedeutet nahezu immer, die Rahmen zu sprengen, aber das >>>> in einer strengen Form zu tun. Wobei diese Rahmen immer moralisch definierte sind, gegen die Kunst den Einwand der Form erhebt. Moral ist in der Warengesellschaft der ethische Ausdruck ökonomischer Interessen.
In diesem Sinn wird sich eine Kunst, die sowohl nach-postmodern ist wie dem Prinzip des Widerstandes verpflichtet, prinzipiell gegen die ökonomisch orientierten Rahmen richten, das heißt, sie wird Genres mischen. Es ist zum Beispiel ein eminent politischer Akt, Allerper­sönlichstes, sagen wir Sexualität, in allgemeine Themen zu implantieren und sich nicht nach der üblichen Kategorisierung zu richten. Zugleich nimmt das einige Momente der frühen Moderne wieder auf, etwa das Collage-Verfahren; dies auch schon deshalb, weil die Vollen­dung des Marktanspruchs derart rigide auf Urheberschaften beharrt. Kunst, die an einer nach-postmodernen Ästhetik ausgerichtet ist, wird vermischen.

Werden die moralisch-ökonomischen Ansprüche einer Gesellschaft absolut, d.h. ist die mora­lische Infrastruktur derart dicht, daß es keine Lücken mehr gibt, wird Kunst gesellschaftlich zum underdog. Hier liegt eines der Hauptprobleme im heiklen Feld von Kunst & marktwirt­schaftlich ausgerichteter Demokratie. Denn indem allgemeinmenschliche Normen als Grund­bedingung öffentlicher Verlautbarungen auf Kunst rechtswirksam übertragen und vor allem von den Rezipienten internalisiert werden – etwa, daß aufgrund ihrer Äußerungen keiner ver­letzt werden darf -, hebelt das eine der Grundbedingungen ihrer Existenz völlig aus: nämlich ganz unabhängig von Rücksichtnahmen wie über ein erscheinendes Ding zu sprechen: phä­nomenologisch und nicht moralisch zu sprechen. Aus dem Es zu sprechen. Es soll im­mer schon aus dem Ich, wenn nicht Überich, gesprochen werden.
Bezeichnenderweise kann, wenn er auf dem Es besteht, der Künstler auf sich selbst keine Rücksicht nehmen: was ihm widerfährt und was er verarbeitet, ist ganz ebenso pur Material wie irgend ein Erlebnis bei einer, sagen wir, Seereise. Da er aber als empirische auch soziale Person ist, kommt er nicht umhin, im Kunstprozeß auch andere Personen wie Material zu be­handeln. In seinem persönlichen Rahmen wird das immer entschlüsselbar sein, also wenigs­tens für Personen seines direkten Umkreises. Indem die Doktrin der Anständigkeit bereits de­ren Interessen berücksichtigt – und eine rechtsstaatliche Verfaßtheit m u ß das tun -, wird die Kunstausübung notwendigerweise beschnitten – und damit die Entstehung von Kunst über­haupt.
Das interessiert Kunst aber nicht, mit den bekannten Folgen entweder vermittelter Zensur – man kann einen politischen Zusammenhang zwischen ökonomischer Privatisierung und der Verschiebung öffentlicher Funktionen auf die Privatperson sehen – oder in doktrinären Regimen Verbannung und Schlimmerem. In demokratischen Marktge­sellschaften wird die Forderung, anständig zu sein, allerdings bloß aus dem Selbstverständnis der Zumutbarkeit an Kunst herangetragen, freilich möglicherweise mit den Folgen mangeln­den Absatzes oder neuerdings als Schadensersatz- und Schmerzensgeldklage; denn es sind ja die Leser selbst, die solche Forderungen an Kunstwerke stellen – es ist das Volk. Auf das ein Kunstwerk ebenso wenig Rücksicht nimmt wie auf konkrete Personen des persönlichen Umgangs, bzw. auf seinen Schöpfer, den Künstler, selbst. Sofern meine Überzeugung stimmt, daß Kunst aus dem Es spricht, fokussiert es sich allein auf das Ausgraben und das, was das Ausgraben ausgräbt.
Das bedeutet aber nicht, es komme dem Dichter nicht auf Wirkung an oder sollte ihm nicht drauf ankommen. Im Gegenteil. Doch je stärker die Wirkung eines Ausgegrabenen ist, das die Allgemeinheit lieber begraben ließe, desto stärker werden auch die Abwehrbewegungen ausfallen; gerade die starke Wirkung – ich nenne sie Intensität – kann die Rezeption eines Werkes behindern und oft sogar, in seiner akuten Zeit, unmöglich machen. Dessen muß man sich bewußt sein. Zumal im vorgeschrittenen Kapitalismus Intensitäten, sofern sie nicht, wie etwa in Bereichen des Pops, marktgerecht einherkommen, der Forderung nach Äquivalenz nicht nur nicht entsprochen, sondern Äquivalenz gerade verletzt wird. Der Intensität – im Moment, da sie erlebt, nicht etwa von außen unangerührt betrachtet wird – geht Vergleichbarkeit ge­rade ab. Jede neue Liebe ist die Liebe; ist sie’s nicht, ist es keine Liebe.

Dennoch muß eine grundlegende Einschränkung gemacht werden, die wiederum mit der handwerklichen Verfügungskraft des Künstlers zu tun hat oder zu tun haben sollte und an diesem Punkt eben doch Verantwortlichkeit ins poetologische Spiel bringt. Dabei geht es, das ist mir für die zu skizzierende Ästhetik wichtig, nicht um Intentionalität, also um eine wie auch immer gerartete missionarische Sendung, unter die das Kunstwerk gebeugt wird. Wohl aber um die Vergegenwärtigung der Möglichkeit mißbräuchlicher Nutzung von Kunst­werken. Es geht da um vor allem politische Abgrenzung.
Kunstimmanent ist, daß ich diese nicht inhaltlich formulieren kann, das heißt, sie läßt sich nicht aufpfropfen, ohne die Immanenz eines Kunstwerkes zu verletzen und es damit zu schä­digen. Vielmehr muß die Form so streng, muß sie so kalt, ja so abweisend sein, daß sich fremdgeleitete Nutzanwendungen nicht erlauben. Abweisend bedeutet in diesen Fällen: in sich selbst ruhend, auf sich selbst und den poetischen Raum bezogen, nicht hingegen auf ein möglicherweise Gemeintes oder nicht-Gemeintes außerhalb, das das Kunstwerk dann für Fremdinteressen in Bewegung setzen kann. Es ist ein Unterschied, ob ein Dichter nach der politischen Erfahrung der letzten achtzig Jahre und angesichts des allgemein-medialen Zu­griffs schreibt, oder ob er das vor dem letzten Weltkrieg getan hat. Ob etwas, das ich ge­schrieben habe, von ungeheuren Kräften mißbraucht werden könne, muß sehr wohl im Be­reich meiner Abwägung liegen. Hier folge ich Adorno entschieden, wehre mich aber zu­gleich gegen ein auferlegtes Verstummen. Daran, inwieweit dieser Ansatz praktikabel ist, wird sich die Tragfähigkeit einer Ästhetik erweisen, die sich zugleich thematisch nicht fremdbestimmen lassen will.
Diese Selbstverpflichtung zur Obacht, wie ich das nennen möchte, bedeutet nämlich nicht, es dürften bestimmte Themen und Inhalte nicht angesprochen werden. Es bedeutet vielmehr, daß auf eine Weise gestaltet werden muß, die nicht auf irgend jemandes Fahnen paßt. Auch dies ist eine Frage des Formmoments, der Formung. Sie alleine bestimmt, was ausdrückbar ist und was, individuell nach Formvermögen, nicht. Um Ihnen ein Beispiel zu geben: Nabo­kovs Lolita, wiewohl des pädophilen Themas randvoll, eignet sich kaum als Vademecum pä­dophiler Gesinntheiten, geschweige daß er für die public relations von Mädchenhändlern in Bewegung zu setzen wäre. Das ergibt sich schon allein aus der diffizilen psychologischen Schilderung der handelnden Charactere wie dem Romanaufbau selbst. An die Stelle inhalts­bezogener Tabuisierungen oder gar direkter Verbote setzt sich ein Formgebot.

Kunst ist nicht Ware. Das, was als Ware auf den Markt kommt, ist nicht das, was in der Kunst steht, sondern es sind ihr äußerliche Eigenschaften. Mit anderen Worten: Es wird mit der Kunst nicht das verkauft, was die Kunst ist. Denn es ist nicht einmal zu sagen, was die Kunst-an-etwas sei, geschweige, welch sagen wir Ge­brauchswert und ob es einen habe. In dem Moment, in dem wir das genau sagen könnten, handelte es sich schon nicht mehr um Kunst. Genau diese Aporie will der Markt verschleiern oder ganz aufheben; Vermarktungswille muß das auch, um entsprechend kalkulieren und lancieren zu können; wobei unter Gebrauchswert eines Kunstwerks sehr wohl der Fetischcharacter von Kunstwerken fällt, der ziemlich oft allein der vom Kunstwerk strikt zu unterscheidende Fetischcharacter eines urhebenden Künstlers ist.

Identifikation ist das Hauptmerkmal der Warengesellschaft. Ihr formaler Ausdruck ist die Äquivalenzform, die bis heute niemand klarer beschrieben hat als Karl Marx. Etwas kann für et­was anderes gerechnet werden und steht dann dafür; sie hat einen exakt bezifferbaren Wert, der über das Schicksal der Ware bestimmt. Insofern der Kunst ein von Adorno so genanntes Nicht-Identisches eignet, eignet sie sich nicht zur Vermarktung. In dem Moment, in dem ein Kunstwerk sich, sagen wir vorerst: „freien Willens“ zur Vermarktung entstehen läßt, widerläuft sie ihrer eigenen Ontologie und schafft sich dadurch ab. Sie wird verfüg- und vor allem kalkulierbar; muß sie auch, wenn sie im Markt mit signifi­kanter Bedeutung bestehen will. Denn ignoriert sie ihre Gebrauchs-Wahrhaftigkeit, wird sie nicht mehr rezipiert. Ignoriert sie sie nicht, schafft sie sich aber ebenfalls ab, weil sie als Ware ihre eigenen Bedingungen verrät. Arbeit in der sterbenden Schriftkultur ist Arbeit am Sterben der Schriftkultur.

Dieser Widerspruch begleitet alle Kunst, seit sie zum ersten Mal >>>> mit Anspruch auf Autono­mie auftrat, und scheint sich mit dem globalen Sieg kapitalistischer Wirtschaftsordnungen endgültig verdinglicht zu haben; der Anspruch auf Autonomie trat interessanterweise gerade mit dem Aufstieg des Kapitalismus ins Licht; er war oft sein Gegenentwurf und hatte durch­weg einen anti-kapitalistischen Zug. Man muß allerdings sehen, daß gerade dieser die Küns­te – besser: die Künstler – hat so anfällig für den Faschismus und andere diktatorische Regi­mes werden lassen; das verbunden mit der Verwechslung von Rasse mit dem, was, um mit Ernst Bloch zu sprechen, im „Hauptbuch des Kapitalismus“ steht, hat zu einer tiefen Schuld der ästheti­schen gegenüber der moralischen Haltung geführt. Das Ergebnis war, vor allem im deutsch­sprachigen Raum ein von Schuld ungemein belasteter literarästhetischer Regreß, dem erst die Postmo­derne wieder Pari bot. Die kam bekanntlich aus dem Ausland. Doch schon der Per­sönlichkeitsstruktur von Künstlern ist der genannte Widerspruch immanent, die zwar einer­seits rein ihrer Kunst folgen, andererseits aber auch bekannt werden wollen. Das korrumpiert sie oft. Der Aphoristiker und Philosoph >>>> Ulrich Horstmann, der eigenem Bekunden zufolge seit 2004 nur noch posthum publiziert, hat das auf eine spitze Conclusio gebracht, die ich hier aus der Erinnerung zitiere:

„Warum schreibst Du? – Aus Ruhmsucht. – Mit der Grandezza eines Renaissence­fürsten wäre die Frage ein- für allemal aus der Welt gebracht.“

Nun sind weniger anstrengende, zumal einträglichere Arten vorstellbar, sich Ruhm aufzusammeln als, gerade in den heutigen Tagen, durch Literatur. Da wirkt eben noch etwas anderes und wirkt gegen die persönlichen Interessen des Dichters hindurch, die es wie alle anderen nicht-immanenten Ansprüche untergräbt. Es ist ein Etwas, dessen Bewegungsener­gie allein aus der Arbeit rührt und nicht persönlich interessegeleitet ist. Oft, wie die Ruhe­energie nicht-bewegter Körper, findet es sich in der formalen Wahl und wird zu künstleri­scher Bewegungsenergie, w ä h r e n d man sie formt, d.h. indem man sie in den aktiven Zu­stand versetzt. Es ist in ihr, nicht im Autor..

Daß es und wie es das, was es bewirkt, bewirkt, wird vorerst ein hirnphysiologisches Rätsel bleiben. Wenn ich als Erklärung Form und Formung angebe, so sind das doch erstmal nur Wörter, die etwas als Ursache behaupten, das ausgesprochen abstrakt und s o in der Welt ei­gentlich gar nicht i s t. Denn was da ausgräbt, ist ja nicht die mehr oder minder schematische Art, einen Inhalt an eine möglicherweise sogar rein äußerlich aufgegebene Form anzupassen, sagen wir 10- und 11silbigkeit der zudem eventuell gereimten Quartette und Terzette >>>> eines Sonetts. Sondern indem wir die Form füllen wollen, treiben uns die Möglichkeiten – sowohl die je persönlichen des Handwerks wie die objektiv zuhandenen, überindividuellen, die im Namen genannten – bisweilen in Aussagenbereiche, die wir gar nicht wollen, ja die uns unter Umständen zumindest auf den ersten Blick ganz fremd und oft sogar unangenehm sind. So etwas geschieht auch in Romanen, wenn auch weniger offensichtlich, weil die Romanform an sich ja gar keine ist, d.h. es gibt keine schlüssigen, geschweige endgültigen Konzepte des­sen, was noch einer sei und was schon nicht mehr. Romane sind erst einmal offen – scheint es jedenfalls. Es sind aber auch die allerwenigsten Romane Kunst; die Chance, ein Kunstwerk zu werden, ist ihrer Formen halber bei einem Gedicht ungleich größer. Romane, die Kunst werden wollen, müssen auch keine Formvorgabe haben; sie erleichtert es nur ungemein, auch wenn die Ausfüllung der Form um so mehr handwerklichen Schweiß kostet.
Ich selber habe bei meinen Romanen immer gern mit Zahlenreihen gearbeitet, mit einem, sa­gen wir Korsett, das ich um die Konstruktion gelegt habe, und zwar um den Zusammenhalt zu gewährleisten – dies gerade bei langen Projekten, deren jederzeitige Überschaubarkeit al­lein volumenhalber gefährdet war. Für das >>>> ANDERSWELT-Projekt ist es die Dreierzahl. Dar­über bei Interesse gern im Gespräch mehr. Für den >>>> WOLPERTINGER wiederum waren es Vorgaben aus der Musikgeschichte, und nahezu bei allen meinen Romanen war es die Ver­netzung untereinander und mit anderer Literatur, etwa derjenigen Jean Pauls. Pate standen zudem der Huon de Bordeux http://fr.wikipedia.org/wiki/Huon_de_Bordeaux , sowie in einigen Passagen, die unmerklich wörtlich zitieren, Goethe. Die große >>>> Passacaglia (Septor IV, Kapitel 4) variiert über der als Gesamttext über­nommenen Auerbachszene, die hier quasi als der unter den Variationen durchlaufende Baß fungiert. Die dort extrem durchgeführte Form hat als Ergebnis ein geradezu eruptives Geschehen, das n i c h t von vornherein geplant war, sondern sich aus der Befolgung der Formvorgabe ergab.
Zur Form gehört übrigens auch, und das ist für Prosa besonders nachdrücklich gesagt, der Rhythmus eines Textes, gehören Verschiebungen der Syntax, gehört meist etwas, das der sog. Realismus als >>>> Manierismus desavouiert: die Manier nämlich einer künstlerischen Hand­schrift. So gut wie alle großen Künstler, außer vielleicht den Realisten, sind Manieristen gewesen. Die allzu wohlfeile zeitgenössische Forderung nach Einfachheit will das ebenso verwischen, wie, daß die Sachverhalte „einfach“ nicht sind. Es ist eminent wichtig, sich darüber klarzu­werden, daß eine Verfremdung von Kunstwerken – wie sie juristisch aktuell vor allem in Bezug auf die Darstel­lung sexueller Inhalte festgeschrieben wird – in erster Linie eben nicht durch Verfremdung des Inhalts – der Handlung, der Personen – vorgenommen wird, sondern durch die sprachliche Gestaltung; Kunst bestimmt sich eben einzig durch Form; der Inhalt ist – für die Definition von Kunst und also dasjenige, was die garantierte Freiheit der Kunst an­geblich schützen will – völlig einerlei. Sowie bei einer Kunstbetrachtung Kategorien des In­halts ins Spiel kommen, wird schon nicht mehr die Kunst, sondern werden allein der Inhalt und seine Unbot- oder Botmäßigkeit beurteilt.

Daß ein allein aus der Form gestiegenes künstlerisches Ergebnis eines ist, das mit den Inten­tionen des Dichters möglicherweise gar nicht mehr in Übereinstimmung zu bringen ist, ge­schweige denn mit den Erwartungen eines moralisch sanktionierten Marktes, liegt auf der Hand. In einer solchen Situation bleibt dem Dichter nur die Wahl, entweder seine Ergebnisse selbst zu zensieren, das heißt, das Kunstwerk zu verfälschen, oder ihnen gegen alle eigenen, persönlichen, Bedenken zu folgen. Ich glaube, daß bei großer Kunst nahezu immer der zwei­te Weg eingeschlagen wird. Was bedeutet, daß Sie einen Roman zwar planen können, ein solcher Plan aber an entscheidenden Momenten der Romanentwicklung verlassen werden wird und verlassen werden muß, wenigstens auf Strecken. Thomas Pynchon mag durchaus vorgehabt haben, seinen Jahrhundertroman mit dem Einschlag einer atomaren missile in ein Kino der US-amerikanischen Westküste enden zu lassen; das sich ausgestaltende Liebes-Ver­hältnis zwischen dem kleinen Judenjungen Gottfried und seinem SS-Peiniger – und wie es sich gestaltet – gab es so auf dem Reißbrett ganz sicher nicht. Da genau liegt die skandalöse und überhaupt Kraft des Romans, wie insgesamt in der aus V. wieder aufgenommenen zutiefst unheimlichen… ich möchte einmal sagen: Göttin der Geschichte.

Figuren wie sie entstehen im Unbewußten: es sind Figurationen oft kollektiver Ängste ein­zelner Kulturen, sie existieren aber auch außerhalb der jeweiligen Kultur-Konstanten. Man gerät an sie entweder durch das, was ich eben Formung nannte, oder aber, davon sind einige Fälle bekannt, vermittels Drogen und/oder sonstiger Stimuli. In meinem Fall hat diese Rolle immer wieder die vor allem europäische Kunstmusik übernommen. Die Form wie die Stimuli unterlaufen (über-)ichgesteuerte Prozesse der Zensur.

Arbeit in der sterbenden Schriftkultur ist Arbeit am Sterben der Schriftkultur. Der provokante Titel hat in der Vorbereitungszeit dieser Poetik-Dozentur ein bißchen Widerstand erfahren; frei­lich war er schnell zu glätten – zumal der Titel in der Tat nicht genau formuliert ist. D a ß er es nicht ist, gehört zu dem, was ich unter Bedeutungshöfen verstehe. In dem Moment, in dem Sie fragen: Was meint der Mann g e n a u? und ihm nicht unterstellen, er habe rein geschwa­felt, kommten Sie in ein Feld, das mehrere mögliche Aussagen zugleich wahrscheinlich macht, auch solche, die einander widersprechen. Gemeint ist selbstverständlich erst einmal:

Poetische Arbeit in der sterbenden Schriftkultur ist Arbeit am Sterben der Schrift­kultur.

Ohne im ein­zelnen den Nachweis führen zu wollen, glaube ich allerdings, daß sich das auch auf andere Bereiche übertragen läßt,. Den Titel im Ungenauen zu belassen, im Ungefäh­ren, ist deshalb der Analogie vergleichbar, die die Karte der Ausdehnung der letzten Eiszeit mit einer Karte in Verbindung bringt, die die Form des menschlichen Gehirns zeigt. Wenn man weiß, daß sich dieses um die Zeit der Eiszeit herum revolutionär entwickelte, wird ein Schluß nahegelegt, der nur den Analogien möglich ist: es ist eine Ahnung. Negt und Kluge haben das in ihrem hinreißenden >>>> GESCHICHTE UND EIGENSINN so getan. Solche Ahnun­gen, auch wenn sie deduktiv keine Wahrheitsfunktionalität haben, wirken untergründig im­mer weiter und bestimmen den Ton einer Aussage. Dadurch handelt es sich um eine poeti­sche Aussage, die neben der wissenschaftlichen steht und an Intuitionen denken läßt, deren Existenz man zwar bestreiten mag; dennoch führen sie in künstlerische Produktionen. Es sind nicht die schlechtesten. An dieses Phänomen rührt von einer ganz anderen Seite die im letzten Jahrzehnt auch für die Wissenschaft mit maßgeblich gewordene Gender-Diskussion. Wissenschaftlich gesehen sind Analogieschlüsse skandalös; es gilt auch hier der Einwurf des Es’ gegen Ich und Über-Ich.

Zu Analogieschlüssen als poetischer Strategie will ich in den nächsten Vorlesungen einiges ausführen. In dieser ersten waren alleine einige Pfeiler einzuschlagen, zwischen denen eine nach-postmoderne Ästhetik aufzuspannen ist. Und das hab ich getan.

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