Das sind schwere Monate gewesen, ich konnte mich lange nicht entscheiden, monatelange Momente, unter der Satindecke diesen Geruch zu haben, der immer stärker wurde, täglich, was ganz ungewöhnlich ist, dass man sich selbst riecht. Es ist dieser bestimmte süße Geruch, der manchmal etwas Ekelhaftes hat, aber man kann nicht aufhören, ich konnte nicht aufhören, seit ich W. gesehen hatte, auf dem Weg nach dem Südbahnhof, er stand da am Markt, ich kenne ihn noch aus Unizeiten, und er sah mich an.
Mehr ist nicht geschehen. Das war vor drei oder zweieinhalb Jahren. Es war nur dieser Blick, der mir zwischen die Beine griff. Ich hatte so etwas vorher noch nie so erlebt. Was so auch nicht stimmt, denn in Wirklichkeit habe ich mir diesen Blick selbst zwischen die Beine gezogen. Vielleicht hat W. davon gar nichts mitbekommen, er lächelte ja nicht einmal, wir grüßten kurz, er sah sofort wieder weg, das bin ich gewöhnt, weil ich nicht zu den Frauen gehöre, hinter denen die Männer herlaufen. Ich bin verheiratet, ich habe zwei Kinder, ich liebe meinen Mann und die Kinder. Auch ich sah weg, sofort nach ihm weg.
Ich habe W. seither nicht wiedergesehen. Aber diese Begegnung hat mich getrieben gemacht. Niemand merkt mir etwas an, da bin ich sicher, man hat mich oft prüde genannt, obwohl das nicht stimmt. Ich wollte mich aber nie lächerlich machen. Ich will akzeptiert werden. Ich bin jetzt fünfunddreißig.
Vor zweieinhalb Monaten habe ich mich mit D. getroffen, nachdem er mich in der Schirn angesprochen hat. Ich reagiere auf so etwas eigentlich nicht. Aber es war so unverschämt und gleichzeitig so erregend, dass ich einfach keinen Ton herausbekam.
Du bist ein Tierchen, sagte er, du willst, dass man dich nackt an den Brustwarzen durch einen Raum voller Menschen führt. Aber du willst dabei anonym bleiben. Er sagte nicht guten Tag, er stellte sich nicht vor, er sagte am Anfang nur das.
Dann schwieg er. Er stand gar nicht mal so nah bei mir, vielleicht einen Meter weg. Ich saß. Ich wollte nicht aufsehen. Aber ich sah auf. Er sah herunter. Ich würgte. Die Situation war so bizarr, dass ich nicht einmal daran dachte zu protestieren. Ich fand denn Mann nicht einmal sympathisch.
Du willst ein Doppelleben, sagte er.
Er blieb stehen, ich glaube, das waren Minuten, dass wir schwiegen. Ich konnte seinen Blick nicht erwidern, sah weg.
Dann sagte ich: Ja.